28. Mai 2016

Engagement für die Gemeinschaft: Das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen wird 30

„Wir haben unser ganzes Tun in den Dienst der Gemeinschaft gestellt“, so Dr. Johann Kremer, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V., bei der Eröffnung der Jubiläumsausstellung in Dinkelsbühl am 14. Mai. Das Sozialwerk feiert heuer 30 Jahre seines Bestehens und wurde auf dem Heimattag gleich mit mehreren Veranstaltungen gewürdigt: neben der Dokumentation „30 Jahre im Dienst der Landsleute“ auch im Rahmen der Festveranstaltung in der St.-Pauls-Kirche und mittels eines Podiumsgesprächs mit „Sozialwerkern“ und Zeitzeugen.
Viele Landsleute kennen die Pakete, die vor 1989 von Helferinnen und Helfern des Sozialwerks „klandestin“, das heißt von Deckadressen aus Deutschland, nach Siebenbürgen verschickt wurden. Lebensmittel, Medikamente, Bücher, Textilien – all das musste als private Sendung „getarnt“ werden. Nach der Wende konnten Kulturgruppen, Werkstätten und Krankenhäuser aus-gestattet werden, die Hilfen für Einzelpersonen wurden fortgesetzt, Schulen, Medien, Jugendherbergen, Forumssitze sowie landwirtschaftliche Projekte wurden gefördert. Seit 1995, infolge einer Satzungsänderung, setzt sich das Sozialwerk auch für bedürftige Siebenbürger Sachsen in Deutschland ein, 1999 wurde innerhalb des Vereins ein Kulturfonds eingerichtet, jüngst war das Sozialwerk am Erwerb des Schlosses Horneck in Gundelsheim am Neckar beteiligt. „All das ist nur möglich, weil viele Menschen spenden und helfen – und das sind nicht nur Landsleute“, so Dr. Kremer bei der Ausstellungseröffnung. „Was uns Siebenbürger Sachsen zu etwas Besonderem macht, ist die gemeinschaftliche Haltung“, unterstrich er in Anlehnung an ein Zitat von Hans Bergel. „Solidarität ist der Garant für unsere 800-jährige Geschichte, heute feiern wir diese Gemeinsamkeit.“
Die drei Vorsitzenden des Sozialwerks der ...
Die drei Vorsitzenden des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V.: Dr. Johann Kremer (links), der Ehrenvorsitzende Peter Pastior und auf dem Foto Wilhelm Schiel (1918-2003). Foto: Christine Chiriac
Die Ausstellung zeigte Fotos, Dokumente und Informationen über die Geschichte des Sozialwerks. Auf einem Tisch war eines der Pakete zu sehen, die für Siebenbürgen vorbereitet wurden und werden: Kaffee, Reis, Mehl, Öl, Fleischkonserven, Süßigkeiten. Als „Baum der Hoffnung“ wurde eine Birke mit Dankesbriefen der Landsleute ans Sozialwerk ausgeschmückt. Sie dokumentieren den ideellen Wert der Hilfen: das Gefühl, nicht vergessen zu sein.

Im Rahmen der Festveranstaltung „30 Jahre SJD, 30 Jahre Sozialwerk“ am Samstagabend gab der Festredner Dr. Wolfgang Bonfert einen Überblick über die Geschichte des Sozialwerks. „Soziale Hilfe war seit jeher eine tragende Säule siebenbürgisch-sächsischen Daseins“, betonte er. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg wurden regional die ersten Hilfsleistungen organisiert, nach Gründung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen e.V. (1949) übernahmen die Frauenkreise diese Aufgabe; der Paketdienst besteht ununterbrochen seit den fünfziger Jahren.

Ehrenvorsitzender Dr. Wolfgang Bonfert hielt ...
Ehrenvorsitzender Dr. Wolfgang Bonfert hielt einen Festvortrag zum 30-jährigen Bestehen der SJD und des Sozialwerks. Foto: Siegbert Bruss
Das Sozialreferat der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen wurde von 1957 bis 1994 von Wilhelm Schiel geleitet und hatte auch besondere Herausforderungen zu meistern, wie die Flutkatastrophen von 1970 und 1974, bei denen Hunderte Menschen in Rumänien starben und Hunderttausende obdachlos wurden. Auch die zunehmende Mangelwirtschaft und die sich verschlechternde medizinische Versorgung unter Ceaușescu in den achtziger Jahren stellten die Helfenden vor die Aufgabe, ihre Arbeit zu intensivieren. So kam es schließlich im Herbst 1986 in Dinkelsbühl zur offiziellen Gründung des Sozialwerks als eingetragener Verein, dessen Tätigkeit bis heute auf drei Säulen basiert: Unterstützung für Einzelpersonen, Zuschüsse für soziale und gemeinnützige Einrichtungen der Siebenbürger Sachsen und die Förderung kultureller Maßnahmen.

Nach 1989 wurde in Siebenbürgen die „Saxonia“-Stiftung gegründet, die heute ihren Sitz in Rosenau hat und als Partner des Sozialwerks vor Ort in der Alten- und Bedürftigenhilfe agiert. Auch engagiert sich das Sozialwerk als Mittler zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Siebenbürgenforum bei der Umsetzung gemeinschaftsfördernder Maßnahmen. So wurden die Altenheime in Siebenbürgen sowie Kinderheime, Schulen und der Hilfsdienst „Essen auf Rädern“ mit aufgebaut. Zudem bietet die „Saxonia“ finanzielle Förderung für Kleinunternehmen und Familienbetriebe in Siebenbürgen: die Mittel werden aus dem Bundeshaushalt in Form von günstigen Krediten bereitgestellt, aus den „Rückflussgeldern“ werden weitere Projekte finanziert.

Im Rahmen des Podiumsgesprächs „30 Jahre Hilfe und Engagement für die Gemeinschaft“ schilderte der Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Bergner, ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten (2006-2014), seine Erfahrung und Eindrücke in der Zusammenarbeit mit siebenbürgisch-sächsischen Organisationen. Er hob die Vorbildfunktion des Sozialwerks hervor, das auf die einzigartige nachbarschaftliche Tradition beruht. „Das hat mir bewusst gemacht, wie wertvoll der Zusammenhalt ist: Nicht in allen Gemeinschaften und nicht einmal bei allen deutschen Minderheiten in Osteuropa ist das selbstverständlich“, so Bergner. Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, sprach über die Herausforderungen, vor denen die Interessenvertretung der deutschen Minderheit in Rumänien steht: soziale Probleme und eine Altersstruktur, in der Menschen in höherem Lebensalter die Mehrheit ausmachen, zudem die Unterfinanzierung in vielen der staatlichen Krankenhäuser sowie die Abwanderung des ärztlichen Personals nach Westeuropa. „All das macht die individuellen Hilfen und die Unterstützung der Altenheime durch die Bundesrepublik und das Sozialwerk besonders wichtig“, so Dr. Porr.
Über das Sozialwerk diskutierten ...
Über das Sozialwerk diskutierten v.l.n.r.: Dr. Johann Kremer, Dr. Christoph Bergner, Dr. Bernd Fabritius, Dr. Paul Jürgen Porr und Peter Pastior. Foto: Janek Wiechers
Der Bundestagsabgeordnete Dr. Bernd Fabritius, Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. und Präsident des Bundes der Vertriebenen, sah eine Herausforderung für die Hilfseinrichtungen darin, dass sie die Bedürftigen stets unterstützen wollen, dabei jedoch nicht ein defizitäres staatliches System ersetzen müssen und sollen. Wichtig sei, „dass die Gehälter für Sozialbedienstete und Mediziner in Rumänien anziehen“. Peter Pastior, Ehrenvorsitzender des Sozialwerks, berichtete aus seiner Erfahrung als Leiter des Vereins (1994-2011). Aus dem Publikum ergriff der Unternehmer Michael Schmidt das Wort, der nach der Wende in Siebenbürgen an der Gründung der „Saxonia“-Stiftung beteiligt war.

Auch Klaus Sifft, der jetzige Geschäftsführer der „Saxonia“, bedankte sich für die Arbeit des Sozialwerks. „Unsere Gemeinschaft lebt heute auch dank des Gemeinwesens fort“, fasste zum Schluss Dr. Johann Kremer zusammen. Einen künftigen Schwerpunkt sieht er in der Jugendarbeit: „Wir wollen als Sozialwerk auch unseren Kindern bei der Identitätssuche helfen und sie all das miterleben lassen, was uns geprägt hat. Es ist uns wichtig, die Jugend stärker einzubinden, damit unser Gemeinwesen weiterbesteht.“

Christine Chiriac

Schlagwörter: Heimattag 2016, Sozialwerk, Soziales, Peter Pastior, Kremer, Schiel

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