20. Oktober 2012

Festschrift "25 Jahre Foederatio Saxonica Transsilvana"

Über ein Vierteljahrhundert alt ist sie inzwischen geworden – die „Foederatio Saxonica Transsilvana“, die 1985 von Siegfried Habicher ins Leben gerufene Rottweiler Gruppe der Siebenbürger Sachsen. Und seit 1986 kürt sie Jahr für Jahr zur Fasnetszeit – die Siebenbürger selbst sprechen vom Fasching – den „Siebenbürgischen Ritter wider den tierischen Ernst“. In der traditionsreichen schwäbisch-alemannischen Fasnetshochburg am Neckar wurde somit eine neue Tradition begründet, die sich großartig in den Veranstaltungsreigen der „Fünften Jahreszeit“ einfügt. „Ein Ritterschlag passt doch wohl gut zu einer alten Reichsstadt, der ältesten in Baden-Württemberg“, freut sich Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß in seinem Grußwort.
Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens von Foederatio und Ritterschlag hat die Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. unter der Federführung von Siegfried Habicher jetzt eine reich und farbig bebilderte, 88 Seiten starke Festschrift herausgegeben, die nicht nur an die Bälle und Ritterschlags-Zeremonien des zurückliegenden Vierteljahrhunderts erinnert, sondern sich – es liegt angesichts des Wesens der Vereinigung auf der Hand – einem Thema in ganz besonderer Weise widmet: dem Humor. „Humor, Satire, Ironie bei den Siebenbürger Sachsen“ lautet denn auch der Untertitel der aufwändig und liebevoll gestalteten Festschrift mit Beiträgen von Hans Bergel, Kurt H. Binder, Dr. Wolfgang Bonfert, Ingmar Brantsch, Ralf Broß, Siegbert Bruss, Siegfried Habicher, Traute Habicher, Doris Hutter, Alfred Mrass, Hanns Schuschnig, Hans-Werner Schuster, Karin Servatius-Speck, Dr. Stefan Sienerth, Robert Sonnleitner und Dr. Udo-Peter Wagner. Für die Illustrationen zeichnen Wolfgang Untch und Antje Hartwig verantwortlich.

Der Humor war bei den Siebenbürger Sachsen, die vor rund 850 Jahren das Hügelland im Karpatenbogen auf dem Gebiet des heutigen Rumänien besiedelten, schon immer recht ausgeprägt. Vor allem unter der kommunistischen Diktatur war diese Eigenschaft von großer Bedeutung – durch Witz und Ironie ließ sich das Leben in einem totalitären und menschenverachtenden System vielleicht doch ein ganz klein wenig leichter ertragen – Lachen befreit, Diktatoren wiederum kann es das Fürchten lehren. Der Schriftsteller und Journalist Hans Bergel, dessen Roman „Der Tanz in Ketten“ ein Kritiker als „Explosion an Witz, Frechheit, Ironie und homerischem Gelächter“ beschrieb, macht die herausragende und schützende Bedeutung des Humors in seinem Beitrag „Siebenbürgisch-sächsischer Humor als Kulturerbe“ mit einer kurzen Episode mehr als deutlich: Vor Jahren habe ihn ein siebenbürgischer Historiker mit Blick auf die geschichtliche Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen in Rumänien gefragt: „Hätten wir acht Jahrhunderte ohne Humor dort überlebt?“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

Der zentrale essayistisch-wissenschaftliche Beitrag der Festschrift zum vielschichtigen Thema Humor stammt aus der Feder des in Hermannstadt geborenen Historikers Hans-Werner Schuster, Magister Artium, seit 1994 Bundeskulturreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen: „Der politische Witz und seine Funktion in totalitären Regimen“. Schuster erinnert daran, dass es in Rumänien vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und seit der kommunistischen Machtergreifung „eine blühende Witzkultur gab, die alle anderen Formen mündlicher Überlieferung auf die Plätze verwies und aus dem Alltagsleben nicht wegzudenken war.“ Schon aus den allgemeinen Funktionen des Witzes werde seine „subversive Komponente deutlich“, unterstreicht Hans-Werner Schuster und ergänzt, dass „das Lachen immer auch Entlastung, Trost ist, und dass der Witz Erkenntnis erlaubt und Einsicht in die Widersprüchlichkeit der Welt wie der eigenen Existenz bietet.“ Dass Fanatikern und Diktatoren diese Art der Einsicht fremd ist, das unterstreicht der Historiker ganz besonders: „Sie würde ihre Selbstsicherheit versehren. Deshalb, so entnimmt man oft der Sekundärliteratur, werden totalitäre Regime nervös, wenn die Leute anfangen, Witze zu machen, sie dem großen Gelächter preiszugeben.“ Es sei so gefährlich, weil es „ihre Anmaßungen entlarvt, ihre Werte, Glauben, Ideologie ad absurdum führt und ihnen die Vernunft entgegenstellt, die neben den Mitteln der Groteske und Satire fast immer auf die real existierenden Verhältnisse als wichtigstem Hilfsmittel zurückgreifen kann.“

Mit Marcus Tullius Cicero und Arthur Schopenhauer gelangt der Autor schließlich zu der Erkenntnis, dass der Witz „das Zusammenbrechen einer großen Erwartung in ein Nichts“ ist, um den Leser sogleich mit einer neuen, fast schon provokativen These – einem Paradoxon beinahe – zu überraschen: Der politische Witz kann im totalitären Staat das herrschende System auch stützen und erhalten. Denn, so Hans-Werner Schuster: „Wer der Welt jederzeit entfliehen kann, muss sie nicht ändern, es reicht, befreit aufzulachen, und sich mit den anderen im Einklang zu vermuten – auch darin, dass der Maisbrei köchelt, aber nicht explodiert.“ Wurde der Witz gar „als Ventil zum Dampf- und Druckablassen und somit zur Stabilisierung der Herrschaft in das System eingebaut? Ein Ventil, das darüber hinaus als Seismograph für die Befindlichkeit der Bevölkerung diesen konnte?“, fragt sich der Historiker, der dafür doch einige Indizien gefunden zu haben glaubt, letztendlich allerdings auch einräumt, dass sich der Witz „den Bedingungen wissenschaftlicher Erkenntnis – bisher – erfolgreich entzieht: Das dürfte wohl die Pointe des Witzes schlechthin sein.“

Alles in allem haben Siegfried Habicher und sein Autorenteam mit „25 Jahre Foederatio Saxonica Transsilvana“ eine feine, abwechslungsreiche und ganz sicher nicht allein für Siebenbürger Sachsen lesenswerte und interessante Festschrift vorgelegt. Hans Bergel kann ausnahmslos beigepflichtet werden, wenn er über den Herausgeber sagt: „Es ist das Verdienst Siegfried Habichers, dem Kulturerbe des siebenbürgisch-sächsischen Humors mit dem Anstoß zur Gründung der ‚Foederatio Saxonica Transsilvana‘ ein Forum geschaffen zu haben, dessen Bewahrungskraft auch nach der Massenauswanderung aus Siebenbürgen wirksam bleibt.“

Alfred Thiele


Die Festschrift „25 Jahre Foederatio Saxonica Transsilvana“ kann zum Preis von 8 Euro, zuzüglich Porto, per E-Mail bei siegfried[ät]habicher.de bestellt werden.

Schlagwörter: Ritterkür, Festschrift, Jubiläum, Foederatio Saxonica Transsilvana

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