6. Mai 2021

„Gesang und echt kameradschaftliche Geselligkeit“: Dem Mediascher Männeroktett zum 125. Jahrestag

Am 21. April jährte sich der Gründungstag des Mediascher Männeroktetts zum 125. Male. Da lohnt es sich, Rückschau zu halten, besonders, wenn man weiß, dass diese Mediascher „Institution“ mit nur ganz kurzen Unterbrechungen über einen solch langen Zeitraum weiterbestanden hat und auch heute noch im Sinne der Gründerväter musiziert. Als das Oktett im Jahre 1926 sein 30-jähriges „Stiftungsfest“ feierte, fasste Adolf Haltrich, einer der Männer der ersten Stunde, den Zweck ihrer Vereinigung in die Worte: „Pflege des deutschen Gesanges und echt kameradschaftlicher Geselligkeit ohne uns der Öffentlichkeit mit unserer Kunst aufzudrängen.“ Daran haben sich die Oktettler über mehrere Generationen gehalten. Sie trafen sich regelmäßig zum Singen, gutem Essen und zünftigem Trinken in kleinem Kreis; mit eigenständigen Konzerten traten sie selten auf, doch folgten sie gerne jedem Ruf, bei feierlichen oder geselligen Anlässen zu singen.
Feucht-fröhliche Stimmung bei der Gründung des ...
Feucht-fröhliche Stimmung bei der Gründung des Mediascher Oktetts am 21. April 1896. In der hinteren Reihe von links Adolf Haltrich, Karl Theil, Adolf Keßler, Michael Ipsen, Gottlieb Schuster; in der Mitte Musikdirektor Hermann Kirchner, Daniel Schmidt; vorne Andreas Draser, Karl Tittus.
„Es ist eine alte Lebenserfahrung,“ schrieb Haltrich weiter, „dass geistig und seelisch gleich veranlagte Menschen durch ein gewisses Fluidum sich unbewusst näher rücken, und wer das Glück gehabt, von seiner Mutter schöne Wiegenlieder gehört zu haben, findet Zeit seines Lebens die hellste Freude am Gesang, der über alle Widerwärtigkeiten im Leben am besten hinüberhilft. Diese Voraussetzungen waren in einer Gruppe von Musikvereinsmitgliedern besonders günstig entwickelt, und da machte Draser Titz, der Schützenwirt, den Vorschlag, ein ständiges Doppelquartett zu gründen und jede Woche einen Abend zu üben, was freudigen Beifall fand. Tittus Karl fand sich bereit, uns zu dirigieren.“

Auf einer Fotografie, die beim Gründungsfest gemacht wurde, scharen sie sich um Musikdirektor Hermann Kirchner und heben die halbvollen Biergläser zum Zeichen dafür, worum es ihnen neben dem Singen immer gehen sollte: die Geselligkeit. Es traf sich gut, dass Andreas Draser in der Rothgasse ein Restaurant besaß. In einem Nebenzimmer fand die Gruppe, die sich bald der Einfachheit halber „Oktett“ nannte, ihr Stammlokal.

Es war nie ein erklärtes Ziel des Oktetts, sich in eigenständigen Konzerten zu „produzieren“. In der zeitgenössischen Presse wird allerdings von Auftritten des Oktetts bei geselligen Anlässen des Gewerbegehilfen-, des Frauen- und des Musikvereins berichtet, und dies immer mit Ausdrücken höchsten Lobes; es gab Einladungen nach Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt. Der größte Jux, den sich das Oktett, angestiftet von Adolf Haltrich leistete, war wohl der Amateurfilm „Die Mediascher Raketenfahrt zum Mond“. Die Parodie auf den berühmten Stummfilm von Fritz Lang aus dem Jahre 1929 „Die Frau im Mond“ wurde in Haltrichs Weingarten auf der Burg lebensecht in Szene gesetzt. Begleitet aus einer Crew von Oktettlern und ihren Gattinnen hob hier Hermann Oberth persönlich als Gast in Richtung Mond ab.
Das zweite Mediascher Oktett zwei Jahre nach ...
Das zweite Mediascher Oktett zwei Jahre nach seiner Gründung im Jahre 1947. Hintere Reihe, von links: Fritz Kasemiresch, Hans Wagner, Julius Klingenspohr, Heinrich Heiser, Gustav Lang, Fritz Siegmund, Josef Karres, Franz Gerst, Dr. Daniel Juchum, Hellmut Lieb, Kurt Siegmund; vorne Carl Lehrer, Arnold Kornfeld, Arnold Weinrich, Karl Daniel Schmidt.
Insgesamt gehörten dem ersten Oktett im Laufe der Jahre 23 Sänger an; ja, es gab Jahre, in denen die Zahl seiner Mitglieder einem Doppeloktett entsprach. Der Dirigent der ersten Stunde, Karl Tittus, leitete es bis zu seinem Tod im Jahre 1942. Es ist davon auszugehen, dass das erste Oktett bis 1944 bestand, auch wenn es aus den letzten Jahren nur sehr spärliche Nachrichten gibt. Von den Gründern lebten noch Daniel Schmidt, Adolf Haltrich und Andreas Draser. In den Kriegsjahren dürften auch die Oktettler nur noch wenig Freude an Gesang und Geselligkeit gefunden haben, mehreren langjährigen Weggefährten mussten sie zudem am Grab singen.

Umso erstaunlicher ist es, wie schnell der Wunsch aufkeimte, die alte Tradition neu zu beleben. Schon im Dezember 1945 trafen vier Sänger zusammen, die den Grundstein für das zweite Oktett legten. Arnold Weinrich, der es über viele Jahre geleitet hat, berichtet in seiner Rückschau im Jahre 1978: „Aus den gesunden, lebensfrohen Wurzeln der Alten war ein neuer, junger Stamm gewachsen. Und wieder war es Adolf Haltrich, derselbe treibende, originelle und einfallsreiche Mentor des alten Oktetts, der die Brüder Kurt und Fritz Siegmund dafür begeisterte, die Tradition von Singen, Humor und kameradschaftlichen Geist in einem kleinen Sängerkreis weiterzuführen. 1945 war eine andere Zeit, eine trostlose Zeit für unser sächsisches Völkchen. Damals zu singen, bedurfte es besonders starker Herzen.“
Der von Dipl. Ing. Liviu Pintican-Juga gestaltete ...
Der von Dipl. Ing. Liviu Pintican-Juga gestaltete Gedenkbriefumschlag reproduziert den Umschlag einer Gedenkschrift von Adolf Haltrich zum 30. Jahrestag des Mediascher Oktetts. Die bei nächtlichem Laternenschein am Marktplatz musizierenden Sänger karikierte damals der junge Helmut Lehrer.
Schnell kamen weitere Sänger hinzu, so dass das Oktett Weihnachten 1946 bereits 14 Mitglieder zählte, die am 20. Dezember 1946 in der vollbesetzten Margarethenkirche in Mediasch zusammen mit einem Frauen- und einem gemischten Chor in einem vielbeachteten Weihnachtskonzert mitwirkten.

Mit der Machtübernahme der Kommunisten hatten sich die Lebensumstände der sächsischen Gemeinschaft dramatisch verändert. Ihre regelmäßigen Proben, wie sie die Zusammenkünfte nannten, fanden nun reihum bei jenen Mitgliedern zu Hause statt, die dafür ausreichend Platz hatten. Lange Zeit herrschte auch große materielle Not, also legte man zusammen, jeder zahlte einen Beitrag, von dem man die Auslagen der Gastgeber für die Bewirtung der stets hungrigen und durstigen Sänger ersetzte. Josef Buresch, der dem Oktett von 1951 bis zu seiner Ausreise 1985 und später auch in Deutschland angehörte, war Kassenwart. Seine im Archiv des Oktetts aufbewahrte akribisch genaue Buchhaltung legt Zeugnis ab von der großen Solidarität, die diese Sängerschar prägte. Wie das erste Oktett hatte auch das zweite keine niedergeschriebene Satzung, dennoch folgte man strengen Regeln. Drei kleine Protokollbücher dokumentieren den sängerischen Ernst, mit dem sie sich der selbst gesteckten Aufgabe widmeten. Probe für Probe werden alle gesungenen Lieder in das Buch eingetragen. Natürlich pflegten sie auch die Geselligkeit, und dies nicht nur beim gemeinsamen Abendessen an jedem Probenabend. Zusammen mit ihren Gattinnen feierten sie Fasching, begingen runde Geburtstage und besondere Hochzeitsjubiläen.

Bis in die späten 1960er Jahre hinein wohnten alle Oktettmitglieder in Mediasch. Dies änderte sich, als der Birthälmer Lehrer Richard Klosius 1968 ins Oktett eintrat. Ihm folgten bald weitere Sänger aus anderen Gemeinden des Weinlandes, so dass sich der Wirkungskreis der Singgruppe erweiterte. Proben fanden nun auch in gastlichen Häusern in Birthälm, Meschen, Reichesdorf und Wurmloch statt, auch bei öffentlichen Auftritten in diesen Gemeinden erntete man viel Beifall. Bis Ende der 1980er Jahre gehörten dem Oktett insgesamt 51 Mitlieder an; die längste Zeit hindurch kann man auch hier von einer nahezu doppelten Besetzung sprechen. Mit einer kurzen Unterbrechung, als die Leitung in den Händen von Gustav Lang lag, dirigierte Arnold Weinrich das Oktett bis zu seiner Ausreise 1981; ihm folgten Georg Lassner, Richard Klosius, Otto Schmitz und Alfred Schmidt. Bald nach dem Umsturz im Dezember 1989 endete dieser Abschnitt in der Geschichte des zweiten Oktetts.
Organistin Edith Toth aus Mediasch dirigiert das ...
Organistin Edith Toth aus Mediasch dirigiert das Konzert am 18. Juni 2016 in der Dinkelsbühler St. Paulskirche. Es singen (von links) Raphael Toth, Hans Weinisch, Artur Wolff, Hans Schuller, Heinz Renye, Wilhelm Untch, Gerhard Servatius-Depner, Helmut Lieb, Peter Litschel, Hugo Schneider, Heiko Lehmann, Christian Rampelt, Hans Dengel, Matthias Dettloff, Burghard Wenzel-Gazdag, Raimar Klosius
Nachdem ab Mitte der 1980er Jahre immer mehr Sänger nach Deutschland ausgewandert waren, keimte der Wunsch auf, das vertraute Musizieren wieder aufzunehmen. Franz Gerst ergriff 1987 die Initiative zu einem ersten Treffen, das Samuel Karres für 14 Oktettler mit Ehegattinnen im Gasthof Ammersee in Schondorf organisierte. Ab da traf man sich regelmäßig, einmal im Jahr in Schondorf und ansonsten wie ehedem in Mediasch reihum, bei vielen der Oktettsänger zu Hause, zum Singen und Feiern gemeinsam mit den Ehefrauen und getreu dem Geist der Gründerväter und aller Vorgänger. Kurze Zeit noch leitete Arnold Weinrich die Sänger, dann folgten Richard Klosius, Otto Schmitz und schließlich Hans Kurt Gehann, der den Dirigentenstab auch heute noch in der Hand hält. Die Zeit brachte es mit sich, dass ältere Mitglieder ausschieden, es konnten aber immer wieder neue Sänger gewonnen werden, so dass auch heute noch 12 Sänger in der Gruppe aktiv sind.

In diesem neuen Abschnitt in der Geschichte des zweiten Oktetts traten die Sänger regelmäßig bei allen Mediascher Treffen in Kufstein und zwei Mal in Dinkelsbühl auf. Denkwürdige Auftritte waren zudem bei der Feier zur 100. Wiederkehr des Gründungstages, zu der die Sänger mit ihrem Dirigenten Otto Schmitz nach Mediasch reisten, 2014 im Rahmen eines Seminars im Heiligenhof in Bad Kissingen, die 120-Jahrfeier in Dinkelsbühl und 2017 in Mediasch aus Anlass der Feierlichkeiten zum 750. Stadtjubiläum.

Bei den drei zuletzt erwähnten Auftritten wirkten auch die Sänger des dritten Oktetts mit, das nach 1990 in Mediasch gegründet wurde. Von den Mitgliedern des zweiten Oktetts lebte damals nur noch Hugo Schneider in unserer Heimatstadt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Gesangstradition von Adolf Haltrich und Co. auch am Ufer der Kokel weiterlebt. Anders als seine Vorgänger hat das dritte Oktett eher den Charakter eines Kammerchors aus Männerstimmen mit regelmäßigen öffentlichen Auftritten. Gesungen wird in Gottesdiensten und bei Begräbnissen, bei Bezirksgemeindefesten, bei Kronenfesten, beim Sachsentreffen und vielen anderen Gelegenheiten, in Mediasch und in den Gemeinden des Kirchenbezirks. Einige Reisen führten auch zu Partnergemeinden in Deutschland, und dabei haben die Mediascher Sänger gerne auch spontan auf öffentlichen Plätzen zum Lobe Gottes und der Freude eines spontanen Publikums musiziert. Die Leitung des Oktetts hat die Organistin der Evangelischen Kirchengemeinde, Edith Toth inne – auch dies ein Novum – ist sie doch die erste Frau in 125 Jahren Geschichte des Mediascher Männeroktetts.

„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ Mehr Informationen zur Geschichte des Oktetts wird ein Buch enthalten, das die HG Mediasch aus Anlass des Jahrestages zum Ende dieses Jahres herausgeben wird. Interessenten können bald Näheres dazu auf der Homepage www.mediasch.de erfahren und sich vormerken lassen.

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Jubiläum, Mediasch, Männer, Oktett, Chor, Chronik, Gesangsverein, Hermann Oberth

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