17. Februar 2025

Ethnographie-Studenten besuchten das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim

Für eine Gruppe von acht Studentinnen und Studenten des Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Freiburg war Donnerstag, der 30. Januar, ein besonderer Tag. Kurz vor Semesterschluss stand auf ihrem Programm ein Besuch im Siebenbürgischen Museum und im Siebenbürgen-Institut auf Schloss Horneck.
Dr. Ingrid Schiel zeigte den Studierenden einige ...
Dr. Ingrid Schiel zeigte den Studierenden einige jahrhundertealte Schätze aus der Bibliothek mit Archiv und führte sie durch das Labyrinth der Magazinräume im historischen Schloss. Foto: Margrit Csiky
Dr. Michael Prosser-Schell, außerplanmäßiger Professor an der Universität Freiburg, hatte im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 2024/25 angegeben, einer von mehreren thematischen Schwerpunkten seiner Vorlesung werde „auf dem Problem der Zwangsmigrationen in und aus dem östlichen Mitteleuropa liegen, und in diesem Zusammenhang auf der Region Transsilvanien/Siebenbürgen“. Als besonderes Schmankerl hatte er den Studierenden im Rahmen dieser Lehrveranstaltung eine Exkursion nach Gundelsheim angeboten. Er habe dieses „Siebenbürgische Landesmuseum“ ausgewählt, weil er beeindruckt davon sei, dass eine Minderheit von etwa 250000 Menschen solch ein Museum außerhalb des Herkunftsgebietes erhalten könne, sagte er.

Empfangen wurde die Gruppe von Dr. Irmgard Sedler, der Vorsitzenden des Trägervereins, und von Dr. Markus Lörz, dem Leiter des Siebenbürgischen Museums. Bei der Führung, die rund drei Stunden dauerte, knüpften beide Museumsfachleute viele Verbindungen zu anderen Bereichen.

Dr. Sedler führte am Beispiel der Andreanum-Ausstellung aus, wie im Lauf der Zeit aus einer „sinnstiftenden Wahrheit eine Tatsachenwahrheit“ geworden ist. In der Soziologie gilt heute als gesichert, dass Erzählungen (Narrative) einen großen Einfluss auf das Weltbild einer ganzen Gruppe von Menschen oder von Kulturen haben können. Für die Bildung einer Nation ist das Vorhandensein einer Meistererzählung grundlegend. Sie brachte Beispiele, wie das Andreanum im Bewusstsein der Siedlernachfolger die Geschichte und Kultur des Sächsischen geprägt hat.
In der Schatzkammer des Siebenbürgischen Museums: ...
In der Schatzkammer des Siebenbürgischen Museums: Dr. Irmgard Sedler (rechts) bei der Führung für Prof. Dr. Michael Prosser-Schell und seine Studenten vom Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Freiburg. Foto: Margrit Csiky
„Was bleibt, bleibt durch Ritualisierung“, ist ein weiteres Prinzip, welches Sedler den Studierenden mitgab. Sie machte es anhand des sächsischen Nachbarschaftswesens sichtbar. Die soziale Disziplin, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und die Überzeugung, dass man selbst anpacken muss, wenn man etwas erreichen will, seien unter den Sachsen bis heute verinnerlicht.

Ein interessantes Phänomen der heutigen Zeit machte die Wissenschaftlerin daran fest, dass ein historisches Objekt oft in einem neuen Ritus verwendet wird. Als Beispiel nannte sie die Bockelungen. Ursprünglich durften Frauen sie nur für eine kurze Zeitspanne tragen, und zwar nach der Heirat bis zur Geburt des ersten Kindes. Sie waren ein Symbol besonderer Wertschätzung. „Wenn heute 70-jährige Frauen gebockelt bei Straßenumzügen mitmachen, handelt es sich nur noch um eine Folklorisierung. Die Bockelung hat ihren ursprünglichen Symbolwert verloren“, so ihre Einschätzung.

Dr. Lörz führte u.a. durch die Deportationsausstellung „Lagergrafik. Emerich Amberg, Friedrich von Bömches, Karl Brandsch“ und gab Erläuterungen zu den wertvollen liturgischen Goldgefäßen in der Schatzkammer. Er wies immer wieder auf Themen hin, die man in einer Masterarbeit weiter ausbauen könne. Das Museum beherberge auch viele Exponate, an denen man das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Völkern im siebenbürgischen Lebensraum sichtbar machen könne, beispielsweise Rumänen, Ungarn, Roma und Russen.

Abschließend besuchte die Gruppe das Siebenbürgen-Institut und die Siebenbürgische Bibliothek mit Archiv, die ebenfalls auf Schloss Horneck untergebracht ist. Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts und Leiterin der Siebenbürgischen Bibliothek mit Archiv, zeigte den jungen Wissenschaftlern einige historische Schätze wie ein Nachbarschaftsbuch aus dem 18. Jahrhundert und ein mittelalterliches Antiphonar. Im Anschluss betraten die Studenten die Katakomben des Schlosses, in denen über 95000 Medieneinheiten, über 1000 Regalmeter Archivgut und viele Sondersammlungen aufbewahrt werden. Christian Rother zeigte ausgewählte Schätze aus der Landkartensammlung. Schiel wies auf die Nutzungsmöglichkeiten der Einrichtung wie das Fernleihsystem hin und sagte den Studierenden jede mögliche Unterstützung bei wissenschaftlichen Arbeiten zu.

„Mal sehen, wer Feuer gefangen hat“, sagte Prof. Prosser-Schell beim Abschied mit einem Lächeln.

Margrit Csiky

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Studenten, Exkursion

Bewerten:

32 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.