25. August 2003

Nichts geht über gute Beziehungen

Mitte Juni diesen Jahres hielt sich das Ehepaar Hannak in Siebenbürgen auf. Der nachfolgende, lesenswerte Bericht, in dem Christof Hannak seine Reiseeindrücke schildert, enthält manches kuriose Detail.
Eine Fahrt in die alte Heimat hat den Vorteil, dass man sich zweimal freut, einmal beim Hinfahren und dann, wenn man wieder nach Hause kommen kann. So folgten wir Mitte Juni einer Einladung zum 40-jährigen Hochschultreffen in Kronstadt, fuhren am ersten Tag die 1 400 km Autobahn bis Szeged und am zweiten Tag 450 km Landstraße bis nach Kronstadt. Bald klebten alle möglichen Vignetten an unserer Windschutzscheibe, denn man muss in Österreich eine Autobahnvignette kaufen und auch in Ungarn, wo man dazu noch zweimal Maut zu zahlen hat. Die Straßen sind gut, besser als in Rumänien, ja sogar besser als in Deutschland.

Ungarn verdient es, in die EU aufgenommen zu werden. Es ist wirtschaftlich weitaus besser dran als Rumänien, denn es ließ ausländische Investoren ins Land: Shell, Coca-Cola, OBI, Aldi usw. Das merkt man schon am Wechselkurs. In Ungarn ist der Euro 222 Forint wert, in Rumänien 38 000 Lei. An der Grenze bei Hegyeshalom muss man zwar Schlange stehen, die Abfertigung geht dann aber so zügig vor sich wie im Westen. Nach Rumänien wählten wir den neuen Grenzübergang Turnu, weil man dort angeblich nicht so lange steht wie in Nadlac. Mit Beziehungen geht noch immer manches leichter. Wir warteten 25 Minuten, als ein etwas verrosteter Dacia am Kontrollhäuschen nebenan hielt, das geschlossen hatte. Der Fahrer stieg aus, ging ins Büro und kam mit einem Grenzer zurück. Der öffnete jenes Kontrollhäuschen, ließ ihn durch, schloss wieder und ging ins Büro. - Vor mir standen lauter Arader. Was die wohl treiben? Schwarzhandel? Aus einem Auto, das gerade abgefertigt war, lud man 500 Meter landeinwärts "Ware" in ein anderes Auto um. So fand die mobile Zollwache ein paar Kilometer weiter wahrscheinlich nichts Verdächtiges mehr in dem Wagen, der gerade die Grenze passiert hatte. Bei Arad kam die Fabrik, von der aus früher immer gelbe und blaue Rauchwolken zum Himmel stiegen. Der Betrieb ist stillgelegt, wie in vielen anderen Fällen auch.

Der Verkehr ist weitaus dichter als früher. Vor allem Nutzfahrzeuge beleben die Straßen, aber auch Pkws, jedoch kaum noch Dacias und Oltcits, sondern westliche Marken (Mercedes, BMW, VW), teilweise ganz neue Wagen. Vor allem Bukarester fahren solche und sind rücksichtslos und frech im Verkehr (gefährliches Überholen, überhöhte Geschwindigkeit, nehmen einem die Vorfahrt). Bei dieser Dürre führten Mieresch und Alt wenig Wasser und der Weizen auf den Feldern war 30 cm hoch, aber schon gelb und erntereif. Auch Mais und Kartoffeln waren niedrig. Gegen Abend sah man Menschen, das Auto am Straßenrand geparkt, ihren Streifen Feld bearbeiten, mit der Hacke zwischen den Mais- oder Kartoffelreihen, wie vor 50 Jahren. Jemand sagte mir, man bekäme keinen Kredit von den Banken, um landwirtschaftliche Maschinen zu kaufen. Dabei wimmelt es überall von Banken. In Kronstadt zählte ich mindestens 15. Mit wem machen die wohl ihre Geschäfte? Etwa 10 Prozent der Bevölkerung hat sich gesund gestoßen, der Rest ist arm. Es gibt nur sehr Reiche und sehr Arme. Man bekommt zwar alles, aber die Kaufkraft der Bevölkerung ist äußerst gering, vor allem bei den Rentnern, bei denen durchaus eine Nebenkostenrechnung in Rentenhöhe ins Haus flattern kann. Ein Rentner erhält umgerechnet etwa 60 bis 70 Euro Rente im Monat, die ehemalige Direktorin einer Schule sogar 80 Euro. Jeder sucht einem Nebenjob nachzugehen, selbst als Rentner. Das sah ich auch bei meinen Hochschulkollegen, deren Kinder heute zum größten Teil im Westen leben; ausgereist meist nach der Wende. Der frühere Dekan einer Kronstädter Fakultät, Prof. Dr. Ing. mit Dissertation in Russland, züchtet Rosen. Zu den Schlussfeiern der Gymnasien hat er 4 000 davon verkauft. Wie soll sich so einer einen Kühlschrank für 23 399 000 Lei kaufen, eine Waschmaschine für 11 799 000 Lei oder einen Sony-Fernseher für 33 299 000 Lei? Die Trikolore weht jedoch überall, auf der Zinne, an Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden. Das kostet ja nichts. Manches ist wie früher, z.B. 35 Minuten Schlange stehen bei der Post. Inzwischen sind die Menschen besser und geschmackvoller angezogen. Sie beziehen ihre Kleidung aus Second-Hand-Läden, die es überall gibt. In Zeiden fand ich Romas, die westliche Kleidung am Flohmarkt an der Kirchenburgmauer verkauften.

Im Zentrum von Kronstadt findet man keinen Parkplatz, weil viele ein Auto haben. Auch besitzen viele ein Handy und surfen an ihrem PC im Internet. Sie treiben Sport, starten ihren Paraglider nahe der Seilbahn-Bergstation am Schuler, fahren auf den Schulerau-Serpentinen mit ihren Mountain-Bikes oder in der Stadt mit Rollerblades. An einem Vormittag zog sogar eine Kolonne von Rollerbladesfahrern unter dem Schutz der Polizei durch die Kronstädter Klostergasse.

Bemerkenswert ist ferner, dass, da die Brille meiner Frau zerbrochen war, sie für 11 Euro einen neuen italienischen Rahmen bekam, in den man die alten Gläser innerhalb einer halben Stunde eingepasst hatte. Für 5 Euro pro Person fuhren wir mit einem Mercedes-Kleinbus vom Kronstädter Bahnhof nach Braila. Ziel war das Donaudelta. Überall roch es nach Linden, die zwei Wochen früher blühten als sonst. Überall Schulabschlussfeiern, ob auf den Brettern in Hermannstadt oder in der katholischen Kirche von Kronstadt. Die obere Schuler-Schutzhütte (Touring-Club) ist abgebrannt. Viele neue Kirchen wurden gebaut, in Predeal eine ganz moderne, in der Schulerau eine Holzkirche und in Tartlau steht eine im Rohbau neben der Kirchenburg. Aber als Bauruine, denn es ist kein Geld mehr da. Trotzdem schlagen die Frauen das Kreuz, wenn sie daran vorbeigehen. Störche nisten weiterhin in Schirkanyen, Petersberg, Wolkendorf, Tartlau oder sonstwo und sind Zeugen all dieser Umwandlungen.

Christof Hannak

Schlagwörter: Reisebericht, Kronstadt, Burzenland

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