7. Juli 2004

Rumänien ist besser als sein Ruf

Ihre vielfältigen Eindrücke von einer Studienreise nach Rumänien (vom 28. Mai bis 11. Juni) mit Dr. Michael Kroner schildert die Teilnehmerin Elke Traiser in ihrem nachfolgenden Reisebericht.
Da standen nun gut 30 Leute auf dem Parkplatz hinter dem Hauptbahnhof in Nürnberg, verluden ihr Gepäck in einen funkelnagelneuen, schneeweißen Bus des Reisebüros Pletl mit Busfahrer Andreas, wurden vom Reiseleiter Dr. Michael Kroner begrüßt, stiegen ein und los ging es auf eine 15tägige Rundreise nach Rumänien. Weitere Mitfahrer kamen in Ingolstadt und von München hinzu.

Viel hatten wir uns vorgenommen: über die Puszta, im Norden Rumäniens beginnend, in weitem Bogen nach Osten in die Bukowina und Moldau, weiter bis an die ukrainische Grenze nach Süden ins Donaudelta und ans Schwarze Meer, den Bogen weiterführend über Bukarest und dann – endlich – nach Siebenbürgen. An der rumänischen Grenze stieg noch Frau Violeta Anghel vom Reisebüro ONT Carpati zu und sorgte für unsere Betreuung in Rumänien.

Studienreise nach Siebenbürgen: Großau - siebenbürgische Gemeinde mit vielen Storchennestern. Foto: Elke Traiser
Studienreise nach Siebenbürgen: Großau - siebenbürgische Gemeinde mit vielen Storchennestern. Foto: Elke Traiser


Um es vorweg zu nehmen: wir haben das ganze Programm geschafft, wir haben unendlich viel gesehen und erlebt und werden mit dem Sortieren von Eindrücken im Kopf und dem Begutachten von Fotos noch eine ganz lange Weile beschäftigt sein. Aber schön der Reihe nach. Schon die Kutschenfahrt durch die Puszta, zeigte uns, dass wir uns auf „befremdlichen“ Terrain bewegten. Doch als wir nach der Besichtigung der langhörnigen Grauochsen, den Ringelhornzockelschafen und Wollschweinen die schwarzen Büffel in der Suhle zu Gesicht bekamen, da tauchten zum ersten Mal heimatliche Erinnerungen auf – ach ja, solche gab und gibt es auch bei uns. Und während unserer Reise konnten wir in Siebenbürgen des öftern Büffel auf der Weide grasen sehen.

Inzwischen fahren wir durch die Maramuresch – es ist Pfingstsonntag – Holzkirchen inmitten halbverwildeter Friedhöfe, Scharen von Menschen in malerischer Tracht in den Kirchlein, oder kniend und betend um das Gotteshaus, das nicht alle fassen kann, und danach auf den Dorfstraßen spazierend gehend oder vor den holzgeschnitzten Toren sitzend und uns freundlich zuwinkend. Der „Heitere Friedhof“ von Sapanta erweist sich als Touristenattraktion, und wer der die rumänische Sprache versteht, amüsiert sich an den Inschriften der buntbemalten Grabholzkreuze. Weiter geht es über den Prislop-Pass, wobei uns die verschneiten Bergkuppen des Rodna-Gebirges grüßen, in die Bukowina, wo wir tags darauf die im 16. Jahrhundert entstandenen Klöster von Voronet, Moldovita und Sucevita, die zum Weltkulturerbe gehören, besichtigen. Die außen und im Inneren im byzantinischen Stil bemalten Kirchen erzählen uns auf eindringliche Art und Weise, was einem Christ damals vermittelt wurde und war er vielleicht auch heute beherzigen sollte.

Viel Zeit für innere Einkehr bleibt nicht, von Suceava geht es nach Besichtigung der fürstlichen staatlichen Burgruine weiter in Richtung Donaudelta. Vorher noch ein bisschen „patriotischen“ Unterricht: das „Siegesdenkmal“ von Marasesti verleiben wir uns noch als rumänischen Mythos ein. Der Tagesausflug ins Donaudelta läßt dann unseren strapazierten Geist ausruhen und in die Weite schweifen - Schilf, Wasser, wunderbare Wasserlandschaften, Schwärme von Pelikanen und anderen Vögel, alles sehr geruhsam. Nicht lange, denn am nächsten Tag steht schon Bukarest, die Hauptstadt Rumäniens, auf dem Plan, die wir über Konstantza erreichen. Ein große Stadt mit vielen Kontrasten. Ob man will oder nicht, die unseligen Hinterlassenschaften des letzten Diktators Ceausescu sind für die Touristen zur Attraktion geworden, sei es nun die Privatvilla mit stolzierendem Pfau, sei es der großmannsüchtige Palast der Republik mit der langen „Brunnenallee“. Greifbarer Größenwahn läßt einen frösteln. Danach können wir uns im Dorfmuseum am Herastrausee entspannen.

Gut, dass wir am nächsten Tag nach Kronstadt kommen, da werden wir andere Gedanken haben. Eines ist besonders augenfällig, eine Stadt in Siebenbürgen bietet baulich ein anders Bild als eine rumänische Stadt. Mit einiger Phantasie und mit Erinnerungsvermögen kann man sich Kronstadt, Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg und Mühlbach wirklich als schöne, stolze Städte vorstellen. Wir stellen fest, dass Renovieren, Restaurieren und Sanieren dazu verhilft – wir sehen aber auch, dass eine andere Zeit längst begonnen hat und vieles endgültig der Vergangenheit angehört. Beim Bummeln durch die Straßen werden nicht destotrotz Erinnerungen wach.

Historisch noch mehr in die Ferne gerückt, aber den Augen sichtbar, sind die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen. Dr. Kroner bringt uns die Zeit näher, in der diese bäuerlichen Wehranlagen von Tartlau, Honigberg, Homorod, Baaßen, Meschen, Wurmloch und Reußmarkt entstanden sind. All diese ehrwürdigen Kirchenburgen werden mit Mitteln der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, der Heimatortsgemeinschaften und aus anderen finanziellen Mitteln am Leben erhalten und von den wenigen, in den Dörfern verbliebenen Sachsen betreut. Gefragt sind weiterhin Leute, die sich tatkräftig einsetzen, und zu wünschen wäre ein großer Sack mit Geld.

Ganz gegenwärtig erleben wir auf unserer Reise immer wieder Zigeuner, sei es eine Familie auf einem Rastplatz im Schatten eines Baumes, wo sie ein ihr „zugeflogenes“ Huhn sofort rupft und brät, andere die in 10-Liter Eimern Waldbeeren anbieten, oder ein Dutzend Kinder, die uns beim Picknick belagern und gestenreich darauf warten, auch etwas zu bekommen. An kitschigen, mit Türmchen versehenen „Zigeunerpalästen“ sind wir desgleichen vorbeigefahren.

Was bleibt von dieser Reise? Bilder und Eindrücke von einem schönen Land, der blühende Mohn, die Pfingstrosen, die duftenden Akazien- und Lindenblüten, die Störche in den Nestern, die klappernd ihre Jungen füttern. Das geschundene Land erholt sich langsam und besinnt sich darauf, das Wort „Umwelt“ in seinen Sprachgebrauch aufzunehmen. Rumänien, ein Land mit den besten Witzen der Welt, ein Land, in dem das Gemüse noch echten Geschmack hat, ein Land, in dem wir unsere Wurzel haben. Als Touristen haben wir in guten Hotels übernachtet, schmackhaftes Essen und Getränke genossen und sind freundlichen Menschen begegnet. In Rumänien gibt es nicht nur verwahrloste Kinder und streunende Hunde, sondern man begegnet sauber gekleideten Schulkindern auf dem Weg in die Schule oder auf Ausflügen, und Anfang Juni Lyzeumsabsolventen, die in festlicher Kleidung in einem Restaurant in froher Runde „Exitus“ feiern. Rumänien ist in Wirklichkeit besser als sein Ruf in den Medien der Bundesrepublik.

Elke Traiser

Schlagwörter: Reisebericht

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