6. Oktober 2005

Porr würdigt weltweite Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen

In einer Mut machenden Festrede hat Dr. Paul Jürgen Porr beim Sachsentreffen am 17. September 2005 in Birthälm die effiziente Zusammenarbeit im Rahmen der Föderation der Siebenbürger Sachsen gewürdigt (diese Zeitung berichtete). Dem sprichwörtlichen Gemeinschaftssinn sei es zu verdanken, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zu dem vielfach prophezeiten "finis saxoniae" gekommen sei. Als schillerndstes Beispiel des weltweiten Zusammenhalts führte Porr die Verhinderung des Dracula-Parks bei Schäßburg auf. Die Festrede des Vorsitzenden des Siebenbürgenforums wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Die Siebenbürger Sachsen haben ihren ausgeprägten Gemeinschaftssinn im Laufe ihrer jahrhundertelangen Geschichte stets bewahrt. Das Leben für die Gemeinschaft in all seinen Facetten, in der Nachbarschaft, Schule oder im Gemeindesaal, bei der Ernte oder im Krieg, war ein wichtiger Faktor der siebenbürgisch-sächsischen Mentalität.

Die Vertreter der Siebenbürger Sachsen waren nicht nur loyal gegenüber ihrem Vaterland, wie immer es auch im Laufe seiner wechselhaften Geschichte hieß, sondern kämpften auch entschlossen für ihre Gemeinschaft. So hat Samuel von Brukenthal im besten Sinne der Aufklärung "seinem Volke" gedient. Jüngere Beispiele sind die Mediascher Erklärung nach Ende des Ersten Weltkrieges für den Anschluss an Rumänien oder das Wirken des Abgeordneten Hans Otto Roth im rumänischen Parlament.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Enteignung und Deportation, als mancher das Ende der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerung prophezeite und es oft auch danach aussah, war es wieder der sprichwörtliche Gemeinschaftssinn, der die Siebenbürger Sachsen vor dem "finis saxoniae" bewahrte, wenn auch in einer ganz anderen Form.

Nach der Evakuierung der Siebenbürger Sachsen aus dem Nösnerland im Sommer 1944 und der in den fünfziger Jahren einsetzenden Auswanderung, vor allem nach Deutschland, Österreich, die USA und Kanada, begannen sich die Siebenbürger Sachsen in jeweiligen Landsmannschaften zu organisieren, die vor allem den Zweck hatten, den Neuankömmlingen hilfreich unter die Arme zu greifen. Das ist auch in den meisten Fällen gelungen. Durch die in den siebziger und achtziger Jahren "kontingentiert gestattete Familienzusammenführung" waren bald mehr Siebenbürger Sachsen im Ausland, vor allem in Deutschland, als in der Heimat. Die landsmannschaftlichen Organisationen, anfangs nur aus dem Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD und der eigentlichen Landsmannschaft bestehend, wurden immer komplexer. Es bildeten sich das Sozialwerk der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat, die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland und die Heimatsortsgemeinschaften heraus, um nur einige zu nennen. Die Einrichtungen wurden kontinuierlich vertieft und vernetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass die einzelnen Verbände in Deutschland, Österreich, den USA und Kanada 1983 eine weltweite Dachorganisation schufen - die Föderation der Siebenbürger Sachsen. Die Verbindung zur Heimat ist in diesen Jahren nie abgerissen. Auch wenn die damaligen Spitzenvertreter der Landsmannschaft eine Politik der Auswanderung befürworteten, leistete vor allem das Sozialwerk, trotz des Eisernen Vorhangs, vorwiegend über die Evangelische Landeskirche bedeutende humanitäre Hilfe nach Siebenbürgen.

Kurz nach dem Sturz Ceausescus im Dezember 1989 wurden fast zeitgleich, wieder im besten sächsischen Gemeinschaftssinn, in Schäßburg, in Hermannstadt und Temeswar die ersten politischen rumäniendeutschen Vertretungen nach dem Krieg gegründet, die sich 1990 als "Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien" mit all seinen Strukturen landesweit eintragen ließen. Es wurden nun die Voraussetzungen geschaffen, wieder politisch aktiv zu werden, für die Belange der Gemeinschaft im In- und Ausland einzutreten. Die anfängliche Euphorie verflog aber bald, als sich unsere Gemeinschaft, binnen weniger Monate, infolge der immensen Auswanderungswelle auf die Hälfte reduzierte. Man hatte nun "mit wem" zu agieren, aber man fragte sich vielerorts "für wen"? Es ist der Weitsicht, Zähigkeit und Entschlossenheit der Forumsvertreter zu verdanken, dass der nun als definitiv angekündigte "finis saxoniae" nicht eintrat. Seitens der Landsmannschaften gab es die ausgestreckte Hand zur Zusammenarbeit, die nun effektiv möglich war. Es ist das unumstrittene Verdienst von Prof. Dr. Hans Klein, der als Vorsitzender des Siebenbürgenforums dessen Aufnahme in die Föderation der Siebenbürger Sachsen 1993 unterschrieb - allen Unkenrufen zum Trotz. Seither hat sich eine harmonische, wirklich partnerschaftliche und freundschaftliche Zusammenarbeit ergeben, bestehende Vorurteile konnten abgebaut werden. Neben den jährlichen Föderationsgesprächen wird auf politischem, kulturellem und sozialem Gebiet eng zusammengearbeitet. Für die einzelnen Bereiche möchte ich im Folgenden Beispiele anführen.

Es gibt keinen Besuch rumänischer Spitzenpolitiker in Deutschland oder Österreich, an dem Spitzenvertreter der Föderation, meist ihr Vorsitzender Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, nicht teilnehmen und unsere Belange betreffend Rückgabe von konfisziertem Eigentum, Sicherung unseres reichen Kulturgutes usw. ansprechen und eine Lösung anstreben. Das schillerndste Beispiel ist die Verhinderung des Dracula-Parks in Schäßburg, was durch hervorragende Zusammenarbeit und beste diplomatische Abstimmung zwischen Kirche, Forum, Föderation, verschiedenen rumänischen Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Prinz Charles von England möglich wurde. Es ist vielleicht der bisher größte Sieg der rumänischen Zivilgesellschaft.

Zum Erfolg des Besuches von Ovidiu Gant, unserem damaligen Vertreter in der rumänischen Regierung, und Informationsminister Vasile Dâncu in Österreich haben in entscheidendem Maße auch unsere Freunde aus der dortigen siebenbürgischen Landsmannschaft beigetragen.

Umgekehrt erfolgt kein Besuch eines deutschen oder österreichischen Spitzenpolitikers in Rumänien, ohne dass dieser vorher von unseren dortigen Landsleuten über unsere Belange genaustens informiert wird. Ich erinnere mich an den Besuch des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in Hermannstadt, der sich für unsere Belange zwei Stunden Zeit nahm. Dennoch konnte der Vorsitzende des Siebenbürgenforums kein einziges Wort mit ihm wechseln. Dafür konnte ich einige Monate später in Drabenderhöhe, als Bundespräsident Herzog die dortigen siebenbürgisch-sächsichen Einrichtungen besuchte, fast eine halbe Stunde lang mit dem bundesdeutschen Staatsoberhaupt über unsere Belange sprechen, z.B. über das Problem der Rückwanderung - und das dank des Vorsitzenden der Föderation. Als Günter Verheugen, damals EU-Kommissar für Osterweiterung, im Juni vorigen Jahres in Klausenburg war, bedankte er sich in seiner Tischrede gleich zweimal bei mir für die Einladung nach Klausenburg. Kennen gelernt hatte ich ihn persönlich ein Jahr zuvor - durch Volker Dürr.

Weitere Beispiele für die effiziente Zusammenarbeit innerhalb der Föderation sind die bereits bestehende Städtepartnerschaft zwischen Landshut und Hermannstadt sowie die angestrebte Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg, die auf Betreiben derselben Föderation in die Wege geleitet wurden.

Bundesdeutsche Politiker, die Rumänien besuchen, sprechen von der Brückenfunktion der deutschen Minderheit. Für viele ist das nur ein leerer Slogan, wir aber versuchen, diese Brückenfunktion tatsächlich mit Leben zu erfüllen. So hat das Siebenbürgenforum seit Jahren einen ständigen Vertreter im Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und wird zu Vorstandssitzungen und Vollversammlungen der Landsmannschaft in Österreich (jetzt: Bundesverband der Siebenbürger Sachsen) eingeladen. Nach jeder Vertreterversammlung des Siebenbürgenforums erhalten die landsmannschaftlichen Vorsitzenden aus Deutschland und Österreich unsere schriftlichen Berichte. Desgleichen sind seit Jahren Vertreter der Föderation bei den Planungskonferenzen des Bundesinnenministeriums dabei, seit kurzem, auf unser Betreiben, auch in der deutsch-rumänischen Regierungskommission und in unserem Vorstand.

Ein Höhepunkt der kulturellen Zusammenarbeit innerhalb der Föderation ist das deutsch-rumänische Kulturabkommen, das 2003 beim Heimattag in Dinkelsbühl unterzeichnet wurde. Umgekehrt - als das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim vor einigen Jahren Gefahr lief, durch Sparmaßnahmen auf Bundes- und Länderebene geschlossen zu werden, war es auch der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, der sich beim damaligen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin für den Erhalt dieser Kulturinstitution einsetzte - mit Erfolg.

Die Tatsache, dass inzwischen eine ansehnliche Anzahl von Kirchenburgen auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht, ist vor allem dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat zuzuschreiben, dem seit einigen Jahren auch das Siebenbürgenforum angehört. Wir hoffen, dass auch die Altstadt von Hermannstadt möglichst bald auf dieser Liste stehen wird.
Die vielen gegenseitigen Besuche von Tanzgruppen, Chören, Jugendgruppen aus Deutschland, Österreich, den USA und Kanada bzw. Siebenbürgen sind weitere Beispiele für ein harmonisches Miteinander im Rahmen der Föderation.

Beispielhaft ist die Kooperation auf sozialem Gebiet ist dank der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen dem Sozialwerk und der "Saxonia"-Stiftung. Als vor einigen Jahren der Bau des Altenheims in Blumenau in Kronstadt in Frage gestellt wurde, weil das Bundesinnenministerium (BMI) nach langem Warten das Projekt gänzlich abgelehnt hatte, setzte das Siebenbürgenforum das Vorhaben im Rahmen der Föderation dennoch durch. Und es waren dann die bedeutenden finanziellen Mittel unserer Landsleute aus Übersee und Österreich, die den Bau ermöglichten.

Nicht zu vergessen sind auch sonstige Finanzierungen der Altenheime (z.B. in Schweischer) und die zahlreichen Pakethilfen, die das Sozialwerk der Landsmannschaft alljährlich unseren Alten und Bedürftigen zukommen lässt. Es handelt sich dabei nicht nur um die Abwicklung der BMI-Hilfen, sondern auch um konsistente, zusätzliche Spenden unserer Landsleute vor allem aus Deutschland, aber auch aus Österreich und Übersee, die oft das Fünffache der BMI-Hilfen ausmachen.

Eine aktive Brückenfunktion nehmen auch die zahlreichen Heimatsortsgemeinschaften vor allem auf lokaler Ebene wahr. Sie organisieren nicht nur Heimattreffen, die regelmäßig hüben und drüben stattfinden, sondern unterstützen auch effektiv die Landsleute in der Heimat und setzen sich für Kirchenreparaturen, Friedhofspflege, Dorfverschönerung und vieles mehr ein.

Das Motto des Heimattages vor einigen Jahren in Dinkelsbühl "Gemeinsam in die Zukunft" bzw. das heutige Motto unseres Sachsentreffens "Über Grenzen, einig" sind wiederum nicht nur Schlagworte, sondern widerspiegeln eine Realität, die wir im besten siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaftssinn weiterführen wollen.

Dr. Paul-Jürgen Porr

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2005, Seite 3)

Schlagwörter: Sachsentreffen, Porr, Föderation

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