3. Juli 2009

Kronstadt und die osmanische Gefahr im 15. Jahrhundert

Es begann mit der auch heute noch vielfach zitierten Schlacht auf dem Amselfeld im Jahre 1389, dem Untergang des bulgarischen Königreiches und der damit einhergehenden Vereinnahmung der Donauhäfen durch die osmanischen Eroberer. Die gesamte Region Südosteuropa wurde in eine neue Epoche der Bedrohung und Gefahr getaucht. Am Fuße der Karpaten, an der Mündung mehrerer Pässe gelegen, fand sich Kronstadt inmitten dieser Geschehnisse wieder.
Die Rahmenhandlung bildeten die umfassenden, wenngleich nicht immer erfolgreichen politischen Bestrebungen König Sigismunds von Luxemburg (1368-1437), der berühmte Abwehrkampf Johann Hunyadis (um 1407-1456) gegen das osmanische Heer sowie die Regierungszeit seines Sohnes Matthias Corvinus (1443-1490).

Daneben betraten auch schillernde Persönlichkeiten wie der walachischen Fürst Vlad Țepeș (1431-1476) und Ștefan der Große (um 1433-1504) das Parkett. Die Person Vlad Țepeș hat vor allem durch den Eingang in die europäische Literatur als Graf Dracula einen Platz im kollektiven Gedächtnis gefunden. Der moldauische Fürst Ștefan der Große sicherte sich hingegen durch seine erfolgreiche Abwehr der osmanischen Truppen einen Platz in der rumänischen Geschichte.
Kronstadts alte Stadtmauern und Türme wurden ...
Kronstadts alte Stadtmauern und Türme wurden durch ein umfassendes Sanierungsprogramm mit Geldmitteln aus einem UN-Programm zur Erhaltung von Kulturerbe und Baudenkmälern instandgesetzt und vor dem Verfall gerettet. Foto: Hans Butmăloiu
All diesen Persönlichkeiten ist auch gemeinsam, dass sie direkte Korrespondenz mit Kronstadt hielten, was die herausragende Stellung der Stadt im gegebenen Zusammenhang unterstreicht. Vom Ende des 14. Jahrhunderts an entwickelte sich Kronstadt zu einem wichtigen Punkt in der Verteidigung gegen die osmanische Expansion. Der Einfluss dieser Ereignisse ist heute noch vor allem in den erhalten gebliebenen Teilen der mittelalterlichen Stadtbefestigung deutlich sichtbar.

Doch entgeht dabei das eine oder andere Detail des damaligen Erscheinungsbildes. Die sogenannte Brassovia Burg auf der Zinne wurde um das Jahr 1450 abgetragen, da sie nicht mehr in das Gesamtkonzept der Verteidigungsanlagen passte. Deren Bausubstanz fand in der Stadtbefestigung Wiederverwendung. Die sonst in Siebenbürgen so weit verbreiteten Kirchen- und Fliehburgen waren in Kronstadt angesichts der weit ausgebauten Ringbefestigung überflüssig.

Die Konfrontation mit den Osmanen begann für Kronstadt mit dem dort unterfertigten antiosmanischen Bündnis zwischen König Sigismund von Luxemburg und dem walachischen Fürsten Mircea der Alte (1355-1418) im Jahr 1395. Noch im selben Jahr folgte der erste Einfall. Auch später fanden immer wieder Unterhandlungen mit den Vertretern des Sultans in Kronstadt statt. Es kam allerdings auch zu alltäglichem Austausch mit der Bevölkerung des osmanischen Reiches, so etwa mit türkischen Händlern, die ihre Orientwaren anpriesen.

1421 folgte nach längerer Atempause ein erneuter Einfall ins Burzenland, nachdem König Sigismund bereits 1419 Kronstadt in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Im Jahr 1420 noch hatte er die umliegende Landbevölkerung angehalten, am Bau der Stadtbefestigung mitzuwirken – scheinbar jedoch nicht früh genug, um dem Angriff standhalten zu können. Dieser verheerende Einfall stürzte die Stadt in eine länger anhaltende Krise. Kirchen und Wohnhäuser waren zu einem großen Teil zerstört, die Mehrheit der Bevölkerung verschleppt worden.

Unter König Sigismund, der 1426 und 1427 für längere Etappen sogar selbst in Kronstadt weilte, gelang es dennoch, den Ausbau der Stadtbefestigung weiter voranzutreiben. Erst 1432 kam es zu einem erneuten Einfall. Weite Teile des Burzenlandes sowie die Vorstädte Kronstadts wurden in Schutt und Asche gelegt. Auch im darauffolgenden Jahr herrschte Angst vor einem erneuten osmanischen Einfall, von dem allerdings weiter nichts bekannt ist.

Spätestens nach diesem Einfall war es der Stadt gelungen, sich mit der andauernden Gefahrensituation zu arrangieren. Dies wird vor allem auch am rasanten Aufstieg und der stetig wachsenden politischen Einflussnahme Kronstadts zu dieser Zeit sichtbar.

Voraussetzung dafür war neben der Stadtbefestigung vor allem ein gut ausgebautes Informationsnetz. Die Stadt verfügte neben – zum Teil verdeckt operierenden – Informanten auch über ein eigenes Kundschafternetzwerk. Der Austausch von Informationen zwischen Kronstadt, dem restlichen Königreich sowie den Donaufürstentümern Moldau und Walachei war innerhalb kürzester Zeit möglich. Wiederholt wurde die Stadt mit der Beschaffung von Nachrichten über die Osmanen und Überwachungsaufgaben betraut. Sicher ist, dass ein noch bei weitem umfangreicherer mündlicher Informationsaustausch stattgefunden haben muss.
Die Tuchmacherbastei, die ursprüngliche ...
Die Tuchmacherbastei, die ursprüngliche Goldschmiedebastei (bis 1646), gehört zu der sehr gut erhaltenen Festungsanlage Kronstadts. Die Aufnahme entstand im Juni 2007. Foto: Hans Butmăloiu
1438 unternahm der Sultan persönlich einen Feldzug gegen Siebenbürgen, von dem in weiterer Folge beim Rückzug des osmanischen Heeres auch die Umgebung Kronstadts betroffen war. Noch im selben Jahr kam es zu einem erneuten Einfall dorthin.

Mit Johann Hunyadi als siebenbürgischem Woiwoden und später auch ungarischem Reichsverweser begann dann eine neue Phase der Gegenwehr, in die auch Kronstadt stark miteinbezogen wurde. Matthias Corvinus setzte diese Entwicklung schließlich fort.

Zusehends wurden der Stadt unter Berufung auf die herausragende Rolle in der Abwehr der Osmanen Privilegien zugesichert, etwa das königliche Recht, mit rotem Wachs zu siegeln. Es erfolgte eine graduelle Entbindung von der aktiven Heeresfolge. Dafür wurden wiederum Geldleistungen, unter anderem für den Unterhalt des corvinischen Söldnerheeres, gefordert.

Das Zusammenwirken zwischen Kronstadt und den beiden Donaufürstentümern Moldau und Walachei im Zusammenhang mit der osmanischen Gefahr war hingegen ebenso weitreichend wie wechselhaft. Vlad Țepeș sicherte sich im Falle eines osmanischen Einfalles sogar ein Zufluchtsrecht in Kronstadt – ein andermal zogen die walachischen Fürsten wiederum auf Seiten des osmanischen Heeres gegen ihre vormals Verbündeten.

Ebenso waren die beiden Nachbarländer vom florierenden Waffenhandwerk der Stadt abhängig. Die Herstellung großer Mengen an Waffen war innerhalb kürzester Zeit bewältigbar. 1435 fand das neue Handwerk der Schusswaffenherstellung in Kronstadt erstmals Erwähnung.

Letztlich wurden sogar große Belagerungsgeschütze und Kanonen hergestellt. Eine interessante Episode stellt in diesem Zusammenhang eine Waffenbestellung Johann Hunyadis dar. Es ging dabei um die Herstellung hussitischer Kampfwagen, die den Kronstädtern zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt war, weshalb ihnen ein Handwerker aus Böhmen gesandt wurde, um sie darin zu unterrichten. Dieser wurde in Kronstadt jedoch „in Gelächter“ empfangen, wie aus einem darauffolgenden Schreiben Hunyadis bekannt wird.

1479 fand die wohl bekannteste Schlacht gegen die Osmanen in der siebenbürgischen Geschichte vor Mohács statt: Die Schlacht auf dem Brodfeld. Bei dem auf einen osmanischen Einfall folgenden Abzug der feindlichen Truppen gelang es, diese zu stellen und zu überwältigen. Dass der Angriff der Osmanen nicht ursprünglich über das Burzenland erfolgte, beruhte indes auf der diplomatischen Intervention des walachischen Fürsten. Kurz davor erfolgte allerdings bereits ein kleinerer Einfall dorthin.

1488 wurde Kronstadt aufgrund der Befürchtung eines erneuten Einfalles von großen Teilen der verbleibenden Heeresfolge befreit. Abermals wurde die Gefahr eines Angriffes 1491 virulent, zugleich entstand in diesem Jahr auch eine eigene Verteidigungsordnung für Kronstadt, in der genaue Verhaltensregeln sowie ein Verteidigungsplan für den Fall eines Einfalls festgehlten wurden. 1493 fand schließlich der letzte bekannte Einfall ins Burzenland vor 1500 statt.

Neben all diesen Geschehnissen musste die Stadt im 15. Jahrhundert drei Pestwellen, soziale Unruhen sowie ein massives Erdbeben miterleben – Ereignisse, die sich zusätzlich zur osmanischen Gefahr niederschlugen und die gesamte Stadtbevölkerung in Mitleidenschaft zogen. Dennoch gelang es der Stadt in diesem Zeitraum auch, eine der bedeutendsten Hochphasen ihrer Stadtentwicklung zu erleben, deren Zeugenschaft noch heute im Stadtbild präsent ist.

Markus Peter Beham

Zum Autor: Markus Peter Beham, geboren am 8. Juni 1986 in Schärding am Inn, Studium der Geschichte in Wien, ist neben einem Studium der Rechtswissenschaften derzeit als Tutor am Institut für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien tätig und hat sich bisher hauptsächlich mit der Geschichte Kronstadts im 15. Jahrhundert auseinandergesetzt. Seine Magisterarbeit verfasste er zur urkundlichen Überlieferung der osmanischen Gefahr in Hinblick auf Kronstadt. Sein Aufsatz „Kronstadt in der ‚Türkenabwehr‘ (1438-1479)“ erscheint demnächst in der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde und er wird an der diesjährigen Siebenbürgischen Akademiewoche in Deutsch-Weißkirch zum Thema sprechen.

Schlagwörter: Kronstadt, Denkmalpflege, Mittelalter, Geschichte

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