3. Mai 2008

Filmfestival goEast: Roma-Prinzessin auf dem roten Plüschsessel

Der mit roten Plüschsesseln ausgestattete Jugenstilsaal des Caligari-Kinos in Wiesbaden bietet den entsprechenden Rahmen für die Themen der Filme des osteuropäischen Filmfestivals goEast: Identitätssuche, Situationsschwierigkeiten, Gesellschaftsdramen, Aufschwung, Fortschritt und Nostalgie in den Ländern nach der Wende vom Sozialismus zum Kapitalismus.
Die Filme des diesjährigen Festivals tragen demnach auch so schöne Titel wie Am Fluss (Bilja Ricki) von Eva Nejman, Ukraine; Liebe und andere Verbrechen von Stefan Arsenijevic, Serbien; Die Blumenbrücke (Podul de flori) von Thomas Ciulei, Rumänien; Beim Fluss von Magdalena Kowalczyk, Polen; oder Sunstroke von Lili Horvath, Ungarn; und Renovation von Paul Negoescu und David Lindner, Rumänien und Deutschland.

Das achte goEast-Filmfestival in Wiesbaden hat es wieder geschafft, die Zahl der Besucher zu erhöhen, das Interesse an den etwas anderen osteuropäischen Filmen zu vergrößern und zu vertiefen und den Austausch zu fördern. Am Festival nahmen zehn Spielfilme und sechs Dokumentarfilme im Wettbewerb teil, weitere Filme wurden außerhalb des Wettbewerbs in den Kinos in Wiesbaden und Frankfurt parallel vorgeführt.

Die Roma-Prinzessin und Dichterin Luminița ...
Die Roma-Prinzessin und Dichterin Luminița Mihai Cioabă setzt sich für mehr Rechte der Roma-Minderheiten in Rumänien und in der EU ein. Foto: privat
Der Preis „Erinnerung und Zukunft“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, der zum ersten Mal verliehen wurde, ging an den Dokumentarfilm des rumänischen Regisseurs, Filmemachers Thomas Ciulei für Die Blumenbrücke. Es ist eine deutsch-rumänische Koproduktion von Europolis Film und Studioul de Creație Cinematografică a Ministerului Culturii und Ciulei Films. Er schildert das Schicksal einer rumänischen Familie mit zwei Kindern, wo die Mutter im Ausland arbeitet und der Vater mit den Kindern alleine zurechtkommen muss. Es ist die nachgelebte reale Geschichte der im Film auftretenden Menschen. Der Regisseur, der sehr bewegt den Preis entgegen nahm, bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass er mit dem Film zeigen wollte, dass man Menschen aus Osteuropa gegenüber oft mit Vorurteilen begegnet. Er wollte zeigen, dass man mit den Vorurteilen aufräumen muss, wenn man einem Menschen, der hier im Westen geringwertige Arbeiten verrichtet, um seine Familie im Heimatland zu ernähren, gegenübertritt. Die Filmfamilie lebt in einem Gebirgsort in einer ländlichen Umgebung, wo Tradition noch viel bedeutet. Ein sehr bewegender, schöner Film, der bereits einen Monat davor eine Auszeichnung in Paris beim Cinéma du Réel errungen hat.

Neben Thomas Ciulei, der dem rumänischen Publikum bereits bekannt ist, der ein geschultes Auge für Momente und Probleme der Gegenwartssituation des Landes hat, wurde auch ein junger Filmemacher Paul Negoescu ausgezeichnet, der sich zusammen mit seinem deutschen Kollegen David Lindner mit einer Koproduktion präsentierte.
Beatrice Ungar, Chefredakteurin der ...
Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung. Foto: Ruxandra Stănescu
Ein Höhepunkt des Festivals sind die Podiumsdiskussionen zu Themen und herausragenden Persönlichkeiten der Gegenwart aus den osteuropäischen Ländern. Rumänien präsentierte sich mit einer Vertreterin einer der größten Minderheiten des Landes: der Roma-Prinzessin Luminița Mihai Cioabă. Die 51 Jahre alte Schriftstellerin trat auf einem prominent besetzten Podium auf als Dichterin, aber auch als Verfechterin für mehr Rechte der Roma-Minderheiten in Rumänien und in der EU. Unterstützt wurde sie in dieser Position von dem Berater des niederländischen EU-Abgeordneten Els de Groen, Martin Demirovski, ein Roma aus Mazedonien.

Luminița Cioaba las aus ihrem neuesten Gedichtband, der viersprachig erschienen ist und ins Deutsche übertragen wurde von Beatrice Ungar, die ebenfalls anwesend war.

Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung, spricht die Sprache der Roma, Romanes. Sie erzählte über die Projekte, die Luminița Cioaba in Rumänien für junge Romakinder initiiert und durchgesetzt habe. Dabei betont auch Frau Ungar stets, dass die Gesellschaft Europas mit den Vorurteilen gegenüber den Roma aufräumen sollte, um eine bessere Integration zu bewerkstelligen. „Man muss sie dort abholen, wo sie sind“, antwortete sie auf die Frage, wie eine bessere Schulbildung für Romakinder gewährleistet werden könne. Obwohl die Gruppe der Roma keine einheitliche ethnische Gruppe in Europa darstellt, sind die Probleme der einzelnen Roma-Gruppen ähnlich: Bildung, Perspektiven, Integration und Rechte. Durch den Beitritt Rumäniens zur EU hat sich die Zahl dieser Minderheit auf acht bis zehn Millionen erhöht, wobei man nur von ungenauen Schätzungen ausgehen kann, wie Professor Matter von der Universität Freiburg in seinem Vortrag betonte.

Luminița Cioaba schreibt das, was sie empfindet, meint Beatrice Ungar. Sie spricht von der Welt der Zigeuner, der Roma, und dichtet über den Regenhändler, über Wiedergeburt, über Fragen zu Naturphänomenen im Grünblauen Gedicht und Woher kommt der Schmetterling?. Der Gedichtband Gedichte von gestern und heute (Poezii de ieri si de azi) sowie weitere Bände sind über den Verlag Neodrom, Hermannstadt oder die Hermannstädter Zeitung zu beziehen.

Katharina Kilzer

Schlagwörter: Film, Festival, Kino

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