20. Juli 2025

Lesung aus „Ein Altar jenseits der Wälder“

Vor der Sommerpause der „Stuttgarter Vortragsreihe“ las am Mittwoch, dem 25. Juni, Cornelius Scherg aus seinem 2024 erschienenen Roman „Ein Altar jenseits der Wälder. Der Tafelmaler von Mediasch – eine mögliche Lebensgeschichte“.
Kreuzigungstafel in der Mediascher ...
Kreuzigungstafel in der Mediascher Margarethenkirche mit dem Stephansdom aus Wien in Jerusalem. Foto: Eduard Baak, Kronstadt
Über den Künstler des Altars der Mediascher Margarethenkirche weiß man sehr wenig. Die Kunsthistoriker nehmen an, dass er siebenbürgische Wurzeln hatte, sein Handwerk an der Künstlerschule des Wiener Schottenstifts erlernte und als Vorbilder die Kupferstiche des Israhel von Meckenem kannte. Was Kunstgeschichte nicht vermag, das kann Kunst, Literatur: eine mögliche Biographie des Tafelmalers des Mediascher Altars zu entwerfen, der in Schergs Roman Zacharias Frank heißt.

Die zahlreichen Besucher, die trotz der hohen Temperaturen an diesem Sommerabend ins Haus der Heimat gekommen waren, waren begeistert von den vorgetragenen Textpassagen, die sie in die bunte Mediascher Gemeinschaft im ausgehenden 15. Jahrhundert versetzte. Das Zeitbild ist hervorragend recherchiert, mit viel Einfallsreichtum erfindet Cornelius Scherg ein Künstlerleben voller Konflikte, Intrigen, Freundschaften und Liebe.

Der „Meister von Mediasch“ verbrachte in Schergs Roman seine Kindheit im Franziskanerkloster von Mediasch, wo er schon im Alter von vier Jahren von den farbenprächtigen Bildchen in den Büchern, die die Nonnen lasen, begeistert war. Die Nonne Donata lehrt ihn lesen und gibt dem Jungen den Namen Zacharias „Gott erinnert sich deiner“. Im Alter von sechs Jahren wird Zacharias als Ziehsohn vom Kaufmannspaar Georg und Margarethe Frank in Mediasch aufgenommen und getauft. Er ist später Geselle in der Wiener Malerwerkstatt am Schottenstift und wird eines Tages vom Königsrichter Thabiassy aufgefordert, in seine Heimatstadt zu kommen um den neuen Flügelaltar der Mediascher Stadtkirche zu malen.

Im zweiten Teil seines Vortrags erläuterte Cornelius Scherg anhand von Bildern die Altartafeln in der Mediascher Margarethenkirche, das kostbarste Kleinod des Innenraums. Der spätgotische Flügelaltar entstand wahrscheinlich in den frühen achtziger Jahres des 15. Jahrhunderts und war 1488 aufgestellt, als die vollendete Kirche geweiht wurde. Die Altarbilder finden sich auf den Flügelaußenseiten des in seiner heutigen Gestalt 10 m hohen und 5,26 m breiten Altars.

Es sind acht großflächig gemalte Tafeln, die die Leidensgeschichte Jesu erzählen: Gefangennahme Jesu, Geißelung, Dornenkrönung, Verspottung, Kreuztragung, Vorbereitung der Kreuzigung, Kreuzigung und Auferstehung. Interessant ist besonders die achte Tafel mit der Kreuzigung, da sich unter dem rechten Arm Jesu eine Darstellung des Wiener Stephansdoms findet (siehe Bild). Der Künstler hat Jerusalem an einen Ort verlegt, wo er sich aufgehalten haben muss. Er hat auch die Kupferstiche des niederländischen Künstlers Israhel von Meckenem gekannt – das zeigt deutlich die Gegenüberstellung der Tafeln des Mediascher Altars mit den Kupferstichen „Die große Passion“ des niederländischen Künstlers im Anhang des Scherg-Romans.

In den 1970er Jahren wurden die Bilder des Flügelaltars mit großer Sorgfalt von Gisela Richter restauriert und erstrahlen wieder im ursprünglichen Glanz. Ausführlich beschreibt Scherg die Entstehung und den Malvorgang der Altartafeln, so dass man nach der Lektüre des Romans das Original in der Mediascher Margarethenkirche anschauen möchte.

„Ein Altar jenseits der Wälder“ erschien im Eigenverlag der Heimatgemeinschaft Mediasch und kann, wie dessen Schriftführer Hansotto Drotloff erläuterte, zum Preis von 15 Euro, zuzüglich Versand, per E-Mail unter ­buecher[ät]mediasch.de bestellt werden.

Helmut Wolff, Kulturreferent

Schlagwörter: Stuttgarter Vortragsreihe, Lesung, Mediasch

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