2. Februar 2017

Gemälde und Grafiken von Friedrich von Bömches

Krieg, Vertreibung, Armut, Naturkatastrophen: Nach den Statistiken des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR im Jahr 2015 sind weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Bürgerkriegen, wurden vertrieben oder wollen der Armut entkommen. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren noch nie so viele Menschen gleichzeitig auf der Flucht. So wurde auch der Oberbergische Kreis Anlaufstelle vieler geflüchteter Menschen. Das Museum und Forum Schloss Homburg möchte mit der noch bis zum 7. Mai dauernden Sonderausstellung „Flucht und Vertreibung“ einen Beitrag leisten, das hoch aktuelle Thema aufzugreifen und durch das beeindruckende Werk des siebenbürgischen Künstlers Friedrich von Bömches die Tragik des Erlebten begreifbar zu machen. Diese Ausstellung ist ebenso eine Hommage an den Künstler anlässlich seines 100. Geburtstags am 27. Dezember 2016, der bis zu seinem Tod im oberbergischen Wiehl gelebt und gearbeitet hat.
Der aus Kronstadt gebürtige Friedrich Ritter Bömches von Boor stammte aus einer alteingesessenen siebenbürgisch-deutschen Familie. Er wurde während des Ersten Weltkrieges im Jahre 1916 geboren, zu einer Zeit, als Siebenbürgen noch zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte. Bereits als Kind entwickelte er in der Einsamkeit und Stille der Karpatenwelt seine vitale Kraft des Sehens und die Fähigkeit, seine Eindrücke zeichnerisch umzusetzen. Parallel dazu entstand seine große Affinität zur Fotografie. Bei den bekanntesten Künstlern im siebenbürgischen Kronstadt – Hans Eder, Hans Mattis-Teutsch und Fritz Kimm – erhielt er eine akademisch- künstlerische Ausbildung. Bömches gehörte später zu der sich auch in Siebenbürgen neu positionierenden Künstlergeneration, die – klassisch ausgebildet – in ihrer Kunst neue Wege ging und eine eigene, expressive Bildsprache entwickelte.

Im Alter von 22 Jahren begann für Friedrich von Bömches der Militärdienst. Als Soldat der rumänischen Armee kämpfte er bis vor Stalingrad und wurde 1945 für fünf Jahre zur Zwangsarbeit in einem Steinbruch in die Ukraine verschleppt. Die fünf Schicksalsjahre im Donez-Becken prägten auch den Künstler und Menschen Friedrich von Bömches, sie hinterließen tiefe seelische Wunden.

Nach seiner Rückkehr im Jahr 1950 entwickelte sich Bömches zu einem der bekanntesten Künstler Rumäniens und erhielt zahlreiche nationale Auszeichnungen. Es folgten Ausstellungen in Bukarest, Kronstadt und vielen anderen Städten. Das Suermondt-Ludwig- Museum in Aachen war das erste Museum im Westen, das seinen Werken 1966 eine Ausstellung widmete. Durch Einladungen und Ausstellungsbeteiligungen begann eine Reihe von Aufenthalten in der Bundesrepublik, wobei er den Unternehmer Christian Peter Kotz aus dem oberbergischen Wiehl kennenlernte. Unter dem zunehmenden Druck des diktatorischen Regimes Ceaușescus entschloss sich Bömches, Rumänien zu verlassen. Die Übersiedlung in die Bundesrepublik gelang 1978. Mithilfe der Familie Kotz fanden er und seine Familie schließlich in Wiehl eine neue Heimat. Regionale und überregionale Ausstellungen und Ehrungen zeugen davon, dass Bömches auch künstlerisch im Westen angekommen war. Mit der großzügigen Schenkung an den Förderverein Schloss Homburg e.V. von rund 2000 Gemälden und Zeichnungen im Jahr 1993 wollte der Künstler sein künstlerisches Lebenswerk in seiner neuen Heimat gesichert sehen. Seit 2012 ist die Schenkung im Besitz des Oberbergischen Kreises.
Friedrich von Bömches – o.T. Kohle, 1995 ...
Friedrich von Bömches – o.T. Kohle, 1995
Im März 2011 veröffentlichte der im Banat geborene Schriftsteller Ernest Wichner im Tagesspiegel Enthüllungen über die Zusammenarbeit rumäniendeutscher Schriftsteller und Intellektueller als IMs (IM = inoffizieller Mitarbeiter) mit dem rumänischen Geheimdienst Securitate. Friedrich von Bömches soll als IM „Gert Grundich“ seinen Freund und Förderer Walter Biemel bespitzelt haben. In seinem Presseartikel lässt Ernest Wichner keinen Zweifel an der Tatsache, dass einige der IMs in teils bedrohlicher Situation ihre Verpflichtungserklärung bei der Securitate unterschrieben haben.

Friedrich von Bömches gilt heute als anerkannter Künstler. Mit seiner bis ins hohe Alter reichenden unermüdlichen Schaffenskraft entwickelte er eine individuelle Bildsprache. Geprägt durch seine schicksalhaft leidvollen Erfahrungen spielen Themen, welche die Tragik der menschlichen Existenz spiegeln, in seinen Bildern eine große Rolle: Flucht, Vertreibung, Alter und Tod sowie biblische Sujets und Motive aus der griechischen Mythologie.

Nach einer intensiven naturalistischen Phase in seinen jungen Jahren entstand ein eindrucksvolles und umfangreiches Werk, das Kunstexperten dem Stil des Expressionismus zuordnen. Seitdem verbindet man mit dem Namen des Künstlers aussagekräftige, dunkelfarbige Ölgemälde, Werke voller Tragik. Bömches war Interpret seiner Zeit, der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit seinen verheerenden Folgen, die er in seiner Kunst schonungslos offenbarte.

Eine herausragende Werkgruppe des Künstlers bilden die Zeichnungen. Friedrich von Bömches selbst sah sich bis zu seinem Tode eher als Zeichner denn als Maler. Die Materialien Kohle, Kreide oder Bleistift erlaubten ihm ein hohes Maß an Flexibilität. Sie kamen seiner inneren Unruhe, Form und Ausdruck zu gestalten, entgegen. Bömches’ Zeichnungen sind Emotionsträger, die die seelischen Bewegungen, die beim Zeichnen im Künstler vor sich gehen, spürbar machen.
Friedrich von Bömches – o.T. Kohle, 1995 ...
Friedrich von Bömches – o.T. Kohle, 1995
Im Alter hat Friedrich von Bömches unzählige Arbeiten zum Thema „Vertreibung“ geschaffen. Erst Jahrzehnte nach den persönlichen traumatischen Erlebnissen seiner Deportation und Zwangsarbeit gelang es ihm, diese Eindrücke als Zeitdokumente mit Pinsel und Bleistift festzuhalten. Er zeichnete seinen Bericht über die leidvollen Ereignisse jüngster siebenbürgisch-sächsischer Geschichte; eine Darstellung, die die Vertreibung einer ganzen Volksgruppe und damit die Vernichtung von Heimat dokumentiert. Dieses anklagende Zeugnis spricht von Gewalt, Isolation, Angst und Leid, von Hunger und Erniedrigung im Lagerleben hinter dem Stacheldraht. Die Zeichnungen verbildlichen aber nicht nur die persönlichen Erlebnisse des Künstlers, sondern verweisen auch auf die hohe Aktualität des Themas: unzählige, in die Rechtlosigkeit gedrängte Menschen sind auf der Flucht und müssen großes Leid erfahren.

Birgit Ludwig-Weber




Die Sonderausstellung „FLUCHT UND VERTREIBUNG – Gemälde und Grafik aus dem Werk Friedrich von Bömches“ im Museum und Forum Schloss Homburg, Schlossstraße 1, 51588 Nümbrecht (Website: www.schloss-homburg.de) dauert bis zum 7. Mai 2017 und ist im Februar und März Dienstag bis Sonntag von 10.00-16.00 Uhr, im April und Mai Dienstag bis Sonntag von 10.00-18.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt für Erwachsene 3 Euro, für Kinder und Jugendliche 2 Euro (Sondertarife für Gruppen). Info und Anmeldung zu Führungen unter Telefon: (0 22 93) 91 01 17, E-Mail: muspaed [ät]obk.de. Der Zugang zur Ausstellung ist barrierefrei.

Schlagwörter: Ausstellung, Friedrich von Bömches, Flucht und Vertreibung, Homburg

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