24. Oktober 2023

Kooperationsausstellung „ ‚… skoro damoi!‘ Hoffnung und Verzweiflung“ in Hermannstadt

Das Brukenthal Nationalmuseum in Hermannstadt zeigt seit dem 20. Oktober in Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien die Ausstellung „... skoro damoi! Hoffnung und Verzweiflung“. Zum 75. Gedenken an die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 2020 präsentierte das Siebenbürgische Museum die Sonderausstellung „skoro damoi!“ bereits in Dinkelsbühl und Gundelsheim. Hierzu veröffentlichte das Museum einen 312 Seiten starken Katalog in deutscher Sprache, der die Forschungsergebnisse Dr. Irmgard Sedlers und die Exponate der Ausstellung dokumentierte. Zu sehen sind über 40 Originalobjekte aus dem umfangreichen Bestand des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim, die von Text- und Bildtafeln mit Erläuterungen zum historischen Geschehen flankiert werden.
Vernissage im Innenhof des Brukenthalmuseums mit ...
Vernissage im Innenhof des Brukenthalmuseums mit Direktor Dr. Alexandru Constantin Chituță und der Vorsitzenden des Siebenbürgischen Museums e.V. Dr. Irmgard Sedler. Foto: Brukenthalmuseum
Das „Skoro damoi!“ („Bald geht’s nach Hause!“), das stetig wiederkehrende Versprechen der Sowjets an die aus Siebenbürgen Verschleppten, verdichtete sich in den Lagergemeinschaften im Donbass, im Ural und in Sibirien anfangs zur Chiffre von kräftemobilisierender und lebenstragender Hoffnung. Später wurde es, als propagandistisches Heimkehrgerücht entlarvt, zum Ausdruck von Enttäuschung, Resignation oder sogar Verzweiflung. Die Ausstellung vermittelt Interessierten das Thema auf drei wichtigen Präsentationsebenen. Wie der Titel es verdeutlicht, eröffnen original erhaltene Tagebücher, spätere Lebensberichte und Interviews mit ehemaligen Deportierten sowie zahlreiche Briefe und Fotografien aus den Lagern einen Zugang auf emotionaler Ebene. Die darin geschilderten Geschehnisse spiegeln sowohl die persönliche Not und den täglichen Überlebenskampf als auch die große Solidarität und Menschlichkeit unter vielen der Verschleppten.

In einer zweiten Ebene werden die historischen Fakten in chronologischer Reihenfolge der Ereignisse als Folge des Zweiten Weltkriegs wiedergegeben. Sie sind eingebettet in die wirtschaftlich-politischen Lebensbedingungen in der sowjetischen Nachkriegsgesellschaft, die ihrerseits geprägt war von den Kriegszerstörungen durch die Invasion deutscher Truppen, von den stalinistischen Säuberungen und der bolschewistischen Misswirtschaft mit ihren massiven Hungersnöten und Repressalien. Die Aushebung und Zwangsverschleppung der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945 – 1949 war Teil von viel umfangreicheren sowjetischen Kriegsreparationsmaßnahmen, die die gesamte Bevölkerung sogenannter „deutscher Volkszugehörigkeit“ aus den fünf osteuropäischen Staaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter sowjetische Militärkontrolle geraten waren, im Blick hatte. Aufgrund des Beschlusses des Staatskomitees für Verteidigung der UdSSR vom 15. Dezember 1944 und des Geheimbefehls 7161 wurde „die Mobilisierung und Internierung aller arbeitsfähigen Deutschen – Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen von 18 bis 30 Jahren –, die sich auf den von der Roten Armee befreiten Territorien Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der Tschechoslowakei befinden, sowie deren Verbringung zur Arbeit in die UdSSR“ angeordnet und vollzogen. Etwa 70.000 deutschstämmige Staatsbürger Rumäniens wurden ab dem 13. Januar 1945 in die Arbeitslager der Bergwerksregionen im Donezbecken, des Ural und Westsibiriens verschleppt, darunter knapp 30.000 Siebenbürger Sachsen, wovon etwa 12 Prozent dem Hunger- und Erschöpfungstod zum Opfer fielen.
Blick in die Ausstellung in Hermannstadt: vorne ...
Blick in die Ausstellung in Hermannstadt: vorne Gummigaloschen aus der Russlanddeportation, rechts im Bild die Kunsthistorikerin Dr. Dana Dâmboianu vom Bruken­thalmuseum. Foto: Brukenthalmuseum
Auf der dritten Präsentationsebene der Ausstellung lassen geschichts- wie geschichtenbeladene Objekte die damaligen Geschehnisse im wahrsten Sinne des Wortes greifbar und damit begreifbar werden. Diese Gegenstände legen Zeugnis ab von den dramatischen Umständen der Aushebung, dem menschenunwürdigen Transport in Viehwaggons im Winter, von Hunger, Diebstahl und Verrat, aber auch von Freundschaften und menschlicher Hilfe unter den Bedingungen eines Lagerlebens an der Grenze der existentiellen Bedrohung. Sie zeichnen ein erschütterndes Bild vom Arbeitsleben und den vielen tödlichen Unfällen in den Kohlegruben und Eisenhütten. Oft offenbaren sie ein emotionales Bild der sowjetischen Zivilbevölkerung und den Erkenntniswegen der Deportierten, die das Stereotyp vom „schlechten Russen“ auf vielfältige Weise widerlegen. Sie bezeugen in ergreifender Weise den allgegenwärtigen Tod, aber auch das Bedürfnis der jungen Menschen nach Zuneigung und Liebe, nach Kultur und kreativer Betätigung. Schließlich dokumentieren sie die Heimkehr nach Siebenbürgen und die „Verstreuung der Heimkehrer in Deutschland, Österreich, Kanada …“ sowie die Integration der Rückkehrer in die kommunistische Gesellschaft Rumäniens nach 1949.

In dieser dritten Station der Ausstellung „... skoro damoi!“ werden auch zahlreiche neue Exponate gezeigt, die in jüngster Zeit in Siebenbürgen zusammengetragen wurden.

Das gleichnamige, reich bebilderte Katalogbuch zur Ausstellung 2020 in deutscher Sprache kann weiterhin gegen Rechnung für 29,- Euro zuzüglich Versandkosten beim Siebenbürgischen Museum (E-Mail: info [ät] siebenbuergisches-museum.de) bestellt werden. Außerdem ist der Katalog im Buchhandel und direkt über den Verlag Renate Brandes (www.brandes-verlag.de) erhältlich.

Quelle: Siebenbürgisches Museum Gundelsheim

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Brukenthalmuseum, Deportation, Ausstellung

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