4. August 2008

Bistritzer Glocken: Wegbegleiter von der Wiege bis zur Bahre

Seit dem 11. Juni 2008 erklingt der vormals weithin zu hörende Klang der beiden Glocken der evangelischen Stadtpfarrkirche in Bistritz nicht mehr. Jahrhunderte hindurch haben die Glocken am Kirchturm vor Feinden gewarnt, den Ausbruch von Bränden den Bürgern kundgetan. Sie riefen zur Andacht und zum Gebet auf. Sie begleiteten unsere Toten auf dem letzten Weg. Nun sind sie stumm. Wenn man die in einigen Eimern aus dem Brandschutt gesammelten Metallreste sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass dies einmal mächtige, im Kirchturm aufgehängte Glocken waren.
So wie die Geschichte der Kirche im Mittelpunkt der Stadt eine sehr bewegte war, so kann man nachvollziehen, dass auch die Geschichte der Glocken bewegt war. Die ersten urkundlich bezeugten Glocken wurden 1430 gegossen. Es waren deren zwei, zu denen sich 1555 eine dritte kleinere Glocke dazugesellte. Diese Glocken läuteten zu jedem Anlass, bis 1857 bei dem großen Brand die größte Glocke schmolz und die mittlere beim Absturz in tausend Stücke zerbarst. Lediglich die kleine Glocke blieb, bis auf einen Sprung, unversehrt und konnte wieder aufgehängt werden. Aus dem geschmolzenen Erz und einer Zugabe von 887 kg neuem Erz goss der Klausenburger Glockengießer Andraschofski zwei neue Glocken. Noch im selben Jahr wurde die große Glocke, 2 200 kg schwer, durch das Turminnere hochgezogen. Sie trug nun die Inschrift: „Das Schicksal dieser Stadt 427 Jahr hindurch mit eherner Zunge verkündet ereilte auch mich am 18 T. April 1857 in nächtlichen Flammen der Vergänglichkeit Loos. Doch goss mich im selben Jahr schon wieder mit christlichem Sinn die Gemeine Gottes Stimm ihr zu sein in Freud und Gefahr.“
Die kleine Glocke von 1555. Foto Horst Göbbel ...
Die kleine Glocke von 1555. Foto Horst Göbbel
Die mittlere Glocke, 1 200 kg schwer, wurde zwei Jahre später im Glockenstuhl untergebracht, hatte jedoch nur eine kurze Lebensdauer. Sie wurde 1916 zu Kriegszwecken eingeschmolzen und erst 1932 wieder gegossen. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie erneut requiriert und nicht wieder ersetzt.

Die 1555 gegossene kleine Glocke hatte bis zum 11. Juni 2008 alles Unheil durch Feuer oder Kriegsgeschehen überlebt. 453 Jahre lang erklang ihr heller Ton über die Stadt und die umliegenden Wälder. Nun hat sie auch der Vergänglichkeit Los ereilt. Die ganz kleine „Vaterunser-Glocke“ vom Dachreiter, über deren Herkunft nichts bekannt ist, wurde Mitte der 90er Jahre im letzten Jahrhundert wegen akuter Absturzgefahr heruntergenommen und im Turmmuseum untergebracht. Nach dem Brand vom 11. Juni wurde sie vor dem Aufgang zum Pfarramt aufgehängt und läutet nun zum Gottesdienst an den kirchlichen Feiertagen.
Traurige Reste der Bistritzer Glocken nach dem ...
Traurige Reste der Bistritzer Glocken nach dem Brand vom 11. Juni 2008. Foto Dr. Hans Georg Franchy
Die Wiederherstellung der Glocken für unseren Turm und für unsere Kirche ist nicht nur der Wunsch des Bistritzer Presbyteriums, sondern aller Menschen, für die diese Glocken zum Gottesdienst, zur Konfirmation, zur Hochzeit oder zur Beerdigung eines lieben Menschen geläutet haben. Der Vorstand der HOG Bistritz-Nösen hat auf seiner letzten Sitzung im Juli diesen Jahres beschlossen, allen Bistritzern die Turmuhr zurückzugeben und den evangelischen Brüdern und Schwestern bei der Wiederbeschaffung der „Glocken“, soweit das Geld reicht, zu helfen. Auch Ihre Spende kann dazu beitragen.

Dr. Hans Franchy

Schlagwörter: Stadtpfarrkirche Bistritz

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