27. Dezember 2014

Aufschlussreiche wissenschaftliche Publikation über das Waldwesen im Wassertal

Aus Forschungsreisen kenne ich das rumänische Wassertal, ebenso Sigeth, Munkatsch und Deutsch-Mokra und lernte auch Dr. Gertraude Schmitzberger 2002 bei der Erforschung des Volksgutes im Oberen Theiß-Tal (in den vier Anrainerländern) kennen. Ihr Hauptanliegen war lange Zeit das Maramurescher Wassertal und die Ansiedlung von Waldarbeitern aus dem Salzkammergut. Später musste die Linzer Historikerin ihre Forschungen krankheitsbedingt unterbrechen. Umso erfreulicher ist es, dass andere Wissenschaftler, Kurt Druckenthaner und Anton-Joseph Ilk, helfend einsprangen, Schmitzbergers Manuskript druckreif gestalteten und es kürzlich in Nürnberg herausbrachten.
Der Band liegt nun als ansehnliche, gefällige Publikation vor. Der Titel „Die Entstehung des Waldwesens im Wassertal“ wird zufriedenstellend behandelt. Die Autorin ist den Anforderungen einer wissenschaftlichen Publikation gerecht geworden. Dies ist bereits durch die langjährige, minutiöse Dokumentation vor Ort in Rumänien, Ungarn, in der Ukraine und Slowakei ersichtlich, die durch wiederholte Archivstudien in Wien, Budapest Klausenburg und Schemnitz, aber auch durch die Durchforstung verschiedener staatlicher und privater Archive und Sammlungen, sowie durch Gespräche mit kundigen Personen immer mehr ergänzt wurde, bis sich ein stimmiges Gesamtbild ergab. Lücken in der Gesamtthematik wurden durch die beiden Herausgeber geschlossen. Unstimmigkeiten, scheinbare Widersprüche, Mehrfachbezeichnungen von Ortsnamen und Fachbegriffen usw. wurden auf diese Weise gelöst, die alten Wort- und Rechtschreibeformen wurden in einer moderneren, verständlichen Schreibweise wiedergegeben, die Zitierweise der zahlreichen Textstellen aktualisiert und unverständliche Fachausdrücke in Klammern oder Fußnoten für alle Lesergruppen erläutert. Ein besonderes Lob verdient die korrekte Verwendung der (mehrsprachigen) Fachliteratur in Wort und Bild, das fünf Seiten umfassende Literaturverzeichnis, das systematische Abkürzungsverzeichnis und die mühevolle ­Synopse von 100 verwendeten Orts- und Flur­namen mit ihren deutschen, rumänischen, ungarischen, ukrainischen und slowakischen Entsprechungen.

Das in acht Kapitel gegliederte Buch beginnt mit der Marmarosch, einem historischen ungarischen Komitat mit Blick auf die kamerale Waldwirtschaft. Darauf folgt Oberwischau und das Wassertal, das besonders unter dem Aspekt der Wälder und Holzschläge betrachtet wird. Dem Personal des Wald- und Rentamtes (Waldmeister, Materialschaffer, Waldaufseher, oberösterreichische Meister und Meisterknechte, Rentmeister, Heiducken, Taglöhner und Arbeiter) sowie ihren Quartieren wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Holzarbeit im Wassertal beschreibt den wichtigen Wege- und Hüttenbau, den Holzschlag mit Fällen, Abpürsten (zu den Hauptflüssen), das Abriesen und Triften der Stämme, das Aufforsten der abgeholzten Flächen und das Flößen. Die Arbeitsgänge folgten dem Vorbild des Salzkammergutes, was oberösterreichische Zeichnungen belegen. Als Verwaltungsaufgaben werden Buchhaltung, Sessionen des Wald- und Rentamtes (Sitzungen der Beamten und Aufseher) und Visitationen erläutert. Das Kapitel Auswirkungen der Waldamtsgründung auf Oberwischau reicht bereits in die Thematik von Geschichte und Volkskunde, die mit der Wirtschaft zusammenhängen. Dasselbe gilt für das gut dokumentierte Sonderkapitel Die Hungersnot von 1785 bis 1787. Der Anhang befasst sich ausführlich mit den Beamten, Meistern und Meisterknechten sowie ihre Besoldung, den Lebensmittelpreisen zwischen 1775 und 1788 (also auch während der großen Hungersnot) und den damaligen Holztarifen. Interessant sind die Aufzählungen der verwendeten Maße und Gewichte sowie der einzelnen Artikel der Satzungen. Eine ausführliche Zeittafel von 1765 bis 1809 fasst alle historisch-sozialen Erneuerungen übersichtlich zusammen.

Anvisierte Lesergruppen sind Forscher und Studierende verschiedener Fächer, aber auch Personengruppen aus den beschriebenen Gebieten, einschließlich Vertreter der Erlebnisgeneration, die zusätzliche Ansprüche an eine verständliche Darstellungsweise des Stoffes stellen. Hat das Buch das alles geleistet? Die Leser werden von der vorzüglichen Wiedergabe historischer Karten der besprochenen Gebiete beeindruckt sein. Hinzu kommen gute Zeichnungen derselben Region (S. 188 f.), Fotos und Skizzen von Arbeitsgeräten, Riesen, Flößen und Bauwerken, zumeist nach Vorlagen aus dem Salzkammergut. Ein besonderes Augenmerk gilt den Ethnien der Region. Wir begegnen Fotos mit rumänischen Frauen in Oberwischau, eine jüdische und eine ruthenische (ukrainische) Familie aus der Maramuresch, verschiedene Nationalitäten vor einem Wirtshaus (S. 81). Dazu auch Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Die Erforschung des Lebenswegs von Paul Graf Festetiscs von Tolna (1722-1782), Bevollmächtigter der Regentin Maria Theresia für alle ökonomischen, transporttechnischen und administrativen Fragen des Waldwesens in der Marmarosch, liest sich wie ein Kriminalroman. Druckenthaner und Ilk fanden das Stammschloss der Familie Festetics in Simaság und die Familienkrypta in der Pfarrkirche des Ortes. Von Graf Festetics stammt eine „Instruktion für das Wald-Weesen“, deren dritter Teil die „Satzungen“ für alle österreichischen Holzarbeiter in 32 Artikel enthält. Die Holzarbeit bestimmte das Leben der Siedler, die Satzungen regelten ihr Dasein vom religiösen Leben über Gehorsamspflicht, Schule, Verhältnis zu Fremden und zur Obrigkeit, Strafen für Vergehen und Verbrechen, bis zur Bruderlade, Kleiderordnung usw. So wie der Leibeigene dem Grundherrn untertan war, waren Arbeiter und Beamte im Waldwesen dem Waldamt verpflichtet, das für alle sorgte. Dennoch forderte die dreijährige Hungersnot (1785-1787) im Komitat, das noch keine Kartoffeln anbaute, über tausend Tote. Man stelle sich vor, Brot aus gemahlenen Eicheln und Baumrinde zu essen!

Hans Gehl


Gertraude Schmitzberger: „Die Entstehung des Waldwesens im Wassertal“, redigiert, ergänzt und für den Druck bearbeitet von Kurt Druckenthaner und Anton-Joseph Ilk, Verlag Haus der Heimat, Nürnberg 2014 (Band 3 der „Veröffentlichungen zu den Zipsern im Wassertal“), Hardcover 17 x 24 cm, 237 Seiten mit zahlreichen Fotos, Zeichnungen, Karten und Tabellen, Tasche mit der Reproduktion eines Plans von 1809 zur Besiedlung des Wassertales, Preis: 19 Euro zzügl. Versandkosten. ISBN 978-3-00-046412-6. Bestelladresse: Paul Falticsca, Waldstraße 26, 91126 Rednitzhembach, Telefon: (0 91 22) 6 39 54.

Schlagwörter: Buch, Wassertal, Geographie

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