29. September 2022

Interdisziplinäres Symposium zu Gedächtnis und Erinnerung am 16. Oktober in Gundelsheim und online

„Erinnerst du dich noch an … ?“ Kaum eine andere Frage kann derart schnell ein Gefühl von Gemeinschaft entstehen lassen. Geteilte Erinnerungen und Erfahrungen verbinden Menschen häufig ein Leben lang, und das sowohl auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Doch wie funktioniert unser Gedächtnis überhaupt? Und wie werden Erinnerungen innerhalb einer Familie, einer Community oder eines Kulturraumes weitergegeben? Welche Rolle spielen unsere Erinnerungen bei der Frage, wer wir sind? Ein interdisziplinäres Symposium zum Thema Gedächtnis und Erinnerung wird diese und andere Fragen am 16. Oktober auf Schloss Horneck aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.
Wenn wir von unserem Gedächtnis sprechen, ist das eigentlich nicht ganz richtig. Wir müssten vielmehr von unseren Gedächtnissen in der Mehrzahl sprechen, denn je nach Perspektive unterscheidet man zwischen Langzeit-, Arbeits- und Ultrakurzzeitgedächtnis, autobiographischem, kulturellem, kommunikativem, kollektivem und sozialem Gedächtnis und so weiter – kurzum: der Aufbewahrungsort unserer Erinnerungen hat viele Facetten.

Dr. Hannah Monyer. Foto: Rektorat der Uni ...
Dr. Hannah Monyer. Foto: Rektorat der Uni Heidelberg
Prof. Dr. Hannah Monyer wird uns deshalb in einem einleitenden Vortrag zunächst die wichtigsten Grundlagen zum „episodischen Gedächtnis“ vermitteln, welches das „Was“, „Wann“ und „Wo“ eines Geschehens speichert. Näher eingehen wird sie zudem darauf, dass unsere Erinnerungen Erlebtes nicht so speichern, wie es sich zugetragen hat, sondern modifiziert. Bei der Bildung der ersten Gedächtnisspur wie auch beim erneuten Aktivieren der Erinnerung wird hinzugefügt und weggelassen. Deshalb darf und kann der „Wahrheitswert“ einer Erinnerung hinterfragt werden. Auf individuelle Vorteile, aber auch gesellschaftliche Probleme, die das „konstruktive“ Gedächtnis mit sich bringt, soll im Vortrag ebenfalls eingegangen werden. Dr. Monyer wurde 1957 in Großlasseln geboren und ist heute Ärztliche Direktorin der Abteilung Klinische Neurobiologie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, wo sie Gehirnfunktionen erforscht.

Peter Jacobi. Foto: Sebastian Seibel ...
Peter Jacobi. Foto: Sebastian Seibel
Dass das Thema Erinnerung auch im Schaffen des Künstlers Peter Jacobi eine ganz besondere Rolle spielt, unterstreicht die aktuelle Ausstellung „Memoria. Denk- und Mahnmale des Bildhauers Peter Jacobi“, die bis zum 26. Februar 2023 im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim zu sehen ist. Der 1935 in Ploieşti geborene Bildhauer und Fotograf war von 1971 bis 1998 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim und widmet sich seit bald fünf Jahrzehnten der künstlerischen Erinnerung an den Holocaust, aber auch anderen Themen seiner eigenen und der siebenbürgischen Vergangenheit. In seinem Werk finden nicht selten tragische Momente der Geschichte eine ästhetische Realisierung, ein Beispiel im öffentlichen Raum ist das Holocaust-Mahnmal in Bukarest. Im Gespräch mit Dr. Markus Lörz, dem leitenden Kurator des Siebenbürgischen Museums, wird er Einblicke in sein künstlerisches Schaffen geben und seine langjährige Beschäftigung mit Werken der Erinnerungskultur reflektieren.

Lena Gorelik. Foto: Charlotte Troll ...
Lena Gorelik. Foto: Charlotte Troll
Eine literarische Perspektive auf das Thema wird die Autorin Lena Gorelik mit einer Lesung aus ihrem neuesten Buch, „Wer wir sind“, eröffnen. Sie wurde 1981 in St. Petersburg geboren und kam 1992 als sogenannter Kontingentflüchtling mit ihren Eltern nach Deutschland. Ihr Roman „Hochzeit in Jerusalem“ (2007) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, der vielgelobte Roman „Mehr Schwarz als Lila“ (2017) für den Deutschen Jugendbuchpreis. Ihr autobiographischer Roman „Wer wir sind“ (2021) handelt vom Anderssein, von Identität, von Zugehörigkeit – und von Erinnerungen: Ein Mädchen reist 1992 mit der Familie von Sankt Petersburg nach Deutschland aus, in die Freiheit. Im Westen merkt die Elfjährige, dass sie jetzt „die Fremde“ ist. Ein Flüchtlingskind im selbstgeschneiderten Parka, das die Wörter so komisch ausspricht, dass andere lachen. Auch für die Eltern ist es schwer, im Sehnsuchtswesten wächst ihre russische Nostalgie ...

Um das individuelle und das kollektive Erinnern wird es im letzten Teil gehen, wenn die Historikerin und Moderatorin Sarah Grandke alle drei Gäste gemeinsam aufs Podium bittet. Nicht zuletzt im Dialog mit dem Publikum wird sich das Gespräch auf dem breiten Feld zwischen offiziellen Erinnerungskulturen und persönlichem Erinnern und Verarbeiten bewegen.

Die Veranstaltung findet am 16. Oktober im Festsaal auf Schloss Horneck in Gundelsheim zwischen 11.00 und ca. 15.00 Uhr statt. Das Siebenbürgische Museum wird an diesem Sonntag bereits ab 10.00 Uhr geöffnet sein und Ihnen die Gelegenheit bieten, die Ausstellung „Memoria“ zu besuchen.

Der Zutritt zum Symposium ist frei, doch um Anmeldung beim Kulturreferat des Verbands der Siebenbürger Sachsen wird bis zum 14. Oktober gebeten: per E-Mail an kulturreferat[ät]siebenbuerger.de oder telefonisch unter (089) 236609-24. Zu beachten sind die im Oktober eventuell gültigen Corona-Regeln des Landes Baden-Württemberg. In der Mittagspause werden Getränke und ein kleiner Imbiss zum Kauf angeboten.

Möglich gemacht wird die Veranstaltung durch eine Förderung der Kulturreferentin für Siebenbürgen aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Herzlichen Dank dafür! Einer Förderung des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen aus Mitteln des bayerischen Sozialministeriums wiederum ist es zu verdanken, dass wir das Symposium auch live im Internet übertragen können. Wenn Sie von zu Hause aus zusehen wollen, schalten Sie sich einfach pünktlich ab 11.00 Uhr online dazu. Der Livestream wird über die YouTube-Kanäle des Verbandes (youtube.com/SiebenbuergerDE) und von Schloss Horneck (youtube.com/SchlossHorneck) sowie über die Facebook-Seiten des Verbandes (facebook.com/siebenbuerger.de), des Siebenbürgenforums (facebook.com/siebenbuergenforum/) und von Radio Siebenbürgen (facebook.com/RadioSiebenbuergen) gesendet.

Dagmar Seck

Schlagwörter: Erinnerungen, Wissenschaft, Symposium, Einladung

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