10. Oktober 2009

Berliner Gedenktafel: In Memoriam Oskar Pastior

„Indem ich schreibe, begebe ich mich ganz allein in die Mehrheit“. Diese Worte stehen auf ei­ner Gedenktafel, angebracht an Oskar Pastiors ehemaligem Wohnhaus in der Schlüterstraße 53 in Berlin-Charlottenburg. Der am 4. Oktober 2006 verstorbene, aus Hermannstadt stammende Dichter, „der letzte große Schamane der experimentellen Literatur“ (Michael Krüger), hat hier, nahe dem Kurfürstendamm, die letzten zwanzig Jahre seines Lebens gewohnt. Am 22. Septem­ber ist die vom Berliner Senat gestiftete Gedenktafel feierlich enthüllt worden.
Unter den mehr als hundert Veranstaltungs­teilnehmern waren auch Peter Pastior, Oskar Pastiors jüngerer Bruder, Prof. Dr. Klaus Ramm, Vorsitzender der Oskar-Pastior-Stiftung, Ernest Wiechner, Leiter des Literaturhauses Berlin, und die Schriftstellerin Herta Müller. Begrüßungs­worte sprach Ernest Wiechner für den krankheitshalber verhinderten Staatsekretär für Kul­turelle An­gelegenheiten, André Schmitz.

Festredner Prof. Dr. Klaus Ramm wies darauf hin, dass Pastior neunzehn Literaturpreise erhalten hat. Durch Ramms Laudatio wurde der große Lyriker nochmals „lebendig“. Seit 1969 lebte Oskar Pastior in West-Berlin. Über ihn sagte einmal György Konrad: „Sie konnten ihn schleppen, wohin sie wollten, überall war es die Sprache, an die er sich klammern konnte“. Hier einige Oskar-Pastior-Bonmots: „Ich bin, was ich schreibe“; „Es ging ihm um die Erkenntnisfähig­keit der Poesie“; „Nicht schon wieder Etikettie­rung, nicht schon wieder in ein bestimmtes Kästchen, wo mir gerade die Aufweichung des Kästchendenkens am Herzen liegt“; „Dann reden die Leute von Spielerei, sie wissen nichts von Sprachnot“; „Bei meiner Suche, bei meiner Sucht, genau zu denken, dem Denken selbst auf die Schliche zu kommen, wie hätte ich da meine Herkunft verleugnen können“; „Ein Monster an Heimwehlosigkeit“; „Im Großen gesehn erinnert die Erinnerung an eine Deportation in unbekannte Richtung“; „Exil ein unsinniges Wort, denn sobald man einer Min­der­heit, sogar mehreren angehört, ist man im­mer, also nie im Exil weil das Wort sich grenzenlos erledigt“. Auf die Frage „Wie haben Sie sich eingelebt?“ antwortete Pastior: „Das Einle­ben kann ein Resultat sein, aber kein Zweck“.
Zur Entfernung des Tuches, das die Gedenk­tafel verdeckte, bat Ernest Wiechner Prof. Dr. Klaus Ramm mit den Worten: „Klaus, komm bit­te her, (...) damit wir beide die Strippen ziehen.“ Der Text der Gedenktafel lautet: „,Indem ich schreibe, begebe ich mich ganz allein in die Mehrheit‘. In diesem Haus wohnte von 1985 bis zu seinem Tod der Dichter Oskar Pastior 20.10. 1927 – 4.10.2006. Für sein Werk wurde er 2006 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.“

Einige Gäste nahmen die Möglichkeit wahr, Oskar Pastiors Wohnung in der Schlüterstraße 53 zu besichtigen. Im Anschluss lud die Oskar-Pas­tior-Stiftung zu einem Umtrunk ins Literatur­haus Berlin (einer der Lieblingsaufenthalte Os­kar Pastiors) in der Fasanenstraße 23. Außer­dem bestand am selben Abend die Gelegenheit, eine Lesung Herta Müllers aus ihrem neuen Roman „Atemschaukel“ zu besuchen.

Ecaterina-Luise von Simons

Schlagwörter: Pastior, Gedenken, Berlin

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