26. September 2025

Ein bewegtes „Jahrfünft“/Neuer IKGS-Band zur Geschichte der Deutschen in Rumänien

Aus einer Tagung zur politischen Geschichte der Deutschen in Rumänien zwischen 1933 und 1938, die im September 2019 in Klausenburg stattfand, ist das Buch „Zwischen ‚Selbsthilfe‘ und ‚Fremdsteuerung‘“ hervorgegangen: Band 146 der wissenschaftlichen Reihe „Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München“ enthält zwölf überarbeitete und erweiterte Beiträge dieser Tagung, die exemplarisch darstellen, wie sich „nationalistische Tendenzen unter den Deutschen in Rumänien“ ausbreiteten, „in welchem Rahmen sich dieser Prozess abspielte und auf welchen gesellschaftlichen, regionalen und kulturellen Ebenen dieser Einfluss in den 1930er-Jahren spürbar wurde“, wie es in der Verlagsankündigung heißt.
Cornelia Eisler bietet in ihrem Aufsatz „Ein unübersichtliches Feld: Organisationen für das ‚Auslandsdeutschtum‘ im Deutschen Reich nach 1933 und ihre Beziehungen zu (den Deutschen in) Rumänien“ einen Überblick über die große Zahl eben dieser Organisationen und deren vielfältige Verflechtungen, die zwar eine gemeinsame Richtung erkennen lassen, sich aber noch in einer „Phase der Aushandlungen“ befinden. Carola Tischler widmet sich der „Kultur- und Minderheitenpolitik während der Gesandtschaft Friedrich Werner Graf von der Schulenburgs in Rumänien (1931-1943)“ anhand dessen Nachlass sowie anderer Dokumente des deutschen Auswärtigen Amtes und dokumentiert vor allem die Spannungen innerhalb der deutschen Minderheit Rumäniens im genannten Zeitraum. Mariana Hausleitners Beitrag „Die Auseinandersetzungen zwischen deutschen Katholiken, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten in der Bukowina und im Banat 1933-1938“ versucht anhand unterschiedlicher Biografien eine Erklärung des Erstarkens der Nationalsozialisten auf Kosten der Konservativen. Cornelia Schlarb wirft in „Der Kampf um die Macht: Nationalsozialistische Einflussnahme auf die Deutschen in Bessarabien in Kirche und Schule 1933-1938“ einen Blick auf die Beziehungen zwischen Siebenbürgen und dem Ende des Ersten Weltkriegs dem Königreich Rumänien zugeschlagenen Bessarabien, dessen Evangelisch-Lutherische Landeskirche mit der Evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen verbunden war. Thematisch passend folgt Ulrich A. Wiens Aufsatz „Kampf um die Köpfe und Herzen der Jugend in der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien (1933-1938)“, in dem sehr detailliert die Konflikte zwischen Kirche und Politik in Bezug auf die Jugendarbeit dargestellt werden. Ingrid Schiel verfolgt in ihrem Beitrag „Sozial bis radikal: Politische Frauen der Deutschen in Rumänien 1933-1938“, wie sich die NS-Ideologie ihren Weg in die verschiedenen Frauenvereine bahnte. Tobias Weger zeigt in „Traditionelle Eliten und Volkstumsaktivisten: Die Deutschen in der Dobrudscha in den 1930-er Jahren“ auf, wie sich die „Gleichschaltung“ der sehr kleinen und heterogenen deutschen Minderheit in der Dobrudscha bis hin zur erzwungenen Umsiedlung vollzog. James Koranyi schreibt über „Jugendwahn, Antisemitismus und Verschwörungsmythen bei den Rumäniendeutschen im heißen Jahrfünft, 1933-1938“, deren Wurzeln er bereits in den frühen 1920er Jahren ausmacht und die noch in den landsmannschaftlichen Kreisen im Deutschland der 1980er und 1990er Jahre einen Nachhall finden. Im Aufsatz „Im ‚Besitz des Propagandaministeriums‘: Die Czernowitzer Deutsche Tagespost im Jahr 1937“ beleuchtet Andrei Corbea-Hoişie dieses 1924 entstandene „unruhestiftende Sprachrohr der radikalisierten Bukowinadeutschen“ und dessen Akteure, Unterstützer und Gegner. Enikő Dácz beschäftigt sich in „‚Hätschelkinder der Nationalsozialisten‘: Drei siebenbürgisch-sächsische Autoren im Dienst der kulturpolitischen Propaganda“ mit Adolf Meschendörfer, Egon Hajek und Heinrich Zillich und deren Verhältnis zum NS-Kulturbetrieb. Hajek und Zillich begegnen den Lesern im Aufsatz „Siebenbürgisch-sächsische Lyrik im Klingsor als Mittel nationalsozialistischer Propaganda“ (1933-1939) wieder; deren und die Texte weiterer Autoren (Georg Maurer, Michael Wolf-Windau, Gerda Mieß, Arnold Roth) untersucht Claudia Spiridon-Şerbu. Im letzten und umfangreichsten Beitrag erörtert Timo Hagen das Thema „‚Deutsche Kunst in Siebenbürgen‘ oder der ‚Abschied von der Kunstgeschichte‘: Wissenstransfers zwischen Deutschland und Rumänien“ anhand ausgewählter Publikationen von Friedrich Müller, Victor Roth und Hermann Phleps.

Der reichhaltige Tagungsband „Zwischen ‚Selbsthilfe‘ und ‚Fremdsteuerung‘“ des IKGS bietet mit seinen zwölf Beiträgen einen thematisch breit aufgestellten Überblick über die politische Geschichte der Deutschen in Rumänien in den 1930er Jahren. Dass weiterhin Forschungslücken existieren, gestehen die Herausgeber im Vorwort ein und wünschen sich das Buch als Anstoß für Wissenschaftler, diese zu schließen. „Die Herausgeber sind sich der Tatsache bewusst, dass nach wie vor gewichtige Desiderata verbleiben, für deren Bearbeitung dieser Band hoffentlich inspirierend wirken kann.“ Die Kontaktdaten aller Beiträger mögen dazu ein erster Anknüpfungspunkt sein – sie ergänzen mit einem Personen- und Ortsregister sowie einer Karte der Bezirke im Rumänien der Zwischenkriegszeit den (ge)wichtigen, äußerst interessanten Band.

Doris Roth

Enikő Dácz, Florian Kührer-Wielach, Tobias Weger (Hgg.): „Zwischen ‚Selbsthilfe‘ und ‚Fremdsteuerung‘. Zur politischen Geschichte der Deutschen in Rumänien in den 1930er-Jahren“ (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Band 146). Regensburg, Verlag Friedrich Pustet, 2025, 338 Seiten, 34,95 Euro, ISBN 978-3-7917-3559-7.

Schlagwörter: Wissenschaft, Geschichte, deutsch-rumänische Beziehungen

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