1. April 2006

Eigentumsrückgabe in Rumänien an ausgewanderte Landsleute?

Wolfgang Wittstock, ehemaliger Parlamentarier und derzeitiger Verlagsleiter der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, hat das Gesetz Nr. 247/2005 mit Blick auf die Boden- und Waldrückgabe bzw. Entschädigung in der Siebenbürgischen Zeitung vom 29. August 2005 kommentiert. In einem Artikel, der in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 18. März 2006 erschienen ist und im Folgenden mit freundlicher Genehmigung des Verlages nachgedruckt wird, geht Wittstock der Frage nach, inwiefern die rumänische Staatsangehörigkeit eine Voraussetzung für die Eigentumsrückgabe ist. Zudem wird der rumänische Gesetzgeber aufgefordert, durch eine Novellierung der zurzeit restriktiven Gesetze eine konsequente Wiedergutmachung der Opfer der kommunistischen Enteignung zu betreiben
Über diesen Sachverhalt sind sich die Juristen einig. In der Siebenbürgischen Zeitung vom 9. Januar 2006 hat Rechtsanwalt Michael Miess in einem „Staatsangehörigkeit und Eigentumsrückgabe in Rumänien“ betitelten Beitrag ein übriges Mal darauf aufmerksam gemacht, „dass der Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit eine Grundvoraussetzung für die Rückgabe des geraubten Eigentums an Grund und Boden ist“. Das gilt für landwirtschaftliche Nutzflächen und Wälder im außerörtlichen Bereich. Bei Immobilien im innerörtlichen Bereich, deren Rückerstattung auf Grund des Gesetzes Nr. 10/2001 möglich ist, gelangen andere Regelungen zur Anwendung. Berechtigte Ausländer und Staatenlose können in Rumänien in den Genuss der Restitution etwa eines Hauses gelangen, und für den dazugehörigen Grund wird ihnen – auf Grund einer Bestimmung der Dringlichkeitsverordnung Nr. 184/2002 – ein spezielles Nutzungsrecht (drept de folosinta special) gewährt, das mit allen Attributen des Eigentumsrechtes, mit Ausnahme einer Einschränkung des Rechtes auf Veräußerung (der Staat behält sich ein Vorkaufsrecht vor), ausgestattet ist.

Desinformation der Behörden?

Wie ist es zu erklären, dass viele ausgewanderte Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, die auf die rumänische Staatsbürgerschaft verzichtet haben, im vorigen Jahr, als das Gesetz Nr. 247/2005 eine neue Antragsfrist einführte, die Rückgabe von enteignetem Grund und Boden beantragt haben, obwohl sie laut Verfassung nicht restitutionsberechtigt sind. Es gibt Indizien, die auf eine – vermutlich nicht beabsichtigte – Desinformation der rumänischen Behörden schließen lassen. Die bereits genannte Siebenbürgische Zeitung veröffentlichte am
29. August 2005 einen vom Verfasser dieser Zeilen und zwei Tage später, in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 31. August 2005, einen von Rechtsanwalt Michael Miess gezeichneten Beitrag. In beiden Artikeln wurden die Verfügungen des neuen Gesetzes Nr. 247/2005 bekannt gemacht und es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Besitz der rumänischen Staatsbürgerschaft weiterhin eine Voraussetzung für die Rückerstattung von Grund und Boden ist. Allerdings zitierte diese Zeitung auch eine Mitteilung des Generalkonsulats Rumäniens in München: „Die rumänische Staatsangehörigkeit sei nach der Verfassungsänderung von 2003 keine Bedingung, wenn es sich bei den Antragstellern um Staatsangehörige eines Landes handelt, das seinerseits Ausländern den Erwerb von Grundeigentum erlaubt.“ Dass es sich hier um eine eindeutig fehlerhafte Interpretation des weiter oben zitierten Verfassungsartikels 44/2 handelt, ist offensichtlich.

Falsche Argumente

Bedauerlicherweise haben sich auch die deutschen Behörden hinsichtlich der Restitutionsberechtigung von Ausländern in Rumänien irreführen lassen. Bekanntlich wurde in Deutschland im Jahr 1999 das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes verabschiedet, das mit Wirkung ab 1. Januar 2000 auf die so genannte Inlandsklausel verzichtete. Dank dieser Inlandsklausel war es in den neunziger Jahren für unsere ausgewanderten Landsleute relativ einfach, die rumänische Staatsbürgerschaft wieder zu erwerben, ohne der deutschen Staatsangehörigkeit verlustig zu gehen. Durch das neue Gesetz wurde diese Möglichkeit von der Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung abhängig gemacht, und die bisherige Erfahrung zeigt, dass die zuständigen deutschen Behörden derartige Anträge grundsätzlich ablehnen. Für viele unserer ausgewanderten Landsleute wurde aber die rumänische Staatsbürgerschaft erst wieder interessant, als das Bodenrückgabegesetz Nr. 1/2000 (das so genannte Lupu-Gesetz) und das allgemeine Immobilienrückgabegesetz Nr. 10/2001 in Kraft traten. Und da war es für den Rückerwerb der rumänischen Staatsbürgerschaft bei Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit eigentlich schon zu spät. Wir kennen manchen Fall, wo es um Landsleute geht, die um die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung angesucht haben und diesen Antrag damit begründeten, dass sie die rumänische Staatsbürgerschaft benötigen, um die Restitution von in der kommunistischen Zeit enteignetem Vermögen betreiben zu können. In keinem dieser Fälle wurde jedoch der Antrag genehmigt. Und neuerdings argumentieren die deutschen Behörden ihre Zurückhaltung mit dem Hinweis, dass die Restitution auch ohne Vorhandensein der rumänischen Staatsbürgerschaft erfolgen kann. Uns liegt ein derartiges Antwortschreiben des Bundesverwaltungsamtes der Bundesrepublik Deutschland, datiert vom 19. Dezember 2005, vor, in dem es heißt: „Nach Information der deutschen Botschaft in Bukarest nach (sic!) kann eine Restitution auch landwirtschaftlicher Flächen an Ausländer, die Erben restitutionsberechtigter Personen sind, erfolgen.“ Die Praxis zeigt, dass das nicht stimmt. Wiederherstellung des Eigentumsrechtes und legale Erbschaft sind, wir wiesen weiter oben bereits darauf hin, in den Augen der Juristen zwei verschiedene Kategorien der Rechtswissenschaft.

Noch ist es nicht zu spät

Doch selbst wenn man den Verfassungsartikel, der es Ausländern untersagt, in Rumänien Grund und Boden zu erwerben, nicht ignorieren kann, hätte der rumänische Gesetzgeber legale Lösungen dafür finden können, dass frühere rumänische Staatsbürger, die im Jahr 1945 enteignet wurden, oder deren Erben bei der Bodenrestitution nicht leer ausgehen. Das Gesetz hätte beispielsweise in diesen Fällen Entschädigungen vorsehen können, so wie es sie jenen Personen gewährt, denen der Boden – aus Mangel an verfügbaren Bodenflächen – nicht in natura rückerstattet werden kann. Oder es hätte auch im Falle dieser außerörtlichen Grundstücke ebenfalls ein spezielles Nutzungsrecht für restitutionsberechtigte Ausländer eingeführt werden können, vergleichbar jenem, das im Falle innerörtlicher Immobilien Ausländern zugesprochen wird. Noch ist es nicht zu spät, die rumänische Restitutionsgesetzgebung im Sinne dieser Feststellungen zu novellieren. Sollte das geschehen, so müsste allerdings auch, zumindest für die potentiellen Nutznießer der zu verabschiedenden Verfügungen, eine neue Antragsfrist eingeführt werden, damit alle in Frage kommenden Personen die Chance wahrnehmen können, in den Genuss einer derartigen Wiedergutmachung zu gelangen.

Wolfgang Wittstock

Schlagwörter: Rechtsfragen, Eigentumsrückgabe, Restitution

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