14. März 2023

Internationale Violinvirtuosin: Irene von Brennerberg zum 150. Geburtstag

Die international namhafte Violinvirtuosin Irene von Brennerberg kam am 14. März 1873 als jüngste Tochter des späteren Kronstädter Bürgermeisters Edler Franz Brenner von Brennerberg (1833-1900) und seiner Ehefrau Josephine, geborene Dück, zur Welt. Josephine, die Mutter von Irene, eine stattliche, elegante Erscheinung, war die älteste Tochter meines Ururgroßvaters Josef Georg Dück (1814-1872), Pfarrer in Zeiden, der größten Landgemeinde des Burzenlandes.
Irene von Brennerberg. Fotografie von Leopold ...
Irene von Brennerberg. Fotografie von Leopold Adler (Kronstadt 1892).
Josefines Musikalität übertrug sich nicht nur auf ihre Tochter Irene, sondern auch auf deren Schwestern Josefine (Bratschistin) und Victoria (Cellistin). Zu den frühesten Erinnerungen aus meiner Kindheit gehört ein Besuch mit meinen Eltern bei Josephine-Tante (Irenes Schwester), einer im Lehnstuhl sitzenden sehr alten Dame, in einem sehr großen Haus, in einem sehr großen Garten in Kronstadt.

Irene erhielt als Sechsjährige ihren ersten Unterricht von Anton Brandner (1840-1900), dem Gründer der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft, und von Rudolf Lassel (1861-1918), Komponist, Organist und Musiklehrer am Evangelischen Gymnasium zu Kronstadt. Bereits neunjährig hatte Irene mit dem Violinkonzert in G-Dur von Charles-Auguste de Beriot (1802-1870) ihren ersten öffentlichen Auftritt und spielte mit elf Jahren vor der rumänischen Königin Elisabeth (Carmen Sylva).

Helene Scherg berichtet über folgende Begebenheit aus dieser Zeit: „Mutter Josephine fuhr einmal mit ihren Kindern in der Pfarrkutsche nach Zeiden auf Besuch zu den Großeltern. Als der Wagen auf der Landstraße so dahintrottete, standen plötzlich einige Zigeuner dort, die auf ihren Violinen herumfiedelten und dann an den Wagen heranliefen und bettelten. Frau Josephine ließ anhalten und sagte zu ihrer kleinen Tochter ‚Nimm deine Geige und spiele ihnen etwas vor!‘ Das tat sie und die Zigeuner starrten das kleine Mädchen mit aufgerissenen Augen an. Als sie zu Ende war, nahm der alte Zigeuner seine Violine und schmetterte sie auf den Boden, indem er heulend ausrief, in seinem Leben werde er nie mehr sein Instrument anrühren, seit er dies Kind gehört habe!“

Irene von Brennerberg (l.) mit ihrer Schwester ...
Irene von Brennerberg (l.) mit ihrer Schwester Jetty (Hermannstadt, um 1895). Foto: Wilhelm Auerlich/Samml. Konrad Klein
Von 1886 bis 1889 setzte Irene ihre Ausbildung im Fach Violine am Konservatorium der Freunde der Musik in Wien bei Jakob Grün (1837-1918) fort. Bei ihrem Abschlusskonzert im Wiener Musikvereinssaal spielte sie Niccolò Paganinis Violinkonzert D-Dur und erhielt als Auszeichnung die Große silberne Medaille der Gesellschaft der Musikfreunde. Das gleiche Violinkonzert von Paganini und weitere Kompositionen spielte sie 1889 als eigene Veranstaltung, gemeinsam mit der Stadtkapelle Kronstadt unter Leitung ihres ehemaligen Lehrers Anton Brandner.

Ab 1890 bis zum Abschluss ihrer Ausbildung 1893 studierte Irene am Pariser Konservatorium bei Martin Marsick (1847-1924). Marsick war einer der bedeutendsten Musiklehrer des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Einer seiner Schüler war der rumänische Komponist George Enescu. Während ihrer Studienzeit trat Irene von Brennerberg mehrfach in Paris auf und wurde dabei teilweise von ihrem Lehrer Marsick am Klavier begleitet.

Neben ihrem Studium begann sie mit Auftritten und Konzertreisen, die ihr internationales Renommee im Musikleben festigten. Ihre Konzertreisen führten sie nach Österreich, Ungarn, Deutschland, Schweden, England und Frankreich, wo sie sich auch mit eigenen Konzertveranstaltungen als Solistin und Kammermusikerin etablieren konnte. Nach ihrer Studienzeit in Paris kehrte sie vorübergehend nach Wien zurück und ließ sich 1896 in Berlin nieder.

Ab 1890 begann mit dem Karlsbader Konzert der kometenhafte Aufstieg dieser jungen Künstlerin als gefragte Solistin und Kammermusikerin. Sie konzertierte „enthusiastisch gefeiert in allen Musikzentren Europas, mehrmals am deutschen Kaiserhof und zum 60-jährigen Regierungsjubiläum der Queen Victoria, deren besondere Gunst sie empfing“ (Lexikon der Siebenbürger Sachsen, Wort und Welt Verlag 1993, S. 72). „Sie besaß eine Anzahl wunderbarer Schmuckstücke, die sie z.B. von der alten Königin Victoria, dem Kaiser Wilhelm dem II. und von anderen Persönlichkeiten erhalten hat.“ (Helene Scherg, Familienchronik)

Die Fachzeitschrift Der Klavierlehrer (1890) lobte wiederholte Male in höchsten Tönen den Vortrag und die hohe künstlerische Qualität von Irene von Brennerbergs Violinspiel. So auch nach einem gemeinsamen Konzert mit der Sängerin Rosa Olitzka in der Berliner Singakademie am 14. Dezember 1890. Sie spielte das Violinkonzert D-Dur von Henry Vieuxtemps und das Adagio aus Max Bruchs Violinkonzert g-Moll (op. 28): „Die Violinistin, Fräulein von Brennerberg […] eine preisgekrönte Schülerin […] eine höchst beachtenswerte Künstlererscheinung. Wenn ich von ihr sage, sie überwand die Schwierigkeiten in den Stücken, die sie vortrug, […] in einer Weise, die einen die Schwierigkeiten vollkommen vergessen ließen, so ist das nur ein geringes Lob gegen die übrigen Vorzüge ihres Spiels: den Adel und die Beseelung des Tones, eine charakterliche Färbung, die Größe, welche dem Instrument zuweilen den Charakter des Violoncells verlieh, die Eleganz und Zierlichkeit, die wohl als ein Ergebnis der französischen Schulung zu betrachten ist und einen Vortrag, der reifes künstlerisches Verständnis bekundet.“

In der Neuen Zeitschrift für Musik (1891, S. 381) wurde ihr „bedeutende Technik, tiefes Verständnis und schöne Vortragsweise“ bescheinigt, und im gleichen Jahr nach ihrem ersten Auftritt in Berlin am 27. Dezember schrieb der Kritiker in Signale für die musikalische Welt (1891, S. 57): „Die Vorzüge der Pariser Schule traten in ihrem Spiel unverkennbar zu Tage. Mit ebenso eleganter wie sicherer Technik trug sie das Hauptstück ihres Programms, Mendelssohns Violinkonzert, vor.“

Im weiteren Verlauf konzentrierte sich Irene von Brennerbergs Konzerttätigkeit auf Wien, Berlin und Kronstadt in Siebenbürgen, wo sie sich für gewöhnlich in den Sommermonaten aufhielt und wiederholt als Gastsolistin der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft auftrat. So auch im September 1989 mit einem eigenen Konzert mit der Kronstädter Stadtkapelle unter Leitung ihres ehemaligen Lehrers Anton Brandner, mit dem Violinkonzert D-Dur von Niccolo Paganini, Violinkonzert E-Dur (op. 10) von Henry Vieuxtemps sowie Pablo de Sarasales „Faust-Fantasie“.

Am 18. März 1908 schloss sie einer Konzerttournee durch Österreich-Ungarn einen Konzertauftritt in Bukarest vor Königin Elisabeth (Carmen Sylva) von Rumänien an.

Im Juli 1898 reiste Irene von Brennerberg nach einem Konzert der Sängerin Rosa Olitzka, in dem sie mitwirkte, von London nach Kronstadt weiter und trat dort bei einem Festkonzert der Philharmonischen Gesellschaft mit Max Bruchs Violinkonzert G-Moll (op. 26), unter der Leitung von August Brandner, auf. Bei dieser Gelegenheit wurde sie zum Ehrenmitglied der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft ernannt.

Die Musikerin scheint sich von 1908 an vor allem dem Violin- und Ensemble-Unterricht gewidmet zu haben. Sie lehrte in Berlin an zwei Konservatorien, an der Königin Luise-Stiftung, wo sie fast zwei Jahrzehnte lang unterrichtete, und an einem Mädchen-Internat.

Beim 4. Musikpädagogischen Kongress in Berlin legte sie einen „Entwurf zu einem auf drei Jahre berechneten Lehrplan für die ,Methodik des Violinunterrichts‘“ vor.

Eine regelmäßige Konzerttätigkeit von Irene von Brennerberg konnte in folgenden Auftrittssorten nachgewiesen werden: Karlsbad (1890), Berlin (1890 mit Olga Olitzka, 1893, 1898 und weitere Male), Paris (1891, 1892), Budapest (1891, Wintersaison 1892/93), Bukarest (1891), Chemnitz (1893), Dresden (1894), Franzensbad (1894), München (1896), Oxford und London (1898 eigenes Konzert unter Mitwirkung der Pianistin Mathilde Verne), Leipzig, Güstrow und Stuttgart (1899) sowie Baden-Baden (1900), Posen (1902), Breslau (Saison 1902/03), Wien (1906, eigenes Konzert mit der Berliner Sängerin Otti Hey), Kassel (1909) und 1917 nochmals in Berlin.

„Irene von Brennerbergs Repertoire bestand aus Violinkonzerten von Mozart, Beethoven, Spohr, Mendelssohn, Henry Vieuxtemps, Henry Wieniawski und Max Bruch sowie Solo-Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Wilhelm Taubert, Antonio Bazzini, Vieuxtemps, Anton Rubinstein, Pablo de Sarasate, Fauré, Franz Ries, Martin Marsick, Jenö Hubay, Girolamo de Angelis und Maurice Hayot.“ (Sophie Drinker Instiut, Bremen: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts)

Auf ihren Konzertreisen trat Irene von Brennerberg mit Musikerinnen und Musikern von Rang auf, wiederholte Male mit der Altsängerin Rosa Olitzka von der Metropolitan Opera, der Pianistin Mathilde Verne, Lehrerin von Clara Schumann, sowie mit den Dirigenten Josef Rebicek und August Brandner.

Während des Krieges (1916-1918) und auch danach gab sie Wohltätigkeitskonzerte zugunsten der Kriegsopfer, 1920 erlitt sie während eines Konzertes eine Lähmung und zog sich in ihre Heimatstadt zurück, wo sie nach zwei Jahren im Alter von nur 49 Jahren starb. Irene von Brennerberg galt über drei Jahrzehnte hinweg, zwischen 1890 und 1920, als herausragende Geigerin, die international sowohl als Solistin als auch als Kammermusikerin auftrat (Silke Wenzel: „Irene von Brennerberg“, in MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentation, hrsg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff., Stand vom 23. November 2017).

Dr. Holm Gross

Schlagwörter: Porträt, Musikerin, Violinistin, Kronstadt

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