19. September 2016

Leserstimmen zu den „Streiflichtern“: Von Kapellen, Kopisten und Komestannen

Immer wieder erreichen den Autor, den Bildredakteur und die Redaktion Rückfragen bezüglich der Illustrationen der historischen „Streiflichter“. Auf zwei E-Mails wird im Folgenden eingegangen.

Jakobskapelle vs. Ladislauskapelle

Meine erste Antwort gilt Herrn Gerhard M. Bonfert (Augsburg), der wissen möchte, warum ich in der Siebenbürgischen Zeitung vom 25. Juli 2016, S. 7 (vgl. SbZ Online vom 31. Juli 2016), in der Bildunterschrift mit Albert Huet und Johannes Bayer die alte Bezeichnung Jakobskapelle verwendet habe.

Die im Jahr 2000 in der Hermannstädter Zeitung durch die Architektin Heidrun König ausgelöste Diskussion über die Entdeckung der richtigen Jakobskapelle und die Identifizierung der bis dahin als Jakobskapelle bekannten als Ladislauskapelle ist mir natürlich bekannt, zumal ich ja selbst über die auch künstlerisch begabte Architektin geschrieben hatte (Siebenbürgische Zeitung vom 20. Februar 2001, S. 8). Auch Ioan Albu kam in seinem gründlich recherchierten Buch „Inschriften der Stadt Hermannstadt aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit“ von 2002 (seine Dissertation von 1997) zum gleichen Schluss. Dass ich dennoch „Jakobskapelle“ schrieb, ist auf meine Befürchtung zurückzuführen, dass der Name Ladislauskapelle viele Leser verwirrt hätte.
Die Südwand der Ladislauskapelle vor ihrer ...
Die Südwand der Ladislauskapelle vor ihrer Zerstörung im Sommer 1898. Im mittleren Chorfeld befand sich das 1592 gemalte, fast lebensgroße Doppelporträt Bayer – Huet (vor der Reformation ein gekreuzigter Christus und trauernde Frauen), in den Bogenfeldern links und rechts der betende Luther (links) und sein Freund Melanchthon (rechts). Rechts unter Melanchthon stand eine dem hl. Ladislaus von Ungarn nachempfundene Gestalt mit einem Medaillon in der Hand, das eine sehr frühe Ansicht von Hermannstadt zeigte. Foto aus der Sammlung Carl Albrich d. Ä., jetzt Brukenthalmuseum, Inv.-Nr. 16135
Das lange Zeit einfach als „Kapelle“ oder „Schulkapelle“ bezeichnete gotische Gebäude links neben der Brukenthalschule war 1898 durch einen Aufsatz des Gymnasialdirektors und Hobbyforschers Carl Albrich d. Ä. – er schrieb auch eine Arbeit über die Sonnenuhr an der ev. Stadtpfarrkirche – buchstäblich über Nacht zur Jakobskapelle geworden. Danach verwendeten alle den neuen Namen, von Michael Csaki, Emil Sigerus, Moritz von Kimakowicz und Michael Thalgott bis zu Géza Entz und Hermann Fabini. Sogar noch im quasi hauseigenen „Jahrbuch des Brukenthalgymnasiums für die Jahre 2005-2008“ wird die alte Bezeichnung weiter verwendet. Fabini selbst trug seit 2000 den neuen Erkenntnissen Rechnung.

Gerichtsrat und Freizeitmaler Carl Hann von ...
Gerichtsrat und Freizeitmaler Carl Hann von Hannenheim mit seiner Frau Regine, geb. Bayer (einer Nachfahrin des Bürgermeisters Johannes Bayer in der ehemaligen Ladislauskapelle). Reproduktion einer aquarellierten Fotografie, bez. u. rechts: „Photogr. Th. Glatz - gem.[alt] Ágotha 1857“. Verbleib des Originals unbekannt. Zu Hannenheims kaisertreuen Freunden zählten auch Theodor Fabini und der patriotische Dichter Johann K. Kirchner.
Sie haben also vollkommen Recht, lieber Herr Bonfert, das Beibehalten des alten Namens entspräche nicht mehr dem heutigen Wissensstand. Die richtige Jakobskapelle lebt übrigens, bis zur Unkenntlichkeit verbaut, im Wohnhaus Huetplatz 17 weiter, in dem einst auch Bischofsvikar Hermann Binder mit seiner Familie wohnte. Sanierungsarbeiten hatten 1999 Strebepfeiler und Wandmalereien zum Vorschein gebracht – was denn auch Heidrun Königs detektivische Rekonstruktion auslöste.

Mindestens ebenso spannend ist, aus meiner Sicht, die Frage nach der Zuverlässigkeit der Ölbilder von Carl Hann von Hannenheim (1828-1911), der das ursprüngliche Aussehen einiger der Würdenträger von den Wänden der Kapelle durch seine Kopien überliefert hat: Albert Huet mit Johannes Bayer, Peter Haller, Johann Sturm. Wie auch auf nebenstehendem Foto zu sehen ist, war beim Abriss der Kapelle im August 1898 der Zustand der Fresken völlig desolat, was freilich auch damit zusammenhängt, dass man sie erst unter der Tünche von 1863 freilegen musste. Ich nehme deshalb an, dass der zeichnerisch begabte und bekanntermaßen sehr „kopierfreudige“ Gerichtsrat die Wandbilder bereits sehr früh, also vor der Übertünchung abgezeichnet hatte und sie erst sehr viel später dann in Öl malte (jene im Brukenthalmuseum stammen von 1900, ich schrieb versehentlich 1898).

Carl Hann von Hannenheim als Achtzigjähriger. Von ...
Carl Hann von Hannenheim als Achtzigjähriger. Von Emil Fischer nach einer Fotografie gemaltes Ölbild, 1908, 97 x 72cm, Familienbesitz (Prof. Dr. Hans-Jürgen Spech, Hannover)
Ein ähnlich gelagerter Fall liegt auch bei Hannenheims Zeichnung von der Erstürmung der Strell-Brücke bei Piski 1849 vor, abgebildet in den „Streiflichtern“, Folge 6. Das Bild zeichnete er Anfang der 1850er „nach der Erinnerung“. 1898 kam er darauf nochmals zurück und malte es in Öl. Eine Kopie des Schlachtenbildes erhielt das Brukenthalmuseum, eine weitere das Museum Alt-Mediasch, während das Original im Familienbesitz blieb (verschollen), siehe hierzu Ludwig Fabini: Drei Fabini, Hermannstadt 1930, S. 102.

Es war übrigens Carl Albrich d.Ä. selbst der die systematische fotografische Erfassung der alten Kapelle innen und außen veranlasste. Neben ihrer Verwendung als Schulbibliothek („Kapellenbibliothek“) waren in ihren Räumen im Erdgeschoß eine Schulklasse untergebracht und im ersten Stock das Musikzimmer (nebenstehendes Foto). Auf die Rückseite des hier abgebildeten Fotos notierte Albrich wohl nicht ohne einen gewissen Besitzerstolz: „Von Huet besitze ich ein lebensgroßes Brustbild, eine Zeichnung von Prof. Karl Dörschlag." Über den Verbleib des Bildes ist nichts bekannt, die Kronstädter Zeitung vermeldet am 28. Oktober 1901 nur, dass das Bildnis des Sachsengrafen „auf Grund eines Originalbildes, das sich in Kalkfarben an der Wand einer vor kurzem abgetragenen Kapelle in Hermannstadt befand“, geschaffen wurde.

Komestannen, die Zweite

Auch Herrn Udo W. Acker (Grafing) danke ich herzlich für seine Mail vom 1. August 2016. Er schickte im Anhang eine Illustration mit, die seiner Ansicht nach mit den vier Komes-Tannen vor dem Nationshaus zu tun haben müsse.

Um es gleich vorwegzunehmen. Sie zeigt tatsächlich die Installation eines neuen Sachsenkomes – jene von Franz von Salmen –, doch hatten die dort abgebildeten Tannen (auf dem Original sind es fünf) lediglich dekorative Funktion. Was Herr Acker nicht wissen konnte: Seine Illustration aus Friedrich Körners „Vaterländischen Bildern aus Ungarn und Siebenbürgen (…)“, Leipzig 1858, ist dort unvollständig wiedergegeben. Das vollständige Bild erschien schon zehn Jahre vorher in der renommierten Leipziger Illustrirten Zeitung (siehe Foto). Der feierliche Umzug führte nach der Amtseinsetzung im Rathaus durch die Fleischergasse (links im Bild), sodann die Quer- und Heltauergasse bis hin zum Nationshaus. Der ganze Weg war sinnigerweise mit Tannen gesäumt. Im Hintergrund ist die Fleischergasse mit der reformierten Kirche zu sehen.
Festzug anlässlich der Installation des ...
Festzug anlässlich der Installation des Sächsischen Nationsgrafen Franz von Salmen am 26. August 1846. Holzstich nach einer Zeichnung von Theodor Glatz aus der Illustrirten Zeitung vom 15. Januar 1848, S. 40-41. An der Spitze des Zuges der „Hopner“ (Rathausbesorger) mit seiner Partisane. Im Hintergrund das Rathaus mit einer heute zugemauerten Tür, am Gebäudeeck das kaiserlich-österreichische Doppeladler-Wappen. Scan: Deutsche Bibliothek München
Die Zeichnung für den Holzstich hatte Theodor Glatz geliefert. Sie sollte mit einem Bericht des Kronstädter Publizisten Anton Kurz über die Installationsfeier erscheinen, was leider ziemlich schief ging, denn der Beitrag wurde nicht nur mit erheblicher Verspätung publiziert (Illustrirten Zeitung vom 5. Dezember 1846), sondern auch noch ohne Bild! Erst am 15. Januar 1848 wurde der Stich von der Komes-Installation nachgereicht, allerdings in einem allgemein gehaltenen Beitrag, den Anton Kurz über die Siebenbürger Sachsen geliefert hatte. Dass der Holzstich auf einer Doppelseite der Illustrierten erschien und Franz von Salmen als Titelbild gleich mit, mag eine späte Wiedergutmachung für den Künstler gewesen sein. Das Bild ist meines Wissens das einzige, das wir von einer Komes-Installation besitzen. Bald darauf war die Nationsuniversität endgültig zerschlagen und Anton Kurz am gleichen Tag mit Petöfi (31. Juli 1849) in der Schlacht bei Schäßburg gefallen (zu diesem Bild siehe auch meinen Text im Hermannstädter Heimat-Boten Nr. 96/3-2007).

Konrad Klein

Schlagwörter: Leserecho, Streiflichter

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