26. November 2008

Aus dem Kulturraum der Karpaten: Dr. Claus Stephani in Eichstätt

Eine Begegnung der besonderen Art fand am 7. Oktober im Rahmen der Themenfolge „Kunst, Kultur, Geschichte“ des Katholischen Bildungswerks e.V., des „Gesprächskreises Christentum – Judentum“ und des St. Michaelsbunds in der Stadtbücherei Eichstätt statt: Klesmermusik und ostjüdische Volkserzählungen führten das zahlreiche Publikum in die Märchenwelt am Rande der siebenbürgischen Karpaten.
In einleitenden Worten stellte der verdienstvolle Historiker und Kulturwissenschaftler Siegfried Schieweck-Mauk, Leiter des Katholischen Bildungswerks, den Gast des Abends, Dr. Claus Stephani aus München vor, den man zum zweiten Mal zu einem Vortrag mit Lesung eingeladen hatte. Schieweck-Mauk hob die langjährige Feldforschungsarbeit des siebenbürgischen Ethnologen und Schriftstellers hervor, der in den letzten Jahrzehnten über 20 eigene Sammlungen mit Volksmärchen aus Siebenbürgen, dem Sathmarland, der Bukowina und der Maramuresch herausgebracht hat. Viele dieser Aufzeichnungen sowie mehrere Bücher von Stephani wurden inzwischen in andere Sprachen, so ins Rumänische, Italienische, Englische, Hebräische und Mazedonische übersetzt.
Dr. Claus Stephani während seiner Lesung in ...
Dr. Claus Stephani während seiner Lesung in Eichstätt. Foto: Marco Schneider
In seinem Vortrag verdeutlichte Stephani anhand von Volkserzählungen, wie bei der Volksnarration Erzählsituation, Erzählvorgang und Erzählweise ineinander greifen und wodurch sich alltägliches Erzählen bei ostjüdischen Landbewohnern von dem anderer Ethnien Siebenbürgens, so der Sachsen, Rumänen, Ungarn und Roma, inhaltlich und stilmäßig unterscheidet.

Dabei wies der Vortragende auf Gemeinsamkeiten im großen multiethnischen und multikulturellen „karpatischen Raum“ hin. Es sei eine alte Kulturlandschaft, die über Grenzen hinweg von Podolien, Wolhynien, Galizien, der Bukowina und Marmatien bis hinunter nach Siebenbürgen reiche; und innerhalb dieser räumlich weitgespannten Landschaft nehme Siebenbürgen eine herausragende Stellung ein. Allerdings könne die Volkskultur der Siebenbürger Sachsen nicht isoliert betrachtet, sondern müsse immer in diesem großen Kontext bewertet werden, betonte Stephani.

Nach Lesung von exemplarischen Volkserzählungen mit besinnlich-ernstem und tiefsinnig-humorvollem Gehalt folgten zahlreiche Fragen aus dem Publikum, die weit über die Hauptthematik des Abends – „Ostjüdische Erzählungen aus den Karpaten“ – hinausführten, denn sie bezogen sich auch immer wieder auf die Lage der deutschen Bevölkerung Siebenbürgens und die gegenwärtige „westlich orientierte“ Entwicklung Rumäniens mit ihren Auswirkungen auf Volkskultur und Volkskunst des Landes. Dabei sagte eine Zuhörerin, dass sie es sehr bedauern würde, wenn sich das Bild der Dorfstraßen Siebenbürgens im „Zuge einer Europäisierung“ verändern sollte. Die Pferdewägen auf den Straßen und die abends heimkehrenden Viehherden hätten sie vor zwei Jahren, während einer Reise in diese „märchenhaften Landschaften“, sehr beeindruckt.

Zum Gelingen der Veranstaltung trug Annette Kreipp, Leiterin der Stadtbücherei des St. Michaelsbundes, ganz besonders bei. Sie ermöglichte eine Ausstellung mit Märchenbüchern und Erzählbänden des Gastes, die in den letzten Jahren in Deutschland erschienen sind. Claus Stephanis Vortrag und Lesung sind Teil einer Reihe von Begegnungen, die auf gemeinsame christliche und jüdische Werte in Bereichen von Glauben, Kunst und Erzählkultur hinweisen wollen.

Doris Gruber

Schlagwörter: Lesung

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