28. Oktober 2022

„Spaziergang durch die poetische Fantasie“

Beim Verlag Armanis ist jüngst ein Gedichtband erschienen, in dem die in Hermannstadt geborene Brigitte Kräch unter ihrem Mädchennamen Brigitte Hermann 80 Gedichte veröffentlicht, die „aus der Menge ragen“ – um gleich eine sprachliche Anleihe bei ihr zu machen. Schon im Titel „Untiefenfrei“ lässt sie die Sprache schillern und spielt durch Doppeldeutigkeiten mit Leser und Leserin, deren Aufmerksamkeit sie schnell auf ihre Seite(n) bringt.
Eine Untiefe bezeichnet üblicherweise einen Gewässerbereich, wo es besonders flach ist. So weit, so einleuchtend, denn seicht ist diese Lektüre wirklich nicht. Andererseits kann das „Un“ vor der Tiefe auch steigernden Charakter haben, wie in Unmenge, und tatsächlich gebraucht sie im Gedicht „Vincent’s blaue Nacht“ das Wort genau so: „endlos in Untiefen des Firmaments …“.

Während wir noch grübeln, beginnt ein „Spaziergang durch die poetische Fantasie“ der Autorin, die als studierte Germanistin die Sprache beherrscht, damit jongliert, sie variiert, bei Bedarf auch anreichert. „Regenbogenfarben“ verdichtet sie zu einem „Garbenwogensegen“, Mann und Frau lässt sie sich zu einem Paar „vereinzigen“. Die Natur mit Wasser, Blumen, Bergen und Wind bietet Brigitte Hermann reiche Inspiration für ihre Beobachtungen. Aber auch das Licht, der Schein, wahlweise von Sonne, Mond oder Sternen, spielt eine wichtige Rolle für ausgedrückte Gefühle „zwischen Traum und Leben“.

„Geschmeidig winden“ sich darum Worte und Verse, mal schwimmend, mal schwindelnd, taumelnd, manchmal dunkel oder fahl, aber immer wieder leuchtet auch ein entschieden vitales Rot auf. Um Liebe geht es, um Eros; um Buhlen und Werben, um Berührung, Umarmung, Küsse, um Verlangen und Hingabe, und dann, noch plastischer, um Höhepunkt, Befruchtung, Empfängnis, Potenz. Und um sämtliche Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, bis zum krachenden Scheitern von Beziehungen.

Brigitte Kräch, geb. Hermann ...
Brigitte Kräch, geb. Hermann
Die ganze Klaviatur von Empfindungen weiß die Dichterin dabei zu bespielen, von benommen machender Sinnlichkeit über trunkenen Rausch und wilden Tanz bis hin zu schamloser Wollust, manchmal entblößt oder auch einfach nur nackt. Es wird verspätet, verfehlt, verboten, verloren, sogar versehrt, wund, rastlos, schließlich zerrissen und solchermaßen Sehnsucht in allen Facetten beschrieben.

Auch Biblisches, Heldensagen und die Mythologie reizen die Autorin kenntnisreich zu lyrischer Verarbeitung sowie klassische Literatur und Musik, wozu sie mitunter auch Augenzwinkerndes zu sagen hat. Nicht zuletzt geht es dann um Reife, darum, das Leben zu meistern. Die Aufgabe, „gewagte Gespinste“ in einem anregenden Gedichtband vorzulegen, ist ihr jedenfalls gelungen. Unterhaltsam, nachdenklich, vielseitig und gewandt „schwingt sie das Poetenflorett“. Mit „Untiefenfrei“ ist ihr ein Treffer gelungen.

Susanne Thrull


Brigitte Hermann: „Untiefenfrei“. Gedichte. Editura Armanis, Hermannstadt, 111 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978-6060690726; erhältlich über Erasmus Büchercafé: www.buechercafe.ro (Versand vier Euro).

Schlagwörter: Buch, Gedichtband, Lyrik

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