20. August 2023
Was Wagner-Chef Prigoschin mit Väterchen Timofej zu tun hat: Auch zwei Hermannstädterinnen trauern um die abgebrannte Einsiedelei
Der Anblick des Ruinenschuttes der von einem Brand zerstörten Ost-West-Friedenskirche von Väterchen Timofej auf dem Münchner Olympiagelände könnte trauriger nicht sein: Wegen eines technischen Defektes an der Elektronik im Inneren brannte der Holzbau in der Nacht zum 11. Juni vollständig ab. Er war ein Wahrzeichen Münchens, das der nach dem Zweiten Weltkrieg nach München verschlagene Timofej Wassiljewitsch Prochorow, liebevoll von allen Väterchen Timofej genannt, zusammen mit seiner 1977 gestorbenen Frau Natascha ab 1952 errichtet hatte – als Schwarzbau zwar, aber vom ehemaligen Oberbürgermeister Christian Ude zusammen mit dem ebenfalls selbst gebauten Wohnhäuschen daneben nachträglich legalisiert. Der Einsiedelei wegen wurde 1972 das Olympiagelände weiter nördlich errichtet als geplant.
Warum mir das so nahe geht? Nun, die altrussische Eremitage mit ihrem windschiefen Holzkirchlein, dem kunterbunten Bauerngarten und seinen emsig summenden Bienen war die reinste Oase, wie ich sie seinerzeit auf meinen Wanderungen in den 1970ern durch Nordsiebenbürgen erlebte. Und dann erst die liebevoll mit Stanniol von Schokoladenpackungen „versilberte“ Kirchendecke mit all ihren Schätzen, darunter auch den Ikonen von der aus Hermannstadt stammenden Malerin Katharina Zipser.
Dazu muss man wissen, dass Katharina, pardon: Katjuscha, wie sie der lebenslustige Eremit stets nannte, nach ihrem Kunststudium auch eine Lehre als Kirchen- und Ikonenmalerin absolviert hatte und geradezu prädestiniert war, die originelle Basilika mit entsprechenden Heiligenbildern auszustatten. Darunter auch eine „Trauernde Muttergottes“ in der Art der rumänischen Hinterglasmalerei von Nicula sowie, zu seinem Hundertsten, in altrussischem Stil eine wunderschöne Muttergottes mit dem Jesuskind auf Holz, gemalt mit Ei-Tempera und blattvergoldet – sie fand ihren Platz im Allerheiligsten der Ost-West-Friedenskirche. Alles verbrannt, eine Tragödie.
Dabei hatte alles so schön begonnen. Am Anfang der langjährigen Freundschaft mit Väterchen Timofej stand der aus Schlesien stammende Zeichner und Kinderbuchautor Janosch. Er hatte Katharinas Schwester Johanna Letz (von Timofej umgehend zu Jachona umbenannt) schon 1967 mit dem kauzigen Eremiten bekannt gemacht. Johanna, damals Russischlehrerin an der TU München, half auch mit bei einer in kyrillischen Lettern verfassten Fürbitte auf Katharinas Ikone für das Allerheiligste: „Mütterchen, unsere Fürsprecherin, bitte für uns in dieser und in jener Welt.“
Es ist mal wieder eine Laune des Weltgeistes, dass Timofej von deutschen Wehrmachtsoldaten auf der Flucht vor der Roten Armee gezwungen wurde, sie mit seiner Kutsche nach Rostow am Don zu bringen – eben jenes Rostow, wo erst unlängst Prigoschins Söldnertruppe zum Marsch auf Moskau blies. Hier sei ihm, dem dreifachen Familienvater, erzählte Timofej stets, die Muttergottes im Traum erschienen und habe ihn geheißen, westwärts zu gehen und eine Kirche für den Ost-West-Frieden zu bauen.
Dies alles ist nun Geschichte – Väterchen Timofej starb 2004, vgl. meinen Nachruf in der Siebenbürgischen Zeitung vom 31. Juli 2004, S. 8 (siehe auch SbZ Online vom 23. Juli 2004), und die Friedenskirche unwiederbringlich zerstört. Man kann es nur noch als einen Akt der Verzweiflung sehen, dass sich eine Stiftung und speziell auch Alt-OB Christian Ude um den originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchleins bemühen. Dass einem solchen Bau die Seele fehlt, hat wohl niemand in seinem Eifer bedacht, von Katharinas Ikonen ganz zu schweigen. Am ehesten ließe sich das Problem mit einem virtuellen VR-Rundgang in einem Nachbau lösen, findet der Sohn der bekannten Fotografin und Timofej-Freundin Camilla Kraus. Derweil halte ich mich, wenn ich Altrussisches suche, an das russisch-orthodoxe Frauenkloster in meinem Nachbarort Buchendorf. Es ist das einzige Frauenkloster dieser Konfession in Deutschland und mit seiner gelebten Menschenliebe das reinste Kontrastprogramm zur mörderischen Russischen-Welt-Ideologie Putins, des Russkij Mir. Wer die cherubinischen Stimmen seiner Nonnen gehört hat, glaubt, der Himmel habe sich einen Spalt breit geöffnet. Fast ein Wunder, in diesen dunklen Zeiten.
Dazu muss man wissen, dass Katharina, pardon: Katjuscha, wie sie der lebenslustige Eremit stets nannte, nach ihrem Kunststudium auch eine Lehre als Kirchen- und Ikonenmalerin absolviert hatte und geradezu prädestiniert war, die originelle Basilika mit entsprechenden Heiligenbildern auszustatten. Darunter auch eine „Trauernde Muttergottes“ in der Art der rumänischen Hinterglasmalerei von Nicula sowie, zu seinem Hundertsten, in altrussischem Stil eine wunderschöne Muttergottes mit dem Jesuskind auf Holz, gemalt mit Ei-Tempera und blattvergoldet – sie fand ihren Platz im Allerheiligsten der Ost-West-Friedenskirche. Alles verbrannt, eine Tragödie.
Dabei hatte alles so schön begonnen. Am Anfang der langjährigen Freundschaft mit Väterchen Timofej stand der aus Schlesien stammende Zeichner und Kinderbuchautor Janosch. Er hatte Katharinas Schwester Johanna Letz (von Timofej umgehend zu Jachona umbenannt) schon 1967 mit dem kauzigen Eremiten bekannt gemacht. Johanna, damals Russischlehrerin an der TU München, half auch mit bei einer in kyrillischen Lettern verfassten Fürbitte auf Katharinas Ikone für das Allerheiligste: „Mütterchen, unsere Fürsprecherin, bitte für uns in dieser und in jener Welt.“
Es ist mal wieder eine Laune des Weltgeistes, dass Timofej von deutschen Wehrmachtsoldaten auf der Flucht vor der Roten Armee gezwungen wurde, sie mit seiner Kutsche nach Rostow am Don zu bringen – eben jenes Rostow, wo erst unlängst Prigoschins Söldnertruppe zum Marsch auf Moskau blies. Hier sei ihm, dem dreifachen Familienvater, erzählte Timofej stets, die Muttergottes im Traum erschienen und habe ihn geheißen, westwärts zu gehen und eine Kirche für den Ost-West-Frieden zu bauen.
Dies alles ist nun Geschichte – Väterchen Timofej starb 2004, vgl. meinen Nachruf in der Siebenbürgischen Zeitung vom 31. Juli 2004, S. 8 (siehe auch SbZ Online vom 23. Juli 2004), und die Friedenskirche unwiederbringlich zerstört. Man kann es nur noch als einen Akt der Verzweiflung sehen, dass sich eine Stiftung und speziell auch Alt-OB Christian Ude um den originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchleins bemühen. Dass einem solchen Bau die Seele fehlt, hat wohl niemand in seinem Eifer bedacht, von Katharinas Ikonen ganz zu schweigen. Am ehesten ließe sich das Problem mit einem virtuellen VR-Rundgang in einem Nachbau lösen, findet der Sohn der bekannten Fotografin und Timofej-Freundin Camilla Kraus. Derweil halte ich mich, wenn ich Altrussisches suche, an das russisch-orthodoxe Frauenkloster in meinem Nachbarort Buchendorf. Es ist das einzige Frauenkloster dieser Konfession in Deutschland und mit seiner gelebten Menschenliebe das reinste Kontrastprogramm zur mörderischen Russischen-Welt-Ideologie Putins, des Russkij Mir. Wer die cherubinischen Stimmen seiner Nonnen gehört hat, glaubt, der Himmel habe sich einen Spalt breit geöffnet. Fast ein Wunder, in diesen dunklen Zeiten.
Konrad Klein
Schlagwörter: München, Zipser, Orthodoxie
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- 22.08.2023, 17:31 Uhr von Georg Coulin: Der Priester Timotej hat durch seine Flucht vermutlich sein Leben gerettet. Der Großteil der ... [weiter]
Artikel wurde 1 mal kommentiert.
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