1. November 2021

Evangelische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt festlich eingeweiht

„Eine Kirche ist nicht schon dann eine Kirche, wenn sie fertig gestellt und eingeweiht ist. Eine Kirche wird eine Kirche mit jedem Kind, das darin getauft ist; mit jedem Gebet, das darin gesprochen wird, und mit jedem Toten, der darin beweint wird. Dieser Ort wird ein heiliger Ort, indem Menschen ihn heiligen mit ihren Tränen und mit ihrem Jubel.“ In seiner Predigt fasste Stadtpfarrer Kilian Dörr zusammen, was die evangelische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt alles bedeutet, deren Einweihung an drei Tagen, vom 8. bis 10. Oktober, ausgiebig gefeiert wurde.
Innenansicht: Heller und freundlicher ist der ...
Innenansicht: Heller und freundlicher ist der Innenraum der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Dadurch kommt auch das minutiös gereinigte und restaurierte Orgelsprospekt aus der Barockzeit besser zur Geltung. Foto: Fred Nuss (HZ)
Das reichhaltige Programmangebot war für alle Altersklassen und Geschmäcker gedacht und nicht nur die Mitglieder der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde A.B. nahmen es wahr. Insofern war die Wiedereinweihung der evangelischen Stadtpfarrkirche knapp vor Abschluss des zweiten Bauabschnitts der Renovierungsarbeiten ein Fest für die Stadt selbst, aber auch für die Partnergemeinden aus dem Ausland. Eigens angereist war u.a. eine kleine Delegation von der evangelischen Pfarrgemeinde Johanneskirche mit Pfarrer Lutz Lehmann an der Spitze. Nicht zuletzt stellt die Stadtpfarrkirche ein wertvolles Kulturerbe für Rumänien insgesamt dar und dies war wohl auch einer der Gründe, die Staatspräsident Klaus Johannis bewogen, gemeinsam mit seiner Gattin Carmen Johannis der Einladung zum Einweihungsgottesdienst am Sonntag, den 10. Oktober, Folge zu leisten.

2007, als Hermannstadt gemeinsam mit Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt war, stellte nicht nur für den damaligen Bürgermeister Klaus Johannis eine Herausforderung dar. Es war auch das Jahr, in dem die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt stattfand, und die evangelische Kirchengemeinde erfuhr, dass ihre Stadtpfarrkirche einsturzgefährdet ist. Der Innenraum der Kirche musste abgesichert werden, nachdem sich Stücke aus dem Gewölbe gelöst hatten und hinuntergefallen waren. Die Sanierungsmaßnahme im Rahmen des von der EU geförderten Regionalen Operationellen Programms wurde 2008 in Angriff genommen. Im Oktober 2010 wurde der Finanzierungsvertrag für das EU-Projekt zur Sicherung des 700 Jahre alten Dachstuhls und des Gewölbes unterzeichnet, 2011 war Baubeginn und nach dreieinhalb Jahren, Mitte August 2014, wurde die Sanierung des Kirchendaches abgeschlossen. Bei den Arbeiten kamen immer mehr Mängel zum Vorschein und machten ein Nachfolgeprojekt unumgänglich. Es sollte unter dem genauen Titel „Die Aufwertung des Kulturerbe-Gebäudes – die evangelische Stadtpfarrkirche A.B. in Hermannstadt – durch Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten an dem Gebäude sowie die Modernisierung der umgebenden Infrastruktur, Huetplatz, Hermannstadt, Kreis Hermannstadt“ als EU-Projekt aus dem Regionalen Operationellen Programm für die Zeitspanne 2014-2020 gefördert werden, wobei der Finanzierungsvertrag am 11. April 2017 unterzeichnet wurde.
Martinsberger Orgel und Bachchor: Mit ...
Martinsberger Orgel und Bachchor: Mit Stadtkantorin Brita Falch Leutert an der Martinsberger Orgel ließen einige Mitglieder des Hermannstädter Bachchors unter der Leitung von Musikwart Jürg Leutert u. a. die Chorale „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ und „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach erklingen. Foto: Cynthia Pinter
Ebenfalls im Jahr 2007 zeichnete am 30. September ein Team des ZDF den Sonntagsgottesdienst auf. Die Aufzeichnung wurde am 14. Oktober ausgestrahlt und kann als Geburtsstunde der Sanierung der Stadtpfarrkirche angesehen werden, denn sie führte zu einer großzügigen Anschubfinanzierung durch private Spenden. So konnte man aus den Kollekten, die zum Teil von der Heimatgemeinschaft der Hermannstädter in Heilbronn gesammelt und geschickt wurden, ein aufwändiges Schutzgerüst einbauen lassen, und von den Zuwendungen des evangelischen Fabrikanten Helmut Kreutz, der mit seiner Frau Elfriede ebenfalls die Übertragung gesehen hatte, konnten die Planungsarbeiten in Auftrag gegeben und das erste EU-Projekt beantragt werden.

Nicht zuletzt wurde 2007 in einem Haus der evangelischen Kirchengemeinde in der Fleischergasse die Behindertenwerkstatt gegründet. So kam es, dass einige der dort Betreuten in die Feierlichkeiten eingebunden wurden.

In der Ferula der evangelischen Stadtpfarrkirche wurde am Freitagmittag die Martinsberger Orgel und der vorreformatorische Altar der Hermannstädter Stadtpfarrkirche eingeweiht. Zu Beginn lud Musikwart Jürg Leutert alle zum Singen des Kanons „Vom Aufgang der Sonne“ ein. Es folgte die Segnung der Orgel und des Altars durch Hans Georg Junesch, Dechant des Kirchenbezirks Hermannstadt, Pfarrer Michael Reger und Pfarrer Gregor Schmoly von der Johanneskirche aus Klagenfurt.

Den Klang der Orgel konnten die Besucher gleich mehrmals bewundern, denn das Musikerehepaar Jürg Leutert und Brita Falch Leutert gab, begleitet von einigen Mitgliedern des Hermann­städter Bachchores, mehrere Kostproben. Die Martinsberger Orgel wurde 1811 von Samuel Joseph Maetz gebaut und stand bis vor drei Jahren in der Martinsberger Kirche. 1980 wurde die Orgel von Hermann Binder einer Generalreparatur unterzogen. Im November 2018 wurde alles, außer dem Gehäuse und der Balganlage, in die Werkstatt der Firma SC COT SRL in Honigberg transportiert, um repariert zu werden. Im Lauf der Planung für die Renovierung der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt stellte sich heraus, dass der Turmfuß der Ferula ein idealer Ort für die Martinsberger Orgel ist, wo sie nun auch aufgestellt wurde. Der Orgelrestaurator Ferdinand Stemmer von der Firma SC COT SRL sprach über die Restaurierung und den Aufbau auf der neuen Empore der Martinsberger Orgel. Er verriet, dass das fehlende Register, die „Vox Humana“, in Honigberg gebaut und nun in der Orgel neu eingebaut wurde. Der vorreformatorische Altar wurde 1720 aus der Stadtpfarrkirche in die Elisabethkirche gebracht und stand bis zu deren Abriss 1868 dort, wurde dann in die Ursulinenkirche und in die Ferula gebracht, wo er bis Anfang der 1980er aufbewahrt worden war. Nun kann der vorreformatorische Flügelaltar zusammen mit der Martinsberger Orgel in der Ferula der Stadtpfarrkirche bewundert werden. Der heute im Chorraum stehende neugotische Altar stammt aus dem Jahr 1855.

In dem Einweihungsgottesdienst am Sonntag boten die Neppendorfer Vikarin Angelika Beer (A. B.) und Stadtpfarrer Kilian Dörr (K. D.) eine Dialog-Predigt, und die begann so: A.B.: „Neue Steine auf dem Fußboden, eine neue, helle Farbe an den Wänden, neue Lampen an den Seiten. Ein frischer Wind weht durch diese schöne alte Kirche. Der Kirchenraum wirkt viel breiter als vorher – es lässt sich anders atmen darin.“ Man kann dem nur zustimmen, was auf der Homepage der Hermann­städter evangelischen Kirchengemeinde A.B. zu lesen ist: ,,Die Stadtpfarrkirche von Hermannstadt ist im Laufe der Geschichte mit zahlreichen Attributen belegt worden: Als ,merckwürdigstes Gebäude Hermannstadts‘, wird sie in einem Reisebericht bezeichnet; der Hermannstädter Gelehrte Emil Sigerus nannte sie eine wahre ,Gedenkhalle‘ der Siebenbürger Sachsen. Heute ist sie viel mehr: ein Wahrzeichen der Stadt Hermannstadt.“ Die Aufzeichnung des Einweihungsgottesdienstes finden Sie unter https://www.facebook.com/EvangKircheHermannstadt/videos/197448785800023/.

Cynthia Pinter, Beatrice Ungar

(gekürzt aus der Hermannstädter Zeitung)

Schlagwörter: Hermannstadt, Stadtpfarrkirche, Einweihung, Festakt, Gottesdienst, Orgel

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