22. Februar 2010

Heinz Schunn stellt in Ebersberg aus: "Wie eine Auferstehung in Weiß"

Seit Ende Januar sind im Rathaus in Ebersberg zwanzig farbige Holzdrucke des siebenbürgischen Grafikers und Malers Heinz Schunn zu sehen. Es ist ein Teil jener 46 Farbholzdrucke, die der Künstler der „Städtischen Kunstsammlung Ebersberg“ geschenkt hat als Dank dafür, dass die Leiterin des Archivs und Galeristin der Stadt Ebersberg, Antje Krauss-Berberich, ihn, den siebenbürgischen Landsmann, wiederholte Male in die Galerie des Rathauses eingeladen hatte.
Heinz Schunn, Sohn des Malers Heinrich Schunn, wurde am 3. Mai 1923 in Bistritz geboren. Die Familie übersiedelte 1927 nach Kronstadt, wo 1942 der künstlerisch begabte Schüler Heinz sein Abitur machte. 1943 zum Militär eingezogen, geriet er in amerikanische Gefangenschaft, von wo aus ihn sein Weg nach München führte. Dort studierte er 1948-1952 an der Akademie der Bildenden Künste bei den Fachlehrern Adolf Thiermann Radierung, Kurt Lohwasser Holzschnitt und Walter Teutsch Malerei. Letzterer, ebenfalls Kronstädter, nahm sich seiner nicht nur als Fachmann, sondern auch als Mitmensch an. Schunn war sehr angetan von den kraftvollen, erdigen Farben und den in die Bildfläche gebreiteten Formen seines Meisters. Er machte sie sich zu Eigen – der Grundstein zu seinem späteren Werk war gelegt.
Vernissage im Rathaus Ebersberg, von links: der ...
Vernissage im Rathaus Ebersberg, von links: der 86-jährige Künstler Heinz Schunn, Antje Krauss-Berberich, Karin Caesar-Schunn, Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer. Foto: Ulrich Förster
Nach dem Staatsexamen, einer mehrjährigen Lehrtätigkeit an Privatschulen und einem Studium an der Fachakademie für Sozialpädagogik „begann ich ein sorgenloses freies Schaffen, ausgelöst und begleitet von vielen Studienreisen“. 1964 übersiedelte Schunn mit seiner Frau Ingrid und seinen drei Kindern nach Ebersberg in Oberbayern. 1977 erfüllte sich sein Traum – die Fertigstellung seines Zweitwohnsitzes in Lechbruck/Allgäu, in dem sich der Künstler eine Galerie einrichtete. Diese wurde bald ein Geheimtipp für das Münchner Umland. Das Dachgeschoss des Hauses nutzte der Sammler Schunn als kleinen privaten Ausstellungsraum. Als Hommage an seine Heimat zeigte er dort wertvolle Keramik- und Tongefäße, Krüge sowie Back- und Kuchenformen aus Siebenbürgen.

Bereits die frühen Arbeiten der Jahre 1957-1961, Landschaften, Stillleben und Portraits zeugen von Schunns Kunstfertigkeit. In seiner dekorativ-flächigen Gestaltung bewahrte Schunn eine formale Disziplin im Bildaufbau. Dass er im Zuge seiner künstlerischen Entwicklung das Aquarellieren aufgegeben hat, begründet Schunn so: „Doch mit diesen Studien kam ich zu sehr in die Nähe der Aquarelle meines Vaters. Um mich künstlerisch abzunabeln, stellte ich mich einem psychologischen Prozess und gab die Aquarellmalerei auf. Diese Wandlung kam meiner gestalterischen Reifung zugute.“ Auf der Suche nach seinem Weg durchlief er alle Arbeitsgebiete der Malerei. Einige Jahre befasste er sich intensiv mit der Kunst des Linolschnitts, der Serigrafie, Monotypie, des Siebdrucks und der Radierung. Europäische und außereuropäische Reisen inspirierten seine Motive. Bald wandte sich Schunn dem Schwarzweiß-Holzschnitt zu, der den Grafiker im Künstler mehr und mehr faszinierte. Hierbei ist der Einfluss von deutschen Expressionisten nicht zu leugnen.

Ein Stipendium ermöglichte ihm 1973, zehn Wochen lang in die Landschaft Norwegens einzutauchen, sich der nordischen Kunst zu widmen. Das Ergebnis: totale Reduktion in Form, Inhalt und Farbe; Licht gewann Vorrang. Der Kontrast zu Werken südlicher Reiseziele wird deutlich durch akribische Ausarbeitung natürlicher Verwerfungen: schroffe Felswände, einsame Buchten, Spiegelungen des tiefblauen Wassers – Natur pur. Personen oder Tiere finden wir nur selten in seinen Werken. In einigen Veduten sind sie unerlässlich und bringen Lebendigkeit auf die Leinwand.

Mitte der 70er Jahre beendete der Künstler die Phase der Schwarzweiß-Drucke. Schunn, der „das Wesentliche der Landschaft von der Farbe her entdecken muss“, wandte sich im Farbholzschnitt dem Wechselspiel der Natur zu. Die Einbeziehung der Holzmaserung als Gestaltungselement und Ausdruckträger führten zur Intensivierung der Farbskala: „Das forderte von mir präzise handwerkliche Arbeit, da ich aus dem Urstock bis zu neun einzelne Holzplatten passgerecht auseinander schneiden musste, um sie dann im Druck wieder zusammenzufügen.“

Der Farbholzdruck blieb im Mittelpunkt seines Schaffens, bis der unermüdlich Suchende und Experimentierfreudige 1972 dem Material- und Prägedruck verfiel. Die Ästhetik technischer Objekte faszinierte ihn. Der Künstler suchte fast täglich Schrottplätze, Wertstoffhöfe, Altmetall- und Holz-Sammelstellen auf. In Kistchen und Plastikbehältern sammelte er seine Schätze mit bloßen Händen: weggeworfene Gebrauchsgegenstände, ölig-schwarze Motorteile, schmieriges Alteisen, Loch- und Rasterbleche, Siebe und Bügeleisen. Dieser Fundus wurde auf Hochglanz gebracht. Er nährte seine Phantasie und zwang ihn, dem „objet trouvé“ eine völlig neue Formsprache zu geben, zu „verfremden, sodass die ursprüngliche Verwendung des Gegenstandes nicht mehr erkennbar ist“.

Etwa 2004 erkannte der Künstler, dass Materialdruck ihn zwar befriedigte, jedoch nicht seinem innersten künstlerischen Verständnis entsprach. Eine Serie großformatiger Arbeiten, die im Umgang des Materials eine andere Arbeitsweise und -form forderte, entstand: „Ich bin Handwerker durch und durch. Ich nahm die Kettensäge und fräste großteilig neue Strukturen aus Holzplatten. Pflanzenblätter und -blüten, rhythmisch sich bewegende Bildflächen gestaltete ich mit dem natürlichen Material und spürte eine tiefgehende Wandlung. Und ich entdeckte den weißen Grund als aussagekräftiges bildnerisches Mittel für mich aufs Neue. Es ist wie eine Auferstehung in Weiß. Ein künstlerisches Gedenken und ein Dankeschön an meinen verehrten Vater.“

Galerien im In- und Ausland öffneten dem Künstler Tür und Tor. Heinz Schunn organisierte über 30 Retrospektiven und Ausstellungen mit Künstlerkolleginnen und -kollegen aus ganz Bayern und darüber hinaus.

Schunns Neugier für das Moderne in der Kunst ist unverändert. Seine Kritik gegenüber gewissen Strömungen hält er nicht zurück. Die Schwemme an „Kunst“ akzeptiert der erfahrene Künstler ohne Frage; doch manches Mal sähe er einen vorgeschobenen Riegel als heilend und mehr Bescheidenheit als Tugend. Große Bewunderung zollt der Meister des Holzschnitts seinen jungen Landsleuten, den 1973 in Kronstadt geborenen Zwillingen Gert und Uwe Tobias, die durch ihre hintersinnig-witzigen Botschaften zu Erneuerern des Holzschnitts avanciert sind.

2009 traf Heinz Schunn ein schwerer Schicksalsschlag. Seine geliebte Ehefrau, Mutter seiner Kinder, Partnerin, seine beste Kritikerin und famose Reisebegleiterin, Ingrid Schunn, starb unerwartet. „Sie ging mir voraus und ich muss meine übrige Zeit nun alleine gestalten.“ Das Atelier und die Galerie wurden zur Zufluchtstätte des Künstlers. Hier biegt und formt er unermüdlich, strukturiert und legt Farbe neu auf. Es entstehen völlig gegenstandslose Kunstwerke, die ihre Harmonie in symmetrischer und geometrischer Perfektion finden. Schunn – wie kann es anders sein – übertrat wiederum eine Schwelle: die zur absoluten Abstraktion.

Die ganzjährige Ausstellung „Heinz Schunn / Holzdrucke“ im Rathaus Ebersberg (Marienplatz 1) ist Montag bis Donnerstag, 8-17 Uhr, Freitag, 8-12 Uhr, sowie nach Vereinbarung mit Antje Krauss-Berberich, Telefon: (0 80 92) 2 06 17, geöffnet.

Antje Krauss-Berberich

Schlagwörter: Ausstellung, Künstler

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