13. September 2025
Zu Besuch beim Bärenpfarrer
„Dass wir heute hier sind, erfüllt uns mit Freude und aufwühlenden Gedanken.“ Originalton Axel Wenzel, eines der drei Geschwister, Ilse, Axel und Helmut Wenzel (mit Luna, Tochter von Helmut und Ines Wenzel), die zusammen mit einer bunten Reisegruppe aus Heilbronn/Heidelberg/Augsburg/Crailsheim eine größere Nordrumänien-Rundfahrt durch das Nösnerland, die Maramuresch und die Nordmoldau (zu den berühmten Klöstern der Südbukowina) unternommen haben und dabei die Wirkungsstätte ihres berühmt-berüchtigten Vorfahren Johann Groß in Augenschein nahmen. Als direkte Nachkommen, Urenkel und Ururenkel des legendären Bärenpfarrers von Kuschma Johann Groß (1866-1932) war der Besuch in diesem Ort am 7. August nach Mönchsdorf (älteste romanische Kirche hier), einer orthodoxen Kurzandacht in der früheren evangelischen Kirche in Deutsch-Budak und dem sich anschließenden runden Tagesausklang in Jaad im früheren Gehöft Göbbel, neudeutsch gesagt, ein Highlight, de facto ein besonderer Leckerbissen.

Kuschma (auch Auen), 1786 erstmals urkundlich erwähnt, Bistritzer Wasserleitung mit dem Quellenhaus in den Kuschmaner Bergen wird 1911 in Betrieb genommen, 1941: 608 Einwohner, davon: 75 Deutsche (=12,3%), nur eine Familie war 1944 bereit zur Evakuierung, viele der daheim Gebliebenen wurden 1945 in die Sowjetunion deportiert, hohe Verluste, 1992 lebten noch sechs Deutsche hier, heute zählt der Ort noch 28 Evangelische, die nicht mehr sächsisch sprechen. Kuschma war und ist noch wichtiges Jagdrevier (besonders Bären); Nicolae Ceauşescu war hier öfters auf der Jagd. Somit war zunächst die Prunkjagdvilla von Nicolae Ceaușescu am Schwarzen Berg das sehenswürdige Objekt. Dazu konnte Thomas Hartig als früherer Kuschmaner Sachse und auch Wildtreiber beim öfters zügellosen Erschießen von zig Bären durch den früheren Diktator Rumäniens detailreich in deftigem Erzählton einiges aus früheren Zeiten zum Besten geben. Anschließend zogen uns nach einer treffenden Kurzandacht des neuen Bistritzer Stadtpfarrers Andreas Hartig (Sohn von Thomas Hartig und zugleich Reisebegleiter im Nösnerland zusammen mit Horst Göbbel) zur Tageslosung aus Haggai 1,9 und Lukas 11,42 die Brüder Helmut und Axel Wenzel mit klammer Stimme und ordentlich aufgewühlt mit ihren in ihrer Familie tradierten Erinnerungen über ihren legendenumwobenen Urahnen Johann Groß in ihren Bann.

Vom Bärenpfarrer wird erzählt, er habe an einem Sonntag seine Predigt abgebrochen und einen Bären erschossen, was dazu führte, dass er auf Betreiben des damaligen Bischofs Friedrich Müller vom Bezirkskonsistorium hart bestraft wurde, weil er am heiligen Sonntag ein unheiliges Waldwerk betrieben habe, anstatt seinen Gläubigen das Wort Gottes von der Kanzel zu verkünden. Darüber waren sich Helmut und Axel Wenzel einig. In seiner eigenen Verteidigungsschrift schreibt seinerzeit Johann Groß jedoch, er habe die armen Dorfburschen wegen des Treiberlohns an einem Sonntag zur Jagd gehen lassen, den Gottesdienst jedoch mit den Frauen und Kindern eine Stunde früher angesetzt, denn er sei ein guter Hirte, der seine Schafe nicht im Stich lasse. Erst anschließend sei er selber zur Jagd, wobei ihm „das Waidmannsheil zuteil geworden, einen Hauptbären strecken zu können“, wofür er Gott danke „und nehme es an als Zeichen seiner billigenden Gnade“. Der Bärenpfarrer wurde mit 100 Gulden bestraft und legte dagegen keine Berufung ein. „Das Strafurteil hat er als Erinnerung hinter Glas über seinem Gewehrständer angebracht und ist noch viele Jahre ein treuer Diener seines Herrn und ein guter Hirte seiner Schafe, aber auch ein waidgerechter Jäger geblieben, dessen Name als Bärenpfarrer auch in Deutschland rühmlichst bekannt geworden ist“, schreibt die Wochenzeitung Deutsche Zukunft 1935. Der Bärenpfarrer, der sich selber als „Waldschulmeister“ bezeichnete, sei ein „Mann von dröhnender Herzlichkeit, urwüchsigem Humor, voller Herzensgüte zu seiner Gattin und seinen drei Kindern, Hubert, Erika und Hans, eine überragende Vaterfigur für seine Familie und die ganze Gemeinde“ gewesen. „Er verschmolz Familie, Beruf, Jagd und Gastfreundschaft zu einer ihn umgebenden Atmosphäre der Urgemütlichkeit. Kuschma sei glücklich, dass Johann Groß 44 Jahre lang hier wirken konnte!“ (Jost Linkner).

Horst Göbbel
Schlagwörter: Reisebericht, Familienchronik, Nordrumänien
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- 13.09.2025, 13:01 Uhr von Nimrod: Ein sehr beeindruckender Bericht, zur Abwechslung einmal über Nordsiebenbürgens Gegenwart und ... [weiter]
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