14. Januar 2008

Meisterwerke der siebenbürgischen Malerei in Brackenheim

Am 4. November 2007 fand die Eröffnung einer Ausstellung statt, die Brackenheim und seine Kunstliebhaber mit der siebenbürgischen Kunst der Klassischen Moderne bekannt machte. Durch diese Präsentation wurde auch vielen Siebenbürger Sachsen bewusst, welchen Kunst­schatz es in ihrer nächsten Nähe zu entdecken gibt.
Der Kunstverein Brackenheim besteht seit 26 Jahren und wurde von einem kleinen Kreis von Kunstfreunden unter der Bezeichnung „Kunst im Flüchttor e.V.“ gegründet. Mit großem organisatorischen Aufwand und dem Anspruch an ein hohes künstlerisches Niveau schafft es dieser Verein, vier Ausstellungen im Jahr zu präsentieren. Das Programm sieht die Prä­sentation und Bekanntmachung regionaler und überregionaler Künstler vor.

Seit fast zehn Jahren hat die aus Scharosch stammende Ditta Rheindt den Vorsitz des Kunst­vereins inne. Anlässlich der Ernennung Her­mannstadts und Luxemburgs zu den europäischen Kulturhauptstädten 2007 wollte sie drei für sie bestimmende Kunsttangenten miteinander vereinen: die alte Heimat Hermannstadt als Sitz des Brukenthal-Museums mit seinen über 1 000 Kunstwerken, die neue Heimat Bracken­heim mit dem Verein „Kunst im Flüchttor e.V.“ ist, und Gundelsheim als Zentrum der siebenbürgisch-sächsischen Kultur in Deutschland.
Grete Csaki-Copony: „Mädchen mit roter Jacke“, Öl ...
Grete Csaki-Copony: „Mädchen mit roter Jacke“, Öl auf Karton, aufgeklebt auf Spanplatte, Monogramm unten rechts, undatiert (ca. 1930), 86 x 62 cm, Siebenbürgisches Museum Gun­delsheim.
Nun hat der Brackenheimer Kunstverein in Zu­sammenarbeit mit dem Siebenbürgischen Mu­seum Gundelsheim und der Galerie Emilia Suciu in Karlsruhe es erreicht, die moderne Malerei unserer alten Heimat sowohl siebenbürgischen als auch anderen Kunstliebhabern des Zabergäu näher zu bringen oder einfach bekannt zu machen. Ein gemischtes Publikum drängte sich am 4. November des letzten Jahres schon vor elf Uhr an den Gemälden von Heinrich Neugebo­ren/Henri Nouveau, Grete Csaky-Copony, Hans Eder und weiteren siebenbürgisch-sächsischen, aber auch von siebenbürgisch-ungarischen und rumänischen Malern vorbei. Man musste tatsächlich frühzeitig im „Flücht­tor“ sein, um noch in Ruhe die Ausstellungsstücke zu bewundern. Die Galerie ist jedes Mal prall gefüllt mit Kunst­interessierten aus der ganzen Region.

Diesmal hat die Kunstbotschaft auch viele Sie­benbürger erreicht, die sich an der Eröff­nung durch Ditta Rheindt erfreuten, an der kunsthistorischen Einführung durch Marius J. Tataru und der musikalischen Begleitung durch die Vertreter der Musikgruppe „Lidertrun“. In ihrer Eröffnungsrede teilte Ditta Rheindt den Anwe­senden ihre Freude über die gelungene Zusam­menarbeit mit dem Gundelsheimer Museum und der Galerie Emilia Suciu mit und sprach über die Entstehungsgeschichte der Ausstellung.

Es folgte die kunsthistorische Deutung der ausgestellten Gemälde und der Epoche, aus der sie stammen, durch Marius Joachim Tataru, der als Kunsthistoriker im Siebenbürgischen Museum arbeitet und für die Kuratierung der Ausstel­lung verantwortlich zeichnet. Die Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts werde heutzutage „wie ein nostalgisches, etwas müdes Vo­kabeltraining vergangener Sprachen“ gesehen. Es habe sich die Auffassung herausgebildet, dass die Klassische Moderne mit ihren Früh-, Hoch- und Endphasen ein abgeschlossenes Phänomen sei, führte Tataru aus. Doch solange die Zeiten nach einem neuen schöpferischen Freiheitsgefühl verlangten, um den Normenab­bau weiterhin ungehemmt betreiben zu können, würden sich noch viele weitere Generationen in dem enormen Ideenreichtum der Klassischen Moderne sonnen. Haben nun die großen Aus­stellungen in Paris, Berlin, Rom und Zürich die Künstler in den entlegenen Provinzen unserer alten Heimat beeinflusst, wurden sie motiviert und haben sie den Mut aufgebracht, „gegen den Filz des Traditionalismus anzugehen“? Konnten die Vertreter der siebenbürgischen Kunst das Weltbild ihrer Generation verinnerlichen? In welchem geistigen Umfeld sind diese Gemälde entstanden und welcher Kunstrichtung lassen sie sich einordnen? Die Antwort liegt in den Bildern der Ausstellung.

Die siebenbürgische Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand in keinem abgeschotteten Raum, die leitenden Tendenzen ihrer Epoche waren ihr zugänglich. Trotzdem ist eine Zurückhaltung gegenüber den internationalen Strömungen zu beobachten. Das in langer Zeit gewachsene Formbewusstsein und die Naturvorstellung sind so spontan nicht abzustreifen. Das Gefühl des Biedermeier dauert noch lange fort, ohne die Spur eines Erneuerungs­bestrebens zu zeigen.

Die Wirklichkeit der tief greifenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen wird von den Malern zeitgemäß dargestellt, doch fehlt ihnen ein Publikum, das neuen Kunstein­stellungen ge­genüber offen ist. Es fehlen die fortschrittlichen Tendenzen in der ei­genen Tradition, an die die modernen Künstler anknüpfen könnten. Sie versuchen nun das Feh­lende nachzuholen, studieren in Berlin, München und Paris, öffnen sich Tenden­zen wie „Fauvis­mus“, „Brücke“, „Sturm“, „Kubismus“ und versuchen durch Aus­stellungen in der Hei­mat ein eigenes Pub­likum heranzuziehen. Die Kunstschaffen­den verfolgen die schnelle Entwicklung der internationalen Kunst, behalten aber ihre provinzielle Ei­genständigkeit. Eine Skepsis gegenüber der Avant­garde ist in ihren Werken zu er­kennen. Man bleibt bodenständig solide und „lässt sich nicht auf Extreme ein“. Der Leidenschaftlich­keit des deutschen Expressionismus wird nachgeeifert, sie wird aber nie erreicht.

Formreduktive Ele­mente sind bei Grete Csaky-Copony zu be­merken, Impulse von Cézanne bei Marga­rete Depner und Pe­tre Abrudan. Für einen gemäßigten Expressio­nismus steht Hans Eder, abstrahierende Farb­kompositionen hat Hans Mattis-Teutsch. In mo­numentalem neuklassizistischem Stil malt Imre Nagy. Die siebenbürgische Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt vielseitige Ein­flüsse, bleibt aber der Tradi­tion verhaftet. Wie gut passte dazu die Umrahmung der Ver­anstaltung durch Karl Heinz Piringer und Hans Seiwerth von der „Lidertrun“. Die Lieder in sächsischer Mundart unterstrichen noch die von den Bildern hervorgerufene siebenbürgische Atmosphäre. Zu ihren Klängen genoss das Pub­likum ein Glas heimischen Sekt und körnige Brötchen. Auf ihrem Weg, Kunst den Bürgern ihrer neuen Heimat zu vermitteln, ist Ditta Rheindt in Zusammenarbeit mit Marius J. Tata­ru und dem Siebenbürgischen Museum Gun­delsheim nun einen Schritt näher gekommen, indem sie die Kunst unserer alten Heimat in der neuen Heimat heimisch gemacht hat.

Heidrun Herbert

Schlagwörter: Malerei, Künstler, Siebenbürgisches Museum

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