9. März 2013

„Immer wieder Augenblicke des Erfolges und der Genugtuung“

Seit zehn Jahren leitet Volkmar Gerger die Landesgruppe der Siebenbürger Sachsen in Niedersachsen und Bremen. Mit sieben Kreisgruppen, rund 1 400 Mitgliedern und zahlreichen Kulturensembles wie Chor, Laientheater, Tanzgruppen und Blaskapelle zählt sie zu den aktiven Landesgruppen des Verbands. Volkmar Gerger ist gebürtiger Hermannstädter (Jahrgang 1944), hat Grundschule und Lyzeum in seiner Heimatstadt besucht, wurde dann Maschinenbautechniker und arbeitete in dem „Independența”-Werk und dem Forschungsinstitut für Industrieöfen, Gießerei- und Schmiedeanlagen in Hermannstadt. 1990 wanderte er mit seiner Familie nach Deutschland aus, wo er bis 2009 in einer Metallbaufirma tätig war. Er lebt in Friesoythe, Landkreis Cloppenburg, und ist in Hermannstadt oft auf Besuch. SbZ-Korrespondentin Christine Chiriac sprach mit Volkmar Gerger über sein Engagement.
Die Landesgruppe Niedersachsen/Bremen befindet sich in einer Diasporasituation. Was zeichnet die „Nordlichter” aus?

Flächenmäßig ist Niedersachsen das zweitgrößte Bundesland nach Bayern. In unserer Landesgruppe kommt das Bundesland Bremen noch dazu. Mitgliedermäßig zählen wir jedoch zu den sogenannten „kleinen” von acht Landesgruppen. Da unsere Mitglieder weit verstreut leben, wirkt sich das erschwerend auf die Verbandsarbeit aus – aber die „Nordlichter”, wie im Übrigen alle Siebenbürger Sachsen, sind gekennzeichnet durch ein tief empfundenes Zusammengehörigkeitsgefühl, das ihnen auch in solchen Lebenslagen das „Überleben” ermöglicht.

In diesem Jahr feiern Sie ein Jahrzehnt seit Ihrem Amtsantritt. Wie lautet Ihre Bilanz?

Es ist eine lange Zeit und ich kann reinen Gewissens sagen, dass ich sie unter dem Strich positiv einschätze. „Unter dem Strich“ deswegen, weil es zwischendurch immer wieder auch zu kleinen Misserfolgen, ja sogar Rückschlägen gekommen ist. Aber eines meiner Lebensmottos lautet: „Aufgeben ist das Letzte, was man sich erlauben darf“. Höhepunkte in der Tätigkeit gab es mehrere, drei davon möchte ich besonders hervorheben. Erstens die Feier zum 60. Jubiläum unserer Landesgruppe im August 2011 in Hannover und die Herausgabe einer Festschrift. Für mein Team und mich war das eine riesige Herausforderung, die wir gern angenommen haben. Nahezu 550 Gäste haben bei wunderschönem Sommerwetter ein großartiges Fest erlebt. Garantie dafür waren gute Reden von besonderen Gästen, allen voran die des niedersächsischen Innenministers, gutes Essen und Trinken, beeindruckende Kulturdarbietungen und Ausstellungen, Spaß und Tanz zu den Klängen der Wolfsburger Blaskapelle. Die Kritiken waren überwiegend positiv und haben uns für unsere Mühe belohnt. Zweitens war ich im Mai 2012 mit einer Delegation des niedersächsischen Innenministeriums unter der Leitung des Beauftragten der niedersächsischen Landesregierung für Vertriebene und Spätaussiedler in Hermannstadt, Birthälm, Schäßburg und Radeln. Wir wurden großzügig und kompetent vom Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen sowie dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt betreut. Alle Beteiligten waren von dem, was sie gesehen und in vielen Gesprächen gehört haben, tief beeindruckt. Drittens möchte ich unsere Teilnahme am „Tag der Niedersachsen” im Juli 2012 in Duderstadt erwähnen. Da haben wir uns zum einen im Zelt des niedersächsischen Innenministeriums mit einer kleinen Ausstellung einem breiten Publikum präsentiert, zum anderen haben wir am Trachtenumzug teilgenommen und sind dabei auf reges Interesse gestoßen.

Welches waren oder sind die Schwierigkeiten in Ihrer Tätigkeit?

Manche davon sind in der Beantwortung der ersten Frage angeklungen. Darüber hinaus gibt es noch eine klassische: Sie kennen sicherlich den Spruch „Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts”. Je mehr wir davon haben, umso mehr können wir tun, aber das, was von den Mitgliedsbeiträgen nach Zahlungen an Bund und Kreisgruppen bleibt, reicht gerade für das Nötigste. Für größere Vorhaben sind wir auf Spenden, Sponsoren und Zuschüsse angewiesen, die immer schwerer fließen. Mitgliederschwund, mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sozialpolitische Veränderungen in Niedersachsen und Bremen machen uns das Leben nicht unbedingt leichter. Doch trotz aller Schwierigkeiten gibt es immer wieder Augenblicke des Erfolges und der Genugtuung. Bei meinen Vorstandsmitgliedern und ihren Familien – die ja oft hinten anstehen müssen und dafür viel Verständnis und Geduld aufbringen – möchte ich mich auch auf diesem Wege für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ihre Begeisterung für die Sache und ihre tatkräftige, verantwortungsvolle Mitarbeit tragen wesentlich dazu bei, die Ziele unseres Verbandes zu verwirklichen. Und das alles ehrenamtlich!
Die Siebenbürger Sachsen stellen sich zum ...
Die Siebenbürger Sachsen stellen sich zum Trachtenumzug anlässlich des Tages der Niedersachsen auf, vorne links: Volkmar Gerger.
Wie lässt sich die Arbeit in den sieben Kreisgruppen Bremen, Göttingen, Hannover, Lüneburger Heide, Osnabrück, Salzgitter und Wolfsburg koordinieren? Gibt es gemeinsame Veranstaltungen?

Es gibt heute Kommunikationsmöglichkeiten, mithilfe derer man problemlos in Verbindung bleiben kann. Bei manchen Mitgliedern hat es Überzeugungsarbeit gekostet, um von den neuen Medien Gebrauch zu machen, aber heute sind wir sehr „modern“ vernetzt und außerdem ist unsere Landesgruppe stolz auf ihre eigene Homepage. Gemeinsame Veranstaltungen gibt es auf Landesebene: Beispielsweise veranstalten wir alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der Landesgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein – früher auch mit der Landesgruppe Berlin/Neue Bundesländer – den „Heimattag der Nordlichter“. Dieses Ereignis hat sich als Ersatz für den Heimattag in Dinkelsbühl etabliert, weil viele Mitglieder aus dem Norden den Weg nach Dinkelsbühl aus verschiedenen Gründen nicht schaffen.

Wie werden die Siebenbürger Sachsen in Niedersachsen wahrgenommen? Arbeiten Sie mit anderen Interessenverbänden der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zusammen?

Durch unsere vielen Aktionen und mit großzügigen Hilfen ist es uns gelungen, auf uns aufmerksam zu machen. Wir werden in zunehmendem Maße wahrgenommen, auch weil wir mit vielen Interessenverbänden und dem Bund der Vertriebenen zusammenarbeiten. Obwohl das Land Niedersachsen Pate der Schlesier ist, hat es gemäß Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes auch unseren Verband seit 2008 unterstützt. Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass man sich bei und mit uns wohlfühlt.

Wie aktiv ist die junge Generation in der Landesgruppe?

Da haben Sie den Finger in die Wunde gelegt, denn in unserer Landesgruppe gibt es keine Jugendgruppe. Wir erfahren aber immer wieder, dass Kinder von Mitgliedern irgendwann, leider erst im „mittleren Alter“, im Verband tätig werden. Unlängst haben wir uns vorgenommen, Jugendliche zu unseren Vorstandssitzungen einzuladen und eine Veranstaltung zu organisieren, bei der entweder der Bundesjugendleiter oder einer seiner Stellvertreter spricht, um die Jugendorganisation dem Nachwuchs näher zu bringen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Verbandslebens? Welches sind die nächsten Veranstaltungen und Ihre Prioritäten für die kommenden Jahre?

Ich beginne mit dem zweiten Teil der Frage. Ende August wird in Wolfsburg groß gefeiert. Den Anlass dazu bietet das Jubiläum „60 Jahre seit der Gründung der Kreisgruppe Wolfsburg“, gekoppelt mit dem „Heimattag der Nordlichter“. Außerdem ist eine gemeinsame Reise zum Heimattag in Dinkelsbühl geplant. Nun zum ersten Teil der Frage. Schon im 18. Jahrhundert ist das Ende der Siebenbürger Sachsen – Finis Saxoniae – prophezeit worden. Wie wir sehen, ist es nicht eingetroffen, ganz im Gegenteil. Die Existenz der Föderation der Siebenbürger Sachsen weltweit ist ein beredtes Beispiel. Neben dem Spruch mit dem Aufgeben habe ich noch eine Geschichte auf Lager, die ich gern immer wieder erzähle, wenn es um die Zukunft geht. Es ist die Geschichte der beiden Frösche, die in den Rahmtopf fallen und sich anscheinend in einer ausweglosen Lage befinden, da sie an den glatten Wänden nicht hochklettern können. Nach längerem Paddeln gibt der eine Frosch auf und ertrinkt im Rahm, der andere paddelt weiter bis aus dem Rahm Butter wird und er aus dem Rahmtopf springen kann. Auch unsere absolute Priorität lautet: paddeln, paddeln und immer wieder paddeln!

Vielen Dank für das Gespräch.


Schlagwörter: Landesgruppe, Niedersachsen, Bremen, Gerger

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