18. April 2021

Eine anhaltende Herausforderung: Das Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek und Archiv zwischen zwei Pandemie-Jahren

Im Weihnachtsgruß, den der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat zu Weihnachten 2019 seinen Mitgliedern, Freunden und Förderern sandte, stimmte er alle auf ein bevorstehendes herausforderndes Jahr ein. Damit war 2020 gemeint, allerdings sahen wir die Herausforderung damals vor allem im bevorstehenden Umzug und in der teilweisen Neueinrichtung der Räume der Bibliothek sowie in den damit verbundenen Kosten. Dass zu diesen ohnehin schon ausreichend aufregenden Ereignissen dann noch eine Pandemie hinzukommen sollte, war eigentlich nicht gemeint, sollte aber für alle im und ums Siebenbürgen-Institut zur Herausforderung werden.
Die Bestände der Siebenbürgischen Bibliothek sind ...
Die Bestände der Siebenbürgischen Bibliothek sind systematisch, also nach Themengruppen aufgestellt, hier ein Blick in die Abteilungen Geschichte bis Volkskunde in einem der ältesten Teile des Schlosses. Foto: I. Schiel
Noch während der neue Mietvertrag für die räumliche Erweiterung im Schloss vorbereitet wurde, mussten wegen der Pandemie Mitte März letzten Jahres Bibliothek und Archiv unversehens fürs Publikum vor Ort geschlossen werden. Es konnten nur noch digitale Dienste angeboten werden – was an sich nichts Neues war, ein großer Teil der Benutzung erfolgte in den letzten Jahren auf digitalem Weg. Doch interessanterweise verfielen die Nutzerinnen und Nutzer im Frühjahr 2020 offenbar in eine Art Schockstarre, denn die Benutzungsfrequenz fiel im April auf Null – eine vollständig neue Erfahrung! Erst ab Juni und mit einer vorsichtigen auch realen Öffnung ging es wieder los und entwickelte sich bis zum Herbst fast auf Normalniveau, bis erneut Einschränkungen verhängt wurden. Seit Weihnachten müssen nun Bibliothek und Archiv für Vor-Ort-Benutzung geschlossen bleiben, werden allerdings inzwischen immerhin von ferne, mit Anfragen nach Digitalkopien und Fernleihen, wieder ordentlich beansprucht.

Parallel zum Einbruch der Nutzerzahlen folgten als böse Konsequenz mehrerer Faktoren auch ein Einbruch der Spendeneingänge und pandemiebedingt kritische Aussichten über die künftigen Ausschüttungsmöglichkeiten der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, von deren Erlösen auch Wohl und Wehe des Siebenbürgen-Instituts abhängen. Da bald absehbar wurde, dass für das Folgejahr, also für 2021, die verfügbaren Mittel die Kosten fürs bisherige Personal und für die erweiterten Flächen nicht mehr abdecken würden, war es unvermeidbar, Vorkehrungen zu treffen und dabei auch langjährig bewährtes Personal abzubauen – dies betraf eine halbe Stelle im Archiv sowie zwei Minijobs. Dies ist mehr als nur schmerzlich, vor allem, wenn man gleichzeitig erfährt, dass der Freistaat Bayern hohe Summen für siebenbürgisch-sächsische Kulturarbeit bereitstellt, aber kein bayerischer Pfennig die Landesgrenzen verlassen darf. Und es werden weder Bestände noch Arbeitsaufwand in Bibliothek und Archiv geringer, ganz im Gegenteil, und die Erwartungshaltung zumal der Landsleute ist hoch. Wenn nur der Kreis der Unterstützungsbereiten auch ausreichend hoch wäre!
Ein Arbeitsplatz der Bibliotheksmitarbeiter, ...
Ein Arbeitsplatz der Bibliotheksmitarbeiter, zugleich Lesesaalaufsicht, hier bei der Verzeichnung alter Notenhandschriften. Foto: I Schiel
Mit der Übernahme der neuen Räume begann zunächst im Frühsommer der Umzug der Büros aus der Schlossstraße ins Schloss, vollständig in Eigenregie von den Mitarbeiterinnen und dem Mitarbeiter des Instituts gemeistert, denn wir konnten weder eine Umzugsfirma bezahlen noch konnte wegen der herrschenden Reise- und Kontaktbeschränkungen ehrenamtliche Hilfe anreisen. Und anschließend richteten die Hauptamtlichen im ehrenamtlichen Einsatz die weiteren Räume fürs Archiv her, da hier neben dem Archivbüro und einem Bücherlager im ehemaligen hinteren Speisesaal zwei große Rollanlagen eingebaut werden sollten: eine für die Bibliothek mit inzwischen über 90.000 Medieneinheiten und eine fürs Archiv mit inzwischen über 1.500 Regalmetern Bestand und vielfältigen Sondersammlungen. Die Rollanlagen wurden zu jeweils etwas über die Hälfte vom Land Baden-Württemberg gefördert, die andere Hälfte wurde aus zweckgebundenen Spenden gesichert. So sollte nun für einige Zeit genügend Platz für die Bestände bestehen, da nach wie vor zahlreiche und wertvolle Nachlässe ans Siebenbürgen-Institut abgegeben werden. Allerdings wird trotz allem das Institutsgebäude in der Schlossstraße 41 weiterhin benötigt werden, die Raumkapazitäten im Schloss wären sofort erschöpft, würden wir alles umziehen. Das heißt aber auch, dass auch das Institutshaus weiterhin unterhalten werden muss und somit einen erheblichen Kostenfaktor darstellt, auch wenn es nicht angemietet werden muss.

Ein durchaus charakteristischer Teil der Aktivitäten im Umfeld des Instituts wurde fast zur Gänze ein Opfer der Pandemie, nämlich die für den Austausch so wichtigen Tagungen und Seminare. Auch wenn es in den Vorjahren etwas viel geworden war, so hätte die Reduktion nicht ganz so stark ausfallen müssen. Sämtliche Sektionstagungen und auswärtigen Veranstaltungen mussten abgesagt werden, lediglich mit der Jahrestagung hatten wir insoweit Glück, als sie für die kurze Zeit gelockerter Einschränkungen geplant war und so Mitte September auf Schloss Horneck mit begrenzter Teilnehmerzahl stattfinden konnte: Thema waren die Anfänge der Industrialisierung Siebenbürgens im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert – die Forschungsergebnisse der Referenten finden demnächst in den der Wirtschaftsgeschichte gewidmeten Räumlichkeiten im Schloss ihren Niederschlag.
Der neue Lesesaal im ersten Obergeschoss des ...
Der neue Lesesaal im ersten Obergeschoss des Schlosses mit der Abteilung der Nachschlagewerke; derzeit darf sich pandemiebedingt lediglich eine Person mit Voranmeldung hier aufhalten. Foto: I. Schiel
Aus dem Bereich der Forschung und Dokumentation sind zwei Projekte zu erwähnen, die mit Bundesförderung durchgeführt wurden. Die Erschließung der Redaktionsarchive der deutschsprachigen Presse im Rumänien der Nachkriegszeit einschließlich der Digitalisierung der aufgefundenen Bestände sowie der Periodika selbst konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Das Datenmaterial steht nun außer in Gundelsheim auch beim Honterusarchiv in Kronstadt und bei der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne zur Nutzung digital zur Verfügung. Sodann lief während des gesamten letzten Jahres das federführend von der Stiftung Kirchenburgen umgesetzte Projekt zur Sicherung siebenbürgisch-sächsischer Kirchenburgen. Dieses wird bis 2022 fortgeführt, die Bundeszuwendungen werden über die Geschäftsstelle des Kulturrats verwaltet.

Bei der Vorbereitung von Publikationen passierte mehr, als man wahrnehmen würde, wenn man etwa die drei Reihen des Arbeitskreises beim Böhlau-Verlag im Blick hat. Nachdem ebendieser Verlag, bei dem unsere Reihen seit 1962 erscheinen, vor Kurzem an die Vandenhoeck & Ruprecht-Verlage verkauft wurde, wenngleich er als eigener Verlag erhalten bleibt, war es an der Zeit, den in die Jahre gekommenen Reihenvertrag neu zu verhandeln und dabei gleich eine beschlossene Reform umzusetzen: Die drei Reihen werden zusammengeführt und erscheinen künftig unter dem Traditionstitel „Siebenbürgisches Archiv“, der auf das 1843 begründete Vereinsarchiv zurückgeht. Im vergangenen Jahr wurde an drei Monographien gearbeitet, die inzwischen in die Druckvorbereitungsphase treten. Weitere Titel erschienen außerhalb dieser Reihen, etwa seitens der Sektion Kirchengeschichte drei Bände Synodalprotokolle (1601-1752) oder eigenständig ein neuer Band der Quellen zur Geschichte der Stadt Hermannstadt über die frühneuzeitliche Pestabwehr (erschienen Anfang 2021). Der gleich zu Beginn des Jahres 2020 erschienene Jahresband 2019 der „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ mit einer Vielzahl an Aufsätzen ist hier natürlich auch zu erwähnen, der Folgeband für 2020 steht kurz vor Fertigstellung.

Über all diese Aktivitäten werden die Mitglieder des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde und der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek drei Mal jährlich über die „Mitteilungen aus dem Siebenbürgen-Institut“ auf dem Laufenden gehalten. Informationen findet man desgleichen auf zwei Internetpräsenzen, deren Umgestaltung im vergangenen Jahr ebenfalls vorbereitet wurde und die demnächst unter www.siebenbuergen-institut.de zusammengeführt werden – was nicht ganz trivial ist, da etwa der bibliothekspezifische digitale Katalog dabei als ein zentrales Suchinstrument erhalten und eingebunden werden muss.
So kommen zahlreiche wertvolle Nachlässe im ...
So kommen zahlreiche wertvolle Nachlässe im Archiv an und müssen zunächst in den Rollanlagen zwischengelagert werden, bis sie für die Nutzung aufbereitet und erschlossen werden können. Foto: I. Schiel
Dass wir für die genannten und in ihrer Dimension durchaus markant wachsenden Aufgaben deutlich zu wenige sind, Hauptamtliche wie Ehrenamtliche zusammengenommen, ist ­angesichts der bundesweiten wie internationalen Beanspruchung des Siebenbürgen-Instituts eine Wahrheit, die auch an- und ausgesprochen werden muss. Mehr müsste vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit getan werden – dann aber natürlich zu Lasten anderer Aufgaben, deren Erledigung auch nicht aufgeschoben werden kann.

Die Möglichkeiten, diese umfassenden Aufgaben zu unterstützen oder sich selbst aktiv einzubringen, sind vielfältig. Zum Beispiel ist dies möglich durch eine Mitgliedschaft in einem der eben genannten Vereine, dem Arbeitskreis oder den Freunden und Förderern, oder auch ganz anders, indem man etwa bei Bestellungen bei Amazon über smile.amazon.de die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek als Förderobjekt aussucht, dann spendet Amazon 0,5% der Kaufsumme an die Stiftung. Und natürlich ist es möglich, die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek direkt anzuschreiben und durch Zustiftungen deren Kapital auf Dauer zu erhöhen, das ist gewiss die beste Zukunftsinvestition, wenn einem die langfristige Wahrung des hier dokumentierten Gedächtnisses der Siebenbürger Sachsen am Herzen liegt. Und bitte erzählen Sie es weiter, etwa wenn Ihnen Bibliothek und Archiv bei Ihren Recherchen zu Ortschroniken, für Heimatzeitungen oder bei der Familienforschung weiterhelfen konnten. Informationsmaterial erhalten Sie bei: Siebenbürgen-Institut, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar, info [ät] siebenbuergen-institut.de.

Harald Roth

Schlagwörter: Siebenbürgen-Institut, Siebenbürgische Bibliothek, AKSL, Gundelsheim, Harald Roth

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