20. März 2022

Evangelische Kirche in Rumänien hilft ukrainischen Flüchtlingen

Es sind Bilder wie aus dem Zweiten Weltkrieg. Frauen und Kinder, Alte - und selten auch Männer - auf der Flucht in ein ungewisses Morgen. Mittendrin und rundherum beherzte Helfer, die sich bemühen, das Leid mindestens ein wenig zu mildern, aber wer kann das schon? Inzwischen haben seit Anfang des Krieges fast 400 000 Schutzsuchende die rumänische Grenze überschritten.
„Viele kommen mit ihrem Haustier im Arm“, berichtet Christiane Lorenz, Diakoniebeauftragte der Honterusgemeinde in Kronstadt, „sie nehmen lieber ihre Katze mit als die nötigen Kleider. Ich verstehe das völlig. Leben kann man nicht zurücklassen.“ Es sind Schicksale, die uns begegnen, und nicht nur statistische Daten. Es ist die Mutter mit drei Kindern, die ihren Mann zurücklassen musste und sich an der Hoffnung festklammert, dass eine Kindheitsfreundin ihr in Prag helfen wird. Es ist die Großmutter, die schon den Weltkrieg miterlebt hat, und nur noch stumm den Kopf schütteln kann. Es ist das ältere Ehepaar, das keinen Mut hat, mit ihrer sowjetischen Klapperkiste weiter zu reisen, weil die grüne Versicherungskarte fehlt …

Geflüchtetes ukrainisches Mädchen mit Katze im ...
Geflüchtetes ukrainisches Mädchen mit Katze im Kleinbus. Foto: Flüchtlingshilfe EKR
Und auf der anderen Seite ist es eine Zivilgesellschaft, die mit großer Empathie und immer wieder auch Pannen versucht, den Herausforderungen gerecht zu werden. Niemand konnte es voraussehen, und trotzdem wurden in einem der wirtschaftlichen Schlusslichter der Europäischen Union ungeheure Ressourcen freigesetzt. Mittendrin die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, die wegen ihrer drastisch gesunkenen Mitgliederzahl von so manchem schon seit Jahren abgeschrieben wurde. Aber siehe, sie lebt! Sie lebt, weil sie aus den Gemeinden heraus in Werken und zusammen mit Freunden sofort und ohne Zögern die Aufgaben angenommen hat, die Gott ihr vor die Füße gelegt hat. Übernachtungen in Hermannstadt, Neppendorf, Kronstadt, Wolkendorf, Michelsberg, Pruden, Seligstadt werden zur Verfügung gestellt, im Lukas Spital von Lasseln werden Traumatisierte aufgenommen, von der Grenze werden Menschen abgeholt. Hilfstransporte werden an die Grenze und über sie hinübergefahren. Spontane Lerngelegenheiten für ukrainische Kinder werden in Kronstadt, Mediasch, Hermannstadt und Michelsberg organisiert, Menschen werden zu Zügen gebracht und ihnen zur Weiterreise geholfen. Freiwillige bringen Essen und Trinken auf die Bahnhöfe und helfen den Transitreisenden. Am Sonntag wird der Gottesdienst spontan übersetzt, und die Mitarbeiter stehen rund um die Uhr für Gespräche zur Verfügung. Ja, das alles machen engagierte evangelische Pfarrer und Gemeindeglieder, Freunde aus Vereinen und spontane Initiativen, und sie tun es jenseits ihrer klassischen Dienstbeschreibung. Es sind Zeichen des Lebens.

Zu alledem hat sich auch das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien verantwortlich bekannt und versucht, Koordination und Mittelbeschaffung zu unterstützen. Um die westlichen Regionen und Aktionen (Hermannstadt, Mediasch und Mühlbach) bemüht sich Pfarrerin Bettina Kenst (E-Mail: bettina_kenst@yahoo.de, Telefon: 00 40 / 7 35 16 94 83) um die östlichen (Kronstadt, Schäßburg, Bukarest, Bukowina) Diakoniebeauftragte Christiane Lorenz (E-Mail: christiane.lorenz@biserica-neagra.ro, Telefon: 00 40 / 7 29 02 08 82), Hauptanwalt Friedrich Gunesch stellt die Verbindung zu der Kirchenzentrale her und Stefan Cosoroabă koordiniert das Notwendige. Gerne lassen sich alle ansprechen und anfragen.

Doch die große Frage bewegt alle: Was wird sein, wenn Menschen auf unbegrenzte Zeit bei uns bleiben wollen? Was dann? Dann muss ein anderer Gang eingeschaltet werden. Dazu hat Hauptanwalt Gunesch über den HOG-Verband und die Siebenbürgische Zeitung einen Aufruf in die siebenbürgische Gemeinschaft gestartet, um Wohnraum für längere Zeiträume zu identifizieren. Fühler werden ausgestreckt, um Arbeitsmöglichkeiten zu finden, juristische Fragen zu behandeln und nicht zuletzt, um Unterrichtsformen zu institutionalisieren. Wir sehen bang in die Zukunft, aber dann doch im Vertrauen auf den, der alles in seinen Händen hält.

Danke allen Engagierten, den Freunden und Partnern, die sich bislang eingesetzt haben und es auch weiterhin tun. Bitte bleibt uns treu!

Stefan Cosoroabă, Wien/Hermannstadt


Schlagwörter: Ukraine, Krieg, Flucht, Flüchtlinge, Rumänien, Kirche, EKR, Cosoroaba, HOG, Siebenbürgische Zeitung

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