12. März 2006

Wegweisender Forscher und Förderer: Alfred Prox

Am 21. Februar 2006, einige Monate vor seinem hundertsten Geburtstag, verstarb in Blaubeuren Alfred Prox. Er war ein Mensch mit siebenbürgischen Wurzeln und brachte vielen, die ihn persönlich erlebt haben oder nur seine wissenschaftlichen Publikationen kannten, eine menschliche Dimension besonderer Prägung. Die Bereiche seines wissenschaftlichen und landeskundlichen Wirkens, von denen sich die Fachwelt auch heute noch geistig ernährt und von denen die von ihm mitbegründeten Gremien auch heute noch leben, werden im Folgenden kurz umrissen.
Prox war Kronstädter, obwohl er schon seit über 60 Jahren nicht mehr in dieser Stadt leben konnte und wollte. Geboren wurde er am 17. Oktober 1906 in Bukarest und zog erst im Alter von 15 Jahren mit seiner Familie nach Kronstadt zog, wo er nur 20 Jahre leben sollte. Nach 1945 war er voll integriert in seiner Nachkriegs-Heimat, in der an die Kronstädter Berge erinnernden Schwäbischen Alb. Und trotzdem blieb er in seinem Herzen Kronstädter.

Es war der anspruchsvolle Bergtourismus, den er in den Karpaten in den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, als Mitglied des Siebenbürgischen Karpatenvereins zusammen mit Freunden mit Breitenwirkung jahrelang mitgestaltete, z.B. durch die Gründung des burzenländischen alpinen Rettungswesens und durch den Bau des Leiterweges auf den Hohenstein.
Der Kronstädter Alfred Prox verstarb im Alter von 99 Jahren.
Der Kronstädter Alfred Prox verstarb im Alter von 99 Jahren.

Prox hob in seiner alten Heimat, im Burzenland, die wissenschaftliche Späleologie, die Höhlenforschung aus der Taufe. In wenigen Jahren entdeckte, erkundete, vermaß und kartierte er zahlreiche Höhlen und Karstphänomene und veröffentlichte die Ergebnisse seiner Geländearbeiten in akribischen Studien, die auch heute noch Modellcharakter haben. Gleichzeitig begeisterte er junge Freunde an der Höhlenforschung. Heute noch, nach 75 Jahren und in dritter Generation lebt diese Höhlenforschung in Siebenbürgen und darüber hinaus weiter.

Über die Späleologie kam er zur Ur- und Frühgeschichte seiner Heimat, und hat dort bahnbrechende Entdeckungen gemacht, z.B. die frühbronzezeitlichen Funde der Schneckenbergkultur, 1700 vor Christus, so genannt nach dem Orte ihrer reichsten Spuren am Kronstädter Schneckenberg. Der Begriff Schneckenbergkultur ist heute weltweit in den Wissenschaftskanon der Archäologie eingegangen.

Prox’ Wirken am Burzenländer sächsischen Museum, dessen hauptamtlicher Kustos er von 1936 bis 1941 war, führte dazu, dass diese Stätte der Bewahrens und des Forschens in den wenigen Jahren ihrer Existenz weit mehr als nur lokale Bedeutung erlangte. Sein Einsatz dort, auch außerhalb seiner Dienststunden, war beispielgebend. Zusammen mit Ehrenamtlichen erfasste und katalogisierte Prox alle Sammlungsstücke. Er übertrug mit dem damaligen Leiter des Museums, Erich Jekelius, und mit anderen Freunden wie Albert Eichhorn die Matrikeldaten der Evangelischen Kirchengemeinde Kronstadts auf zahllose Karteien, die somit als genealogischen Primärquellen heute Modellcharakter für alle an der Familienforschung Interessierten haben.

1941 wurde Prox zum Militär einberufen, kam danach in amerikanische Gefangenschaft und kehrte aus Deutschland, nachdem auch seine Frau mit den drei Söhnen nachgekommen waren, in weiser Voraussicht, nicht mehr nach Kronstadt zurück.

Nach 1950 beteiligte sich Prox, gemeinsam mit vielen anderen der Gründergeneration, aktiv, materiell und ideell, am Ausbau der siebenbürgisch-sächsischen Institutionen in Deutschland, z.B. an der Gründung des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim. Prox ist auch Gründungsmitglied, Initiator, Mitdenker und -lenker sowie Sponsor der Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) gewesen. Im Besonderen beteiligte er sich aktiv und förderte die Sektion Naturwissenschaften, aber auch die Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins, deren Ehrenmitglied er vor einigen Jahren wurde.

Prox veröffentlichte seine wissenschaftlichen Forschungen aus dem Bereich der Höhlenkunde, aber auch zu Themen aus der Geschichte Kronstadts und des Burzenlandes. Er initiierte die Aufarbeitung der Geschichte Kronstädter Kulturinstitutionen z.B. die seines geliebten und in den Jahren des Kommunismus zerstörten Burzenländer sächsischen Museums.

Was in der Öffentlichkeit weniger bekannt ist – und das widerspiegelt den Menschen Prox in seiner ruhigen und beharrlichen, weitblickenden Art: Er unterstützte junge Akademiker aus Siebenbürgen auf ihren Wegen hier im Westen nicht nur mit materiellen Mitteln, sondern auch mit wertvollen, immer gut fundierten Informationen. Prox war Wissensträger, der seine unendlich großen Erfahrungen und seine Kenntnisse gern und in völliger geistiger Fitness bis in seine letzten Tage weitergab. Er tat das an den Tagungen des AKSL und der Heimatortsgemeinschaft Kronstadt, in zahlreichen Briefen, aber auch für seine Gäste, die in zu Hause aufsuchten.

Seine Gesinnung war durch Heimattreue, Redlichkeit und Wahrhaftigkeit geprägt. Seine Abscheu gegenüber Diktaturen und autoritären Regime äußerte Prox ohne Umschweife. Die nationalsozialistische Deutsche Volksgruppe in Rumänien, die 1941 auch „sein“ Museum übernommen hatte, bewertete er wie folgt: „Das einzig Gute an dieser neuen Verwaltung war die bessere und regelmäßigere Besoldung der hauptamtlichen Mitarbeiter!“ Später prangerte er immer wieder den Kommunismus rumänisch-nationalistischer Prägung an, der zur Zertrümmerung unendlich vieler kultureller, materieller und ideeller Werte in seiner alten Heimat geführt hat.

Prox war ein Mensch der Väter- und Großvätergeneration, Graue Eminenz im wahrsten Sinne, eine Persönlichkeit, die auch ohne akademische Ausbildung für seine Mitstreiter und Nachfolger hohe Vorbildfunktion hatte. Seine Werke werden weiter leben. Das bezeugt in einem Brief auch Thomas Sindilariu, aktueller Leiter des historischen Archivs der Honterusgemeinde in Kronstadt mit folgenden Worten: „Der Gedankenaustausch mit Prox war uns Hilfe bei der Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte des Kronstädter sächsischen Kulturguts, zugleich aber auch eine bedeutsame Motivationsquelle bei der professionellen Wiederaufnahme der Kulturgutsicherung und –pflege im Archiv und in der Bibliothek der Honterusgemeinde.“

Hansgeorg von Killyen

Schlagwörter: Nachruf, Landeskunde

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