14. Dezember 2007

„Tatort Burzenland“

In seiner Dokumentation über Morde und sonstige Kriminalfälle im Burzenland berichtet Karl-Heinz Brenndörfer über bekannte und weniger bekannte Ereignisse, in die Siebenbürger Sach­sen, aber auch andere Nationen impliziert waren. Die Ereignisse aus dem Mittelalter werden anhand von Chroniken im Sprachgebrauch der damaligen Zeit wiedergegeben. Aufgrund von Zeitzeugenbefragungen deckt der Autor aber auch viele Fälle aus der kommunistischen Zeit auf, die bisher wie Staatsgeheimnisse gehütet und der Öffentlichkeit vorenthalten wurden.
Durch die exponierte Lage Tartlaus an der Grenze zum adligen Boden, zu den Rumänen und Ungarn kam es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Grenzstreitigkeiten, die auch mit Mord endeten, einmal sogar mit einem Gemeinschaftsmord (1823), in den fast die ganze politische Führung der Gemeinde verwickelt war. Einer der ältesten bekannten Morde (1520) geschah ebenfalls hier, als der Dorfschmied dem Beldi „mit einem einzigen wuchtigen Axthieb das Haupt abgeschlagen hat, das in den Staub der Gasse gekollert sei“.

Bei der größten Brandkatastrophe Heldsdorfs fielen zwei Drittel des Dorfes den Flammen zum Opfer. Verursacher war der Organist Michael Roth, der 1817 bei seinem eigenen Bruder Feuer legte. Das Verhörprotokoll des Kronstädter Gerichts wird nahezu wörtlich wiedergegeben. Daraus erfahren wir, wie der Angeklagte bei sei­nem Weib „durch Schlagen mit dem Stiefel über den Kopf“ die Ehepflichten einfordert oder wie er zwischendurch „mit Ruten gestrichen wird“, vermutlich um ihn aussagebereit zu halten. Er wurde zum Tode verurteilt und als letzter „armer Sünder“ am 21. August 1818 von einem sächsischen Scharfrichter vor versammeltem Stadtvolk auf dem Marktplatz in Kron­stadt mit dem Schwert enthauptet.

Der rumänischen Besatzung im Ersten Welt­krieg fielen mehrere Sachsen zum Opfer, die nicht geflüchtet waren. Es waren willkürliche Ta­ten der Besatzer im Einvernehmen mit ihren Verbündeten.

Der vielfache Raubmörder Ion Bălan versetzte Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts ganz Siebenbürgen in Unruhe. Nach seinem ersten Mord an dem Heltauer Peter Klein wurde er zu lebenslangem Kerker verurteilt und in der Vollzugsanstalt Ocnele Mari festgesetzt. Von hier brach er aus und erschoss am 9. August 1928 Michael Klein ebenfalls in Heltau. Danach trieb er sein Unwesen im Raum Foga­rasch, am 20. August 1928 kam es zu dem grausamen dreifachen Mord im Zeidner Waldbad, bevor er am 6. September 1928 im Tale der Strâmba gestellt wurde. Die rumänische Bevöl­kerung im Raum Fogarasch betrachtete Bălan als „Haiducken“, der die Reichen ausraubt und das Gut an Arme verteilt. In Wirklichkeit war er aber ein gemeiner und gefährlicher Raubmör­der, ein schmächtiges Männlein fast nur von der Statur eines Kindes.

Brenndörfer berichtet des Weiteren über einen dubiösen Mordfall, der sich 1942 in der Nazi­führung in Kronstadt ereignete, und über zahlreiche Kapitalverbrechen während des zweiten Weltkrieges. Es handelt sich nicht um Kriegs­handlungen, sondern um willkürliche Taten der sowjetischen Besatzer oder ihrer Verbündeten und Helfer. In dieser Zeit wurden zahlreiche versprengte Angehörige der deutschen Wehr­macht von der sächsischen Bevölkerung unter Lebensgefahr versteckt. Der Autor deckt viele Mord­fälle auf, die bisher nur einem sehr engen Personenkreis bekannt waren. Die Tatzeugen le­ben nicht mehr und zu den Ereignissen haben nie offizielle Untersuchungen seitens staatlicher Behörden stattgefunden.

Aufsehen erregende Ereignisse und Morde in den Jahren der kommunistischen Diktatur wurden nur unter vorgehaltener Hand weiterge­geben und von der dirigierten Presse völlig ignoriert. Der Mord an der jungen Rosenauerin Dorothea Mayer wurde – aus ideologischen Gründen und sehr zum Leidwesen der Familie – als Selbstmord dargestellt. Ein weiterer Mord­fall ging in die Kriminalgeschichte Rumäniens ein, wobei sich der vermutete und gesuchte Täter als Opfer erwies. Der Fall fand in der Zu­ckerfabrik Brenndorf seinen Abschluss.

Unter den besonderen Ereignissen aus der kom­munistischen Zeit geht Brenndörfer auf den totalen Stromausfall in Rumänien (1977) ein. 1979 kamen bei einer Explosion in der Gießerei des Traktorenwerks in Kronstadt 46 Personen ums Leben, darunter eine Frau aus Tartlau, Mutter dreier Kinder. Vier Jahre später ereignete sich im Rüstungsbetrieb Tohan eine so heftige Explosion, dass von einer Abfüllhalle samt den darin befindlichen Menschen nur noch ein riesiger Krater übrig blieb. Den Angehörigen der Opfer wurden verplombte, mit Steinen gefüllte Särge übergeben, die nicht mehr geöffnet und bis zur Beerdigung von der Securitate strengstens bewacht wurden. Die beiden Unfälle, bei denen etwa 100 Opfer und zahlreiche Verletzte zu beklagen waren, wurden wie ein Staatsge­heimnis gehandhabt und der Öffentlichkeit vorenthalten.

Brenndörfer bringt diese Geheimnisse deshalb ans Licht, weil er es als moralische Pflicht betrachtet, die damaligen Opfer nicht zu vergessen. Die Schilderungen beruhen ausschließlich auf Tatsachen, erheben aber nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Dokumenta­tion mit seitenlangen Fußnoten. Zu diesen Ereignissen gibt es so gut wie kein Bildmaterial. Trotzdem ist es dem Autor gelungen, einige Bil­der einzubringen. Das Buch richtet sich an alle Liebhaber von Kriminalgeschichten, die sich größtenteils im Burzenland ereignet haben. Es bietet sich auch als ideales Weihnachtsgeschenk an.

Martin Schnabel

Karl-Heinz Brenndörfer: „Tatort Burzenland. Von Kriminalfällen und sonstigen Katastro­phen“ , 181 Seiten; 13 Abbildungen, ISBN 978-3-00-021508-7, zu bestellen im Siebenbuerger.de Shop-Portal.
Tatort Burzenland: Von Krimina
Karl H Brenndörfer
Tatort Burzenland: Von Kriminalfällen und sonstigen Katastrophen

Brenndörfer, Karl-Heinz
Gebundene Ausgabe
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Schlagwörter: Burzenland, Kriminalfälle, Zeitgeschichte

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Neueste Kommentare

  • 14.12.2007, 08:52 Uhr von Richard Vogel: Herr Brenndörfer bringt wieder einmal Licht in das Dunkle! Möge ihm der Stoff für seine spannenden ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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