5. Januar 2003

Sinn des Seins künstlerisch ergründet

Ausstellung Rudolf Eisenmenger in Wien. Das Wiener Erzbischöfliche Dom- und Diözesanmuseum zeigt einen Querschnitt durch das Lebenswerk des in Siebenbürgen geborenen Malers anlässlich seines 100. Geburtstags.
„Heimweg“ nannte der in Wien lebende Künstler das Bild, das er 1994 kurz vor seinem Tode fertig stellte – eine letzte Hommage an die Landschaft, in der er geboren wurde und deren Symbolik ihn zeit seines Lebens begleiten sollte.



Rudolf Hermann Eisenmenger wurde am 7. August 1902 in Simeria geboren. Sein Vater, Rudolf Eisenmenger, Sohn eines österreichischen Barrikadenkämpfers von 1848, den es nach Siebenbürgen verschlagen hatte, war ein geschätzter Arzt in Simeria und Broos, später Kurarzt in Baaßen und im Hermannstädter Sanatorium. Seine Mutter Hermine stammte aus der Apothekerfamilie Graffius aus Broos. Der junge Rudolf besuchte die Volksschule in Broos und das Gymnasium in Mediasch und später in Hermannstadt, wo ihn Hans Hermann im Zeichnen unterrichtete und wo er die ersten Kunstwerke in der Galerie des Brukenthalmuseums kennen lernte. Die Wirren nach dem ersten Weltkrieg bewogen die Familie 1920 zum Umzug nach Wien, wo sein Großonkel August Eisenmenger ein bekannter Maler war. Rudolf studierte an der Wiener Akademie der Bildenden Künste bei den Professoren Tichy und Bacher. 1930 wurde er jüngstes Mitglied des Künstlerhauses und war 1939-1945 dessen Präsident. Von 1951 bis 1972 wirkte Eisenmenger als Professor an der Technischen Universität Wien.

Das seinem Schaffen zugrunde liegende Thema formulierte Eisenmenger wie folgt: „Kunst ist nicht irgendwann erfunden worden und seither aus Gewohnheit da, Kunst gehört zu den Lebensäußerungen des Menschen, der, seitdem er erschaffen wurde, immer fragt: warum bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich. Das Geheimnis der ihn umgebenden Natur wird er immer zu ergründen suchen.“

Es sind die Worte, die auch der Ausstellung als Motto dienen. Gezeigt werden ungefähr 90 Werke – Ölbilder, Graphiken, Aquarelle und Originaltapisserien, die nach den Entwürfen des Künstlers gewebt wurden – aus allen Schaffensperioden des siebenbürgischen Künstlers, 92 Jahre lebte und Zeitzeuge eines Jahrhunderts war. Dabei wird versucht, den Menschen Eisenmenger und sein in der siebenbürgischen Heimat geprägtes Empfinden sowie seine Auseinandersetzung mit der religiösen Kunst darzustellen. Eisenmenger vertritt keine bestimmte Kunstrichtung, sondern steht mit seiner symbolistischen Ausdrucksweise eher als Bindeglied zwischen Tradition und Moderne.

Rudolf Eisenmenger: Der Frühling, Öl auf Leinwand, 1982, 80 x 50 cm
Rudolf Eisenmenger: Der Frühling, Öl auf Leinwand, 1982, 80 x 50 cm

Die Kernpunkte seiner künstlerischen Aufmerksamkeit, der Mensch und die Ergründung des Sinns seines Seins, weisen Elemente auf, die er aus Siebenbürgen mitgebracht hatte. Dieses war für ihn zum Sinnbild für die Begegnung und das Zusammenleben von Menschen verschiedener Zunge geworden, die einerseits ihre eigene Identität bewahren und andererseits auch ohne Sprache miteinander kommunizieren. Viele Bilder zeigen daher Hände und Füße der Menschen als Mittel stummer Verständigung, wie in „Der Frühling“ (1927, 1982), „Mädchen mit grünen Handschuhen“ (1935), „Verkündigung“ (1968-70). Ferner beeindruckte ihn die kontemplative Haltung der Menschen, die Freude am diesseitigen Leben vermittelt und die er auf Bildern wie „Präludium“ (1953) oder „Träumende“ (1963) gestaltete.

Religiöse Darstellungen sind ein Grundbestandteil seines Werks und wirken durch die Konzentration auf das Geschehen besonders ausdrucksstark, beispielsweise in den Kreuzwegtafeln, die er für die Kirche St. Christoph in Baden malte. Vor allem die Porträts weisen Elemente auf, die der katholischen Malerei fremd sind und der rumänischen orthodoxen Kunst entstammen dürften.



Eisenmengers Tapisseriewerk brachte Österreich internationale Geltung. Er schuf für den Gobelinsaal der Wiener Staatsoper einen Zyklus von Entwürfen für 171 m2 Tapisserie nach Mozarts „Zauberflöte“ und den Entwurf für den Eisernen Vorhang der Oper (170 m2 Fläche) nach Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“ als Versinnbildlichung des Themas der Macht der Musik. Nach dem Tod des Künstlers erklärte Operndirektor Ioan Hollender den Vorhang für veraltet und ließ ihn mit so genannten modernen Werken verhängen. In einer beispiellosen Aktion wurden fast 23 000 Unterschriften gesammelt und diese zweifelhafte Verfügung aufgehoben.

Das letzte Bild, „Heimkehr“, hatte der Maler bereits 1935 auf einer Siebenbürgenreise skizziert, in der eine ganze Reihe von Werken ihren Ursprung fanden, unter anderem zwei in der Ausstellung nicht gezeigte Bilder von Sächsinnen in Tracht. 1994, vor seinem Tode, griff er noch einmal auf das Thema der Heimkehr der Nonnen nach getaner Arbeit und zugleich auf die ruhigen Farben seiner ersten Schaffensperiode zurück - ein Zeichen, dass sich sein Kreis geschlossen hatte.



Die Ausstellung ist bis zum 1. Februar 2003, Dienstag bis Samstag, 10.00 bis 17.00 Uhr, im Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum, Stephansplatz 6, in 1010 Wien zu sehen. Kuratorin ist Dr. Maria Missbach.

Ana Cletiu

Schlagwörter: Österreich, Maler, Wien

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