4. Juni 2019

Siebenbürgisch-sächsischer Polizist als großer Helfer der Europawahlen in München gefeiert

Der siebenbürgisch-sächsische Polizist Martin hat sich bei den Europawahlen vor dem rumänischen Generalkonsulat am 26. Mai in München als großer Helfer in Not erwiesen. Der 31-Jährige hat mit seinem Mitgefühl und organisatorischen Talent die Herzen der rumänischen Wähler im Nu erobert. In sozialen Medien wird er als Held gefeiert. Im folgenden Interview gibt Martin (seinen Nachnamen möchte er in der Öffentlichkeit nicht preisgeben) darüber Auskunft, was am Wahlabend in München geschah, welches seine Motivation war, bayerischer Polizist zu werden, und wie es dazu kam, dass er eine starke Bindung zu Siebenbürgen aufgebaut hat und heute noch pflegt. Die Fragen stellte Siegbert Bruss, Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung.
Bei den Europawahlen am 26. Mai sorgten kilometerlange Warteschlangen vor dem rumänischen Generalkonsulat in München, ähnlich wie in anderen Großstädten Europas, für große Aufregung. Wie sind Sie als Beamter des bayerischen Unterstützungskommandos (USK) mit dieser Situation umgegangen?

Wir beim bayerischen USK sind ausgebildet, um bei Großveranstaltungen mit besonderem Gefährdungspotenzial eingesetzt zu werden, bei denen mit Gewalt oder Straftaten der Teilnehmer zu rechnen ist. Die Situation am Konsulat war vor unserem Eintreffen durchaus als angespannt zu bezeichnen. Die Wartenden schienen kein Ende zu haben, aber die Zeit zur Stimmabgabe war begrenzt. Die Stimmung heizte sich dementsprechend auf und die Sprechgesänge der Wähler wurden immer hitziger. Die Situation war für mich nicht neu, da ich meine Frau im November 2014 zur Stimmabgabe bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen begleitet hatte. Wir warteten acht Stunden lang in der Schlange, aber erfolglos. Die Emotionen waren mir bekannt, und ich konnte mich gut in die Menschen hineinversetzten. Deshalb teilte ich meinem Vorgesetzten mit, dass die Menschen lediglich wählen wollten und mit keiner Gewalt zu rechnen sei. Ich bot ihm an, im Notfall mit dem Megaphone zu vermitteln, da ich mir im Laufe der letzten Jahre selbst etwas Rumänisch beigebracht habe. Durch viel Kommunikation auch seitens anderer eingesetzten Kräfte konnten wir die Situation zügig entschärfen und die getroffenen Maßnahmen transparent machen. Zum Einsatzerfolg führte vor allem die Bereitschaft der Wähler, die Ruhe zu bewahren und der Polizei zuzuhören.
Auf der Website PressOne berichtet der Journalist ...
Auf der Website PressOne berichtet der Journalist Vlad Ursulean über den erfolgreichen Einsatz Martins und seiner Kollegen von der bayerischen Polizei.
Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, hat die Münchner Polizei für ihren Einsatz viel Lob in sozialen Netzwerken und rumänischen Medien bekommen. Wie haben Sie persönlich diese Stunden erlebt?

Ich habe während des Einsatzes immer die Nähe zu den Menschen gesucht und versucht, zu vermitteln oder einfach auch nur zuzuhören. Durch mein gebrochenes Rumänisch kam ich schnell ins Gespräch und konnte in gewisser Weise Sympathie für uns sammeln. Die Menschen waren sehr dankbar und stimmten in Dankeshymen über die Polizei ein. Umso schwerer fiel es mir, die Menschen zu informieren, als die Wahllokale geschlossen wurden. Ihre Enttäuschung und Wut konnte ich gut nachempfinden. Als Polizist ist man der Neutralität verpflichtet, aber man schwört zum Ende der Ausbildung auch auf das Grundgesetz und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Daher fiel es auch vielen anderen Kollegen in diesem Moment schwer, neutral zu bleiben, blieben doch den Menschen vor Ort genau diese Grundrechte verwehrt. Als sich die Menschen trotz allem dankbar gegenüber der Münchner Polizei zeigten, ging mir das sehr nahe und mir kamen auch die Tränen. Dankbarkeit ist man in unserem Beruf nicht gewohnt. Die Gesellschaft achtet meiner Meinung nach eher auf Fehler oder Skandale, während sich das Positive selten als Schlagzeile verkaufen lässt. Dass so viele Menschen, trotz Enttäuschung, ihre Dankbarkeit zeigten, hat zum Erfolg des Einsatzes geführt. Hätte nur einer der Wähler die Nerven nicht behalten, dann hätten auch andere Bilder entstehen können. Daher gilt es an der Stelle auch Danke an die rumänischen Wähler vor Ort zu sagen, die zwar emotional aber sehr friedlich und entspannt geblieben sind. Danke!
Der Polizist Martin bewährte sich beim Einsatz ...
Der Polizist Martin bewährte sich beim Einsatz vor dem Rumänischen Generalkonsulat in München.
Weshalb haben Sie sich beruflich für die bayerische Polizei entschieden?

Ich wollte nie etwas anderes arbeiten. Seit meiner Kindheit träume ich davon, Polizist zu werden. Ich wollte immer schon helfen und hatte das Bedürfnis nach Gerechtigkeit, daher liegt der Beruf sehr nahe. Als ich meine Ausbildung 2007 begann, wurden noch sehr wenige Polizisten eingestellt, und ich musste mich lebenslänglich zum Dienst nach München melden, um bessere Chancen zu haben, übernommen zu werden. Aber das hat mich nicht abgeschreckt und inzwischen mache ich meinen Dienst sehr gerne in München, obwohl es diese lebenslängliche Verpflichtung nicht mehr gibt und ich auch nach Nürnberg gehen könnte.

Sie sind als Zweijähriger mit Ihren Eltern und drei Geschwistern aus Rumänien ausgewandert und im Nürnberger Land aufgewachsen. Wie ist Ihre starke Bindung zu Siebenbürgen entstanden?

Meine Eltern sind regelmäßig mit uns nach Siebenbürgen gefahren. Wir besuchten Freunde und Familie und hatten noch einen Hof, nach dem man immer mal wieder sehen muss. Meine Verbindung zu Siebenbürgen ist daher mit dem Aufwachsen Schritt für Schritt entstanden. Jedes zweite Jahr kamen wir zum Heimattreffen in Deutsch-Weißkirch zusammen. Das war in meiner Kindheit und Jugend der Höhepunkt im Jahr. Ich konnte dort viel Spannendes erleben und viele Freunde wiedersehen. Dort habe ich auch die Liebe meines Lebens alle zwei Jahre getroffen, welche ich dann 2014 heiraten durfte. Spätestens durch die Heirat ist Siebenbürgen meine Heimat geworden. Ich verbringe jedes Jahr ein paar Wochen in Rumänien und genieße die Zeit in der Heimat. Die überall herrschende Höflichkeit und Herzlichkeit haben es mir sehr angetan, und als ich einen Monat Elternzeit in Rumänien verbrachte, erwischte ich mich immer wieder dabei, darüber nachzudenken, doch eines Tages wieder zurückzuwandern. Dafür muss ich allerdings erst mal meine Sprachkenntnisse aufbessern. Mein Rumänisch ist schlecht, da wir zu Hause natürlich nur siebenbürgisch-sächsischen Dialekt gesprochen hatten. Meine Tochter wächst nun dreisprachig auf: siebenbürgisch-sächsisch, rumänisch und deutsch.
Zusammengefasst macht Rumänien das aus, was mich auch ausmacht: Herzlichkeit, Freude sowie die Liebe und Leidenschaft am Leben.

Schon um die Mittagszeit warteten Tausende Wähler ...
Schon um die Mittagszeit warteten Tausende Wähler vor dem rumänischen Generalkonsulat in München. Foto: Mihaela Kloos-Ilea
Zwei Lokale in Kronstadt, Ihrem Geburtsort, haben Sie zum Ehrengast ernannt. Sie können nun dort lebenslang kostenlos essen und trinken. Werden Sie diese Angebote annehmen?

Ich habe mich durch das Angebot sehr geehrt gefühlt. Als Polizeibeamter darf ich keine Vorteile annehmen, was in diesem Fall möglicherweise gegeben wäre. Es geht hier aber um das Übermaß. Ich werde mit den zuständigen Stellen sprechen und vermutlich gibt es nichts dagegen einzuwenden, mich bei den Lokalen zumindest persönlich beim nächsten Aufenthalt zu bedanken und mir ein oder zwei Bier schmecken zu lassen. Ich stehe mit den Besitzern in Kontakt und habe sie über die Thematik aufgeklärt.

Besten Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

Externe Links:

Bayerische Rundfunk: Nach Europawahl-Einsatz: Rumänen loben Münchner Polizei

Martin, polițistul român din München: ”Am plâns de furie și frustrare”

Schlagwörter: Europawahlen, Wahlen, Rumänien, Polizei, Bayern, Kronstadt, Deutsch-Weißkirch

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Neueste Kommentare

  • 04.06.2019, 23:33 Uhr von Zacken: Herzlichen Glückwunsch für dieses einfühlsame Interview (aus aktuellem Anlass) ! [weiter]

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