5. November 2020

Der etwas andere Tag der Heimat in Stuttgart

Wenige glaubten daran, dass zu Corona-Zeiten der traditionelle Tag der Heimat des Landesverbands Baden-Württemberg des Bundes der Vertriebenen (BdV) stattfinden kann. Und genau diese Wenigen haben Recht behalten: Der Tag der Heimat wurde am 20. September begangen, zwar etwas anders als in den vergangenen Jahren, aber trotzdem sehr gelungen.
Auftritt der Siebenbürgischen Jugendtanzgruppe ...
Auftritt der Siebenbürgischen Jugendtanzgruppe Heilbronn beim Tag der Heimat in Bad Cannstatt. Foto: DigiTrend
Auch in diesem Jahr wurde um 11.00 Uhr am Denkmal für die Opfer der Vertreibung vor dem Kursaal in Bad Cannstatt ein Kranz für die Verstorbenen niedergelegt und an ihre Leistung in den Gemeinschaften der Vertriebenen gedacht. Das Grußwort sprach die Bezirksvorsteherin Beate Dietrich von Stuttgart-Wangen. Seit 1986 ist nun dieses Denkmal ein Symbol für das Schicksal der Opfer von Flucht und Vertreibung und erinnert an die Bildhauerin Ingrid Seddig aus Stolp in Pommern, die dieses Wahrzeichen für ewige Zeiten hinterließ. Gedankt wurde posthum dem Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, der die Hälfte der damaligen Kosten übernahm, nachdem die Landsmannschaften in Stuttgart die andere Hälfte aufbringen konnten. Gestaltet wurde die Feier von der Landsmannschaft der Russlanddeutschen und dessen Landesvorsitzendem Ernst Strohmaier, der eine beachtenswerte Traueransprache für die Verstorbenen daheim, während der Flucht und Vertreibung und den vergangenen 70 Jahren hielt.

Was war nun anders? Schon in seiner Eröffnungsrede erinnerte der ­Geschäftsführer des BdV-Landesverbandes Hartmut Liebscher, der die Feierstunde moderierte, an die Hygienevorschriften, die während der Feier zu beachten sind. Als Festredner stand erstmals der stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl im Programm, der von Innenstaatssekretär Wilfried Klenk, MdL vertreten wurde. Ebenfalls zum ersten Mal stand der große Beethovensaal der Liederhalle zur Verfügung. Und drittens war das Programm etwas kürzer als sonst, hat aber an Qualität nichts eingebüßt.

Der Vorsitzende des BdV-Kreisverbands Stuttgart Albert Reich begrüßte die Ehrengäste, darunter Staatssekretär Wilfried Klenk, die Bundestagsabgeordnete Karin Maag, den Landtagsabgeordneten Konrad Epple, Dr. Christiane Meis und Simone Kayser vom Innenministerium, Dr. Mathias Beer, Leiter des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, Reinhold Frank, Vorsitzender der Heimat- und Trachtenverbände in Baden-Württemberg, Hochwürden Dekan Paul Magino aus der Vinzenzistadt Wendlingen am Neckar und Patenstadt der Egerländer, Helmut Letfuß, Vorsitzender der Seliger-Gemeinde, und Prof. Dr. Hartmut Fröschle, Vorsitzender der Deutschen im Ausland. Die Siebenbürger Sachsen waren durch Michael Konnerth, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes und Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg, vertreten.

Da in diesem Jahr keine großen Chöre, keine Tänze großer Gruppen und keine Blaskapellen wie in all den Jahren zuvor angeboten werden durften, ging ein „Vergelt’s Gott“ an die Mitwirkenden: die Egerländer Familienmusik Hess aus Hirschhorn, das Egerländer Alphornquartett, den Knabenchor Capella Vocalis aus Reutlingen und die Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Heilbronn, die mit vier Paaren vier Tänze vorführte.
Der Tag der Heimat wurde im Kursaal in Bad ...
Der Tag der Heimat wurde im Kursaal in Bad Canstatt gefeiert. Foto: Michael Konnerth
In seiner Festrede erinnerte Innenstaatssekretär Wilfried Klenk MdL, ebenso wie die BdV-Landesvorsitzende Iris Ripsam in ihrer Schlussrede, an ein wichtiges Dokument der Nachkriegszeit: die Charta der deutschen Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1950.

Klenk setzte die Charta der deutschen Heimatvertriebenen mit zwei weiteren Jubiläen in Beziehung: 75 Jahre seit Kriegsende und 30 Jahre seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Deutschland sei am 8. Mai 1945 von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft befreit worden. Gerade für die Deutschen in den östlichen Reichsteilen und in den Siedlungsgebieten im östlichen Europa hätte das Kriegsende furchtbare Leidenserfahrungen bereitgehalten, etwa die Schrecken der Flüchtlingstrecks, der Vertreibungen und der Verschleppungen in Arbeits- und Vernichtungslager, die jahrzehntelange Unterdrückung in den Diktaturen und den Heimatverlust.

„So wie das Kriegsende am Anfang der Teilung unseres Vaterlandes stand, so war der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vor 30 Jahren das Gegenstück dazu: der entscheidende rechtliche Schritt zum Wiederzusammenwachsen Deutschlands – ein seltener, reiner Freudentag in der Geschichte unseres Volkes“, so Staatssekretär Wilfried Klenk weiter.

„Unter den diesjährigen Jubiläen ist der 5. August 1950 der geschichtliche Wendepunkt, der den 8. Mai 1945 mit dem 3. Oktober 1990 verbindet“, erklärte Klenk. „In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen stand nicht die Forderung nach staatlichen Leistungen an erster Stelle, sondern das Versprechen, ‚durch harte, unermüdliche Arbeit‘ am Wiederaufbau Deutschlands und Europas mitzuwirken. Und die Heimatvertriebenen hielten Wort. Sie legten Hand an beim Wiederaufbau – in wirtschaftlicher wie auch in politischer Hinsicht. So wurde Baden-Württemberg, so wurde Westdeutschland mit dem großen Engagement der deutschen Heimatvertriebenen ein wohlhabendes, ein friedfertiges und ein soziales Gemeinwesen, das auch bei den Deutschen in der DDR und weit darüber hinaus eine hohe Wertschätzung genoss. Und mit dem in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen explizit verkündeten Verzicht auf Rache und Vergeltung machten sich die Heimatvertriebenen auf den Weg der Verständigung und der gemeinsamen Aussöhnung mit unseren europäischen Nachbarn. Dies war ein wichtiger Beitrag dazu, dass in Mittel- und Osteuropa die historischen Ängste vor den Deutschen schwanden. So haben die deutschen Heimatvertriebenen mit ihrer Charta den Boden für den Beitritt der DDR, für die Wiedervereinigung Deutschlands mit bereitet. Dieses Signal der Heimatvertriebenen damals, aus diesem Kreislauf der Gewalt aussteigen zu wollen, prägt die Geschichte unseres Landes bis heute, und wir haben allen Grund, für diese Entwicklung in unserem Vaterland in den letzten Jahrzehnten dankbar und auf den historischen Wendepunkt am 5. August 1950 stolz zu sein. Stolz und dankbar auf die Charta der deutschen Heimatvertriebenen und auf das, was daraus Fruchtbares für uns alle erwachsen ist“, sagte Staatssekretär Klenk abschließend.

Hans Vastag

Schlagwörter: Tag der Heimat, Stuttgart, BdV, Jugendtanzgruppe Heilbronn

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