18. Februar 2018

„Transilvania mea“ – ein Dokumentarfilm, der nicht ganz der Wirklichkeit entspricht

Ein überaus zahlreiches Publikum belagerte am letzten Dienstagabend im Januar die Katakomben von „Einstein Kultur“ in München. Der Saal erwies sich dann als zu klein, obwohl viele Zuschauer auch entlang der Seitenkorridore auf dem Fußboden Platz gefunden hatten. Eingeladen hatten „Renovabis“ und das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) in Zusammenarbeit mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Kulturreferentin für Südosteuropa am Siebenbürgischen Museum Gundelsheim zur Premiere eines Filmes von Fabian Daub, dem man nach dessen Erfolg mit „Roșia Montana“ (2012) gerne Vorschusslorbeeren einzuräumen bereit war. Sein neuer Dokumentarfilm trägt den rumänischen Titel „Transilvania mea“ mit dem deutschen Untertitel „Von Gewinnern und Verlierern“ und dauert ganze 83 Minuten.
Wir Siebenbürger akzeptieren, dass das rumänische „Transilvania“ ein dehnbarer Begriff ist und dass die Kohlenkumpel des Schiltals vielleicht dazugehören. Dort, bei Lupeni, hat der Filmautor einen „Gewinner“ gefunden, der einen neuen Skilift betreibt, nachdem der Wintersport die kaputten Bergwerke ablösen konnte (oder könnte). Und die anderen „Hauptgewinner“ des Landes werden gleich am Anfang des Filmes ausgiebig vorgestellt: Es sollen die reichen Schafbesitzer in der Gebirgsgemeinde Poiana Sibiului sein. Aber das waren sie ja auch schon vor dreißig und vor sechzig Jahren. Es gab ja keine LPG dort oben. Wolle und Schafkäse waren ihr Reichtum. Und die „băieși“ in der ärmlicheren Siedlung zwischen der Großgemeine Jina und dem von Schafkapitalisten bewohnten Poiana waren schon immer Knechte und Hirten für die beiden Großgemeinden oben am Berg. Und die – im Film nicht erwähnten – Sachsen und Landler aus Großpold haben den Reichen dort oben prunkvolle Häuser gebaut. Davon ist im Film keine Rede, nicht einmal andeutungsweise.
Diskussion im Anschluss an die Filmvorführung ...
Diskussion im Anschluss an die Filmvorführung „Transilvania mea“, von links: Hans Hedrich, Fabian Daub, Theresa Grabinger, Traian Almășan und Dr. Florian Kührer-Wielach. Foto: Hans-Werner Schuster
Dann werden noch – ohne ethnische Zuordnung – die sogenannten „Gabori“ vorgestellt, die Neureichen, die sich meist leerstehende Paläste bauen, selber aber in Häuschen und Hütten wohnen. Ansonsten ist viel von Armuts- bzw. Arbeitsmigration die Rede und davon, dass viele Kinder bei ihren Großeltern aufwachsen, während die Eltern in Italien arbeiten. (Das dort erwirtschaftete Geld kommt aber doch nachhause; oder etwa nicht?) Sind diese Leute ebenfalls zu den „Gewinnern“ zu zählen? Wohl kaum. Und was die Auswanderung vieler Rumänen betrifft – 18 Prozent der Bevölkerung sollen es in den letzten zwei Jahrzehnten gewesen sein – nimmt dieses Land angeblich, nach Syrien, Platz zwei in der Welt ein.

Sieht das Leben der Menschen in Transilvanien so aus, wie es im Film dargestellt wird? Vielleicht, jedoch nur teilweise. Nicht zutreffen kann das für jenen Landesteil, in dem auch viele Ungarn bzw. Szekler, und noch einige, allerdings wenige Deutsche leben. Der Film zeigt keine einzige Stadt. Er endet mit einer langatmigen Präsentation der riesigen Müllhalde am Stadtrand von Klausenburg und mit den Wohnverhältnissen der dort beschäftigten kinderreichen Familien. Ist das typisch für das Land?

Von den Siebenbürger Sachsen wird nur der „deutschstämmige“ Eginald Schlattner in einer kurzen Episode bei rumänischen Häftlingen gezeigt, denen er als Gefängnispfarrer das Wort Gottes (natürlich in ihrer Sprache) vermittelt.

Trotz hervorragender Kameraführung (Ulf Behrens und Ingo Scheel; Aufnahmeleiter ist der in Schäßburg lebende Hans Hedrich) und gut verknappter Übersetzung des Gesprochenen bleibt der Film durch die Weglassung landestypischer Lebensbereiche und die Hervorhebung eher unwichtiger Aspekte einiges schuldig. Nach den überlangen Schlussszenen muss man sich fragen: Hat so etwas heute noch immer vorrangige Bedeutung in einem für ein deutsches Publikum bestimmten Film über Rumänien?

In der an die Filmvorführung anschließenden Aussprache (fünf Personen auf der Bühne und ein gutes Dutzend Sprecher aus dem Saal) wurde manches kritisch beurteilt und zurechtgerückt. Der in Klausenburg lebende Experte für Kulturtourismus Traian Almășan – er spricht tadellos deutsch – bezeichnete die Entwicklung in einigen siebenbürgischen Städten als positiv. Auf die provokative Frage aus dem Saal, wie er es in diesem Land noch aushalten kann, antwortete er, ruhig lächelnd: „Ich kann da gut leben“ und fügte hinzu, er hoffe, dass seine Generation noch manches zum Guten hin ändern kann.

Matthias Krauss, der in Großau lebende Unternehmer, der kurz nach der politischen Wende Mitbegründer eines „Deutschen Wirtschaftsklubs“ in Hermannstadt wurde, erzählte und kommentierte konkret aus seiner Erfahrung zum Thema, wie man die Schwierigkeiten im dortigen Wirtschaftsalltag überwinden kann.

Nachdenklich, zum Teil auch enttäuscht, verließen unsere siebenbürgischen Landsleute und vielleicht auch die wenigen im Publikum, die Transilvanien/Siebenbürgen nicht kennen, den Saal. Und dann gab es noch viel Gesprächsstoff.

Ewalt Zweyer

Schlagwörter: Film, Dokumentarfilm, IKGS

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