2. April 2012

Die ältesten Urkunden über die Siebenbürger Sachsen

Der Kronstädter Historiker und Archivar Gernot Nussbächer hat vor fünf Jahren in der Karpatenrundschau (Nr. 19/2866 vom 13. Mai 2006) seinen Beitrag „800 Jahre Saxones in Siebenbürgen“ veröffentlicht, der dann später auch in den Ostdeutschen Gedenktagen 2005/2006 (Bonn 2006, S. 461-464) erschienen ist. In Ergänzung und Präzisierung des Artikels „Erste deutsche Gastsiedler“ von Doris Zakel in der Siebenbürgischen Zeitung bringen wir im Folgenden Auszüge aus Nussbächers Beitrag, der auch eine noch zu wenig bekannte Theorie über die Bezeichnung Saxones enthält.
Die Siebenbürger Sachsen stammen, ihrem Herkunftsgebiet nach, vor allem aus der Rhein-Moselgegend, und haben sich aus Deutschen, Flamen, Wallonen und andern erst in Siebenbürgen zu einem deutschen Neustamm entwickelt. Sie wurden von den ungarischen Königen im 12. und 13. Jahrhundert nach Siebenbürgen berufen, um dieses Land „zum Schutze der Krone“ zu verteidigen, zu besiedeln und fruchtbar zu machen. Eine erste erhalten gebliebene Urkunde von 1186 (oder 1184) nennt die Ansiedler nach ihrer Rechtsstellung nur hospites, also Gäste. Im Jahre 1191 wird die ecclesia Theutonicorum Ultransilvanarum (Kirche der Deutschen aus dem Land jenseits der Wälder) erwähnt, im gleichen Jahr 1191 und auch 1199 werden die Siedler als Flandrenses, also Flamen, bezeichnet.

In einer Urkunde des ungarischen Königs Andreas II. (1205-1235) von 1206 werden die primi hospites regni (die ersten Gäste des Reiches) aus den Dörfern Karako (heute Krakau/Cricău), Crapundorph (untergegangen) und Rams (heute Rumes/Romos) bei Weißenburg (heute Karlsburg/Alba Iulia) von der Gerichtsbarkeit des siebenbürgischen Wojwoden sowie von öffentlichen Lasten befreit, die alii Saxones (andere Sachsen) zu zahlen verpflichtet waren.

Die Siedlungsstruktur von Rumes, einer der ...
Die Siedlungsstruktur von Rumes, einer der ältesten siebenbürgisch-sächsischen Ortschaften. Die Luftbildaufnahme von Georg Gerster entstand Anfang der neunziger Jahre im Rahmen des Dokumentationsprojektes siebenbürgisch-sächsischer Kultur.
Im damaligen ungarischen Spachgebrauch wurden für die Deutschen zwei verschiedene Ausdrücke verwendet. Für die näher an Ungarn liegenden Gebiete von Österreich und Bayern wurde die Bezeichnung német verwendet, die aus dem Slawischen stammt und bedeuten soll, dass die Sprecher „stumm“ waren, weil die Slawen und auch die Ungarn sie nicht verstanden. Für die weiter entfernt wohnenden Deutschen, die auch eine für die Ungarn anders klingende Sprache als die német-Leute hatten, wurde der Ausdruck „Sachsen“ (lateinisch Saxones) gebraucht, der auch sonst auf der Balkanhalbinsel für Deutsche benutzt wurde. Weil also diese deutschen Ansiedler in Siebenbürgen nicht aus Österreich oder Bayern kamen, wurden sie „Sachsen“ genannt und wurden im Laufe von einem bis zwei Jahrhunderten ein einigermaßen einheitlicher deutscher Volksstamm, von dem einer seiner größten Söhne, der Humanist und Reformator Johannes Honterus (1498-1549), im Jahre 1532 behauptete, sie wären „nicht der unbedeutendste Teil der deutschen Erde“, während ihn der deutsche Dichter Martin Opitz (1597-1639) als germanissimi Germani, also als sehr deutsche Deutsche bezeichnete.

König Andreas II. verlieh „unseren teutonischen siebenbürgischen Gästen“ (hospites nostri Theutonici Ultransilvani) im Jahre 1224 einen „Goldenen Freibrief“, der für die Sachsen von Broos bis Draas – mit dem Verwaltungssitz in Hermannstadt – gültig war und ihre besondere Entwicklung durch Jahrhunderte bestimmt hat. In weiteren Urkunden von 1225 und 1238 werden die „Sachsen“ von Karako und Crapundorph wieder genannt, während andere Urkunden von 1231, 1234 und 1241 die „Teutonen“ erwähnen.

Aus dem Jahre 1252 erfahren wir, dass der Sachse Fulkun beim Mongoleneinfall von 1241 umkam und dass es ein Gebiet der Saxones de Barasu, das heißt der Sachsen aus dem Burzenland gab, in das der Deutsche Ritterorden am Anfang des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler gebracht hatte. Im Jahre 1277 machten die Sachsen unter Gaan von Salzburg einen Aufstand gegen den Bischof von Siebenbürgen und verheerten die Kathedrale in Weißenburg. In den Urkunden darüber ist von der gens Saxonica (dem sächsischen Stamm) die Rede. Schließlich erwähnt die Verfassungsurkunde des ungarischen Königs Andreas III. (1290-1301) von 1291 die Saxones Transilvani praedia tenentes et more nobilium se gerentes, das heißt jene Siebenbürger Sachsen, die Landgüter besitzen und sich wie Adlige benehmen.

Die Siebenbürger Sachsen waren in vier Gebieten angesiedelt: um die Städte Hermannstadt, Mediasch, Bistritz und Kronstadt. Im 14. Jahrhundert begannen erste verwaltungsmäßige Annäherungen dieser „Provinzen“, wobei Hermannstadt als größtes Gebiet die führende Stellung innehatte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schlossen sich dann die vier Provinzen zur sogenannten „Sächsischen Nations-Universität“ zusammen, zur Gesamtheit der privilegierten Sachsen, die den dritten Landstand im mittelalterlichen Siebenbürgen bildeten. Im Jahre 1486 bestätigte der ungarische König Matthias Corvinus (1458-1490) den Andreanischen Freibrief von 1224 für alle vier Siedlungsgebiete, was einer staatlichen Anerkennung der Nationsuniversität gleichkam. Diese bestand als oberste politische Verwaltungs- und Gerichtsbehörde des „Sachsenlandes“ oder „Königsbodens“ (weil direkt dem König unterstellt) bis zum Jahre 1876. Danach blieb die Sächsische Nationsuniversität nur noch als Stiftung bestehen, die den sächsischen Gemeinbesitz verwaltete und die Einkünfte aus diesen Liegenschaften kulturellen Zwecken widmete. 1937 wurden diese Güter zwischen der rumänischen Stiftung „Michael der Tapfere“ und der Evangelischen Kirche A.B. aufgeteilt, wobei letztere auch das wertvolle Sächsische Nationsarchiv in Hermannstadt übernahm.

Gernot Nussbächer

Schlagwörter: Geschichte, Genealogie, Siebenbürger Sachsen

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