30. November 2011

Erste deutsche Gastsiedler in Siebenbürgen

Vor 805 Jahren: „Saxones“ und „primi hospites regni“ in Siebenbürgen. Im Jahre 1206 ließ König Andreas II. von Ungarn ein Privilegium für die ersten Gäste des Königreiches ausstellen:
„Die ersten Gastsiedler des Reiches also aus den drei Dörfern jenseits des Waldes (in Siebenbürgen), nämlich Krakko, Krapunendorf und Rumes (primi hospites regni de tribus villis Ultrasilvanis Karako, Crapundorph et Rams), denen Wir nach der Gepflogenheit Unserer Vorfahren Unsere sorgsame Aufmerksamkeit zuwandten und als ganz besonders unter den anderen Gästen des Reiches kennenlernten (…) mit der Huld solcher Freiheiten beschenkt, die sie aus den Freibriefen Unserer Vorgänger hatten.“

Die 805 Jahre alte Urkunde ist nicht nur ein Zeugnis dafür, dass das damalige ungarische Königreich seine ins Land gerufenen Siedler als „Gäste“ bezeichnete, sondern stellt gleichzeitig auch den ersten Beleg für den Namen „Sachsen“ dar. Der König verweist in seinen Schilderungen der herausgehobenen Stellung der Gastsiedler auch auf die „anderen Sachsen“ (alii Saxones). Es muss also davon ausgegangen werden, dass sich zu der Zeit, als die Urkunde ausgestellt wurde, bereits mehr als nur eine Gruppe von deutschen Gastsiedlern im Königreich befand. Der Begriff „Saxones“, also Sachsen, soll jedoch nicht auf die regionale Herkunft der Siedler bezogen werden, sondern steht für einen sozialen Stand. Dieser soziale Stand zeichnet sich dadurch aus, dass die ungarische Kanzlei Zuwanderer aus dem westlichen Europa mit dem Vorrecht ausstattete, nach eigenem Recht zu leben. So kam es im Verlauf der Geschichte dazu, dass der Begriff „Sachsen“ zum Sammelnamen unserer Volksgruppe wurde.

Doch was meinte der König mit „primi“? Meinte er tatsächlich die ersten Siedler oder meinte er die besten bzw. an erster Stelle stehenden unter ihnen? Diese Frage lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Wichtig ist letztlich, dass sie von König Andreas II. mit einer Fülle von Privilegien (Vorrechten) ausgestattet worden sind. In der königlichen Urkunde, welche im „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ im lateinischen Wortlaut, in Ernst Wagners „Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ in deutscher Übersetzung veröffentlicht ist, werden unter anderem die folgenden Rechte genannt: „Sie sollen in keiner Weise gezwungen werden können, sich bei der Erledigung ihrer Streitsachen vor irgendeinem Richter zu verantworten (...), auch von der Zahlung der Steuern (...) sollen sie ausgenommen sein (...). Wir gestatten ihnen auch, dass sie nach dem Herkommen ihres Volkes leben und weder von den Weinbergen, die sie gepflanzt haben, irgend jemand Abgaben leisten noch von Schweinen und ihrem sonstigen Vieh, das in ihrem freien Wald weidet, irgend jemand etwas unter irgendwelcher Bezeichnung von Zehnten oder Abgaben liefen müssen.“

Diese Befreiungen führten nicht nur zu einer finanziellen Unabhängigkeit, sondern weisen vor allem auf die herausgehobene Stellung der Siedler hin. Zu jener Zeit genossen für gewöhnlich nur Adlige solche Privilegien. Daher geht man davon aus, dass diese Siedler den deutschen Ministerialen entstammten, die im Dienste des Königs von Ungarn standen und für ihre Arbeit mit Siedlungsland entlohnt worden waren. Somit hatten die hier genannten Gastsiedler wahrscheinlich schon vor der Ankunft der eigentlichen Vorfahren der Siebenbürger Sachsen (welche ihre umfassenden Privilegien im Andreanum des Jahres 1224 erhalten) begonnen, Ortschaften zu gründen und sich mit Landwirtschaft zu beschäftigen. Erstaunlich ist dabei, dass die Vorfahren der „ersten Siebenbürger Sachsen“ auf diese „ersten Gastsiedler“ im Königreich getroffen sein mussten. Aus der einst heterogen durchmischten Siedlergruppe, die in mehreren Etappen in das Land „jenseits der Wälder“ gesiedelt ist, entstand mit der Zeit eine Volksgruppe, die sich heute trotz Verstreuung und neuer Heimat als eine Einheit versteht.

Doris Zakel

Schlagwörter: Geschichte, Siebenbürgen

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