6. April 2007

Soziale Herausforderungen unserer Zeit

Die deutsche Minderheit in Rumänien ist durch den Massenexodus Anfang der neunziger Jahre, ein hohes Durchschnittsalter und die allgemeine Teuerung im Karpatenland erheblich geschwächt. Die Bundesregierung hat die Hilfen für die deutsche Minderheit in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgefahren. Aber auch die Siebenbürger Sachsen in Deutschland geraten durch Renten- und sonstige Kürzungen teilweise in Not. Diese Entwicklungen stellen das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen immer wieder vor neue Herausforderungen, die bedürftigen Landsleute nach Kräften zu unterstützen. Eine Besinnung auf die jahrhundertealte Tradition der Nachbarschaftshilfe und der sozialen Solidarität ist daher dringend notwendig.
Vorsitzender Peter Pastior erklärte bei der Mitgliederversammlung des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen am 17. März in München: „Wir müssen immer in der Lage sein, unsere noch in Siebenbürgen lebenden bedürftigen Landsleute mit Einzelhilfen zu unterstützen. Deshalb unsere dringendste Bitte an alle Landsleute, Mitglieder der Landsmannschaft, unserem Aufruf in der Siebenbürgischen Zeitung ‚Hilfe nach Siebenbürgen’ Folge zu leisten.“

Peter Pastior konnte in der Begegnungsstätte der Landsmannschaft in der Karlstraße 100 in München unter anderen den Ehrenvorsitzenden und langjährigen Vorsitzenden des Sozialwerks, Wilhelm Schiel, den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius und Karin Servatius-Speck sowie Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff begrüßen. Der in den beiden letzten Jahren verstorbenen Gründungsmitglieder des Sozialwerks, Kurt Kessler, Walter Wolf und Rudolf Kartmann, wurde in einer Schweigeminute gedacht.

Die Gemeinschafts- und Begegnungsstätte des Altenheims Schweischer wurde 1998/1999 aus Mitteln des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V. gebaut. Foto: Peter Pastior
Die Gemeinschafts- und Begegnungsstätte des Altenheims Schweischer wurde 1998/1999 aus Mitteln des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V. gebaut. Foto: Peter Pastior

„Das Sozialwerk als integrativer Teil der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen ist und bleibt ein sehr wichtiges Standbein in der gesamten Tätigkeit der Föderation der Siebenbürger Sachsen“, betonte Peter Pastior in seinem schriftlichen Tätigkeitsbericht, der den Mitgliedern zugesandt worden war und dessen wichtigste Punkte in der Mitgliederversammlung erörtert wurden.

Die Betreuung der Landsleute in Siebenbürgen habe sich aus logistischer Sicht in den letzten Jahren wesentlich vereinfacht. Die 1992 auf Initiative des Sozialwerks gegründete Saxonia-Stiftung habe sich inzwischen zum Bindeglied zwischen dem Sozialwerk und vielen anderen Hilfsorganisationen in Deutschland und Österreich sowie den betreuungsbedürftigen Einrichtungen und Personen in Siebenbürgen entwickelt, betonte Pastior. Auf diese Struktur bauend, konnte das Sozialwerk in den vergangenen zwei Jahren Lebensmittel- und Geldhilfen im Wert von 210 000 Euro verteilen. Rund 9 000 Einzelhilfen wurden dabei in Siebenbürgen aufgrund von Listen mit Bedürftigen durchgeführt, die über die Saxonia-Stiftung von den einzelnen Kirchengemeinden oder den lokalen Strukturen des Siebenbürgenforums mitgeteilt werden. Auf Wunsch der Bedürftigen werden die Pakete immer mehr durch Geldhilfen ersetzt, da sich die Versorgungslage mit Lebensmitteln in Siebenbürgen zwar verbessert hat, die Armut aber akut geblieben ist.

Effektive Hilfe wurde auch durch den Ankauf von Medikamenten geleistet. Der Einsatz des Sozialwerks ist auch in diesem Bereich stärker als bisher gefragt, nachdem die Bundesregierung ihre Zuwendungen an das Deutsche Rote Kreuz für die deutsche Minderheit in Rumänien fast ganz gestrichen hat. 23 000 Euro hat das Sozialwerk 2005 und 2006 für Medikamente und medizinische Betreuung eingesetzt.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Betreuung der Altenheime in Siebenbürgen, vor allem jenes in Schweischer, aber auch in Kronstadt-Blumenau, des „Carl-Wolff-Alten- und Pflegeheims“ in Hermannstadt und der Pflegestation in Schäßburg.

Des Weiteren tritt das Sozialwerk als Mittler zwischen dem Bundesministerium des Innern bzw. Bundesverwaltungsamt und dem Siebenbürgenforum in Erscheinung. Dabei werden verschiedene Hilfsprojekte für die deutsche Minderheit geplant, verwaltungsmäßig betreut und durchgeführt. Die zeitaufwändige Verwaltungsarbeit konnte dank der sehr guten Zusammenarbeit mit der Saxonia-Stiftung effektiv abgewickelt werden.

Auch Siebenbürger Sachsen in Deutschland geraten unverschuldet in Not

In einem Ausblick auf die künftigen Aufgaben stellte Pastior fest, dass sich das Sozialwerk weiterhin für bedürftige Landsleute und Einrichtungen für die Altenpflege sowie andere soziale, kulturelle und Jugendprojekte einsetzen werde. Durch Kürzungen der Renten und Sozialsysteme geraten auch viele Siebenbürger Sachsen unverschuldet in Not. Auf diese neue Situation hat das Sozialwerk schon 1994 durch eine Satzungsänderung reagiert. So konnte in den letzten Jahren auch einigen Landsleuten in Deutschland geholfen werden, die durch einmalige besondere Ereignisse oder Katastrophen betroffen waren. Die Fälle wurden meistens von den Kreisgruppen gemeldet, die die Bedürftigen in ihrem Einzugsbereich am besten kennen. Angesichts seiner begrenzten finanziellen Möglichkeiten kann das Sozialwerk keine regelmäßigen Hilfen für den Unterhalt leisten, es vermag also die Renten- oder Arbeitslosenversicherung in Deutschland nicht zu ersetzen. Deshalb beschränken sich seine Maßnahmen auf einmalige besondere Ereignisse.

In den Aussprachen wurde deutlich, dass Kreis- und Landesgruppen der Landsmannschaft Betreuer- und Besucherdienste für vereinsamte Landsleute organisieren können. Solche Fälle müssen selbstverständlich zuerst erkannt und im Geiste der siebenbürgischen Nachbarschaftshilfe betreut werden. Betreuer- und Besucherdienste für vereinsamte Landsleute in Siebenbürgen können, vor allem im Zusammenwirken mit den zuständigen Heimatortsgemeinschaften, von Fachkräften der evangelischen Kirche, des Diakonischen Werks oder der deutschen Foren geleistet werden. Dafür können EU-Mittel über das rumänische Arbeitsministerium in Anspruch genommen werden, stellte Dr. Bernd Fabritius fest.

Beispielhafte soziale Solidarität

Beispielhaft für den sozialen Geist der Siebenbürger Sachsen sind die Erbschaften oder die Aktionen unter dem Motto „Statt Blumen auf das Grab“, die dem Sozialwerk und somit unseren bedürftigen Landsleuten zugute kommen. So vererbte im Herbst 2006 ein aus Broos stammender Landsmann dem Sozialwerk eine Eigentumswohnung in Freiburg. Der Verkaufserlös in Höhe von 65 000 Euro soll in ein sinnvolles soziales Projekt eingebracht werden. Der Bedarf sei zurzeit in Deutschland größer, betonte Dr. Bernd Fabritius, zumal die Bundesregierung ausschließlich Projekte in Siebenbürgen fördere. Bundesvorsitzender Volker Dürr regte an, mit dieser Summe einen Jugendfonds einzurichten, aus dem Projekte für junge Leute gefördert werden. Ebenso würdigte Dürr die „segensreiche Arbeit des Sozialwerks“ in den letzten Jahren.

Der neue Vorstand des Sozialwerks, von links nach rechts: Wolfram Schuster, Heidemarie Weber, Christa Wandschneider und Peter Pastior (Vorsitzender). Foto: Siegbert Bruss
Der neue Vorstand des Sozialwerks, von links nach rechts: Wolfram Schuster, Heidemarie Weber, Christa Wandschneider und Peter Pastior (Vorsitzender). Foto: Siegbert Bruss

Schon 1999 wurde ein Kulturfonds im Sozialwerk eingerichtet. Nachdem die damalige rot-grüne Bundesregierung die finanziellen Mittel für die kulturelle Breitenarbeit gemäß Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes massiv gekürzt hatte, beschloss der Verbandstag der Landsmannschaft 1999 eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages zugunsten der kulturellen Breitenarbeit. Aus diesen Mehreinnahmen wurden in den letzten beiden Jahren 83 300 Euro eingesetzt. Für die im Jahr 2000 erworbene Begegnungsstätte in der Karlstraße 100 in München setzte das Sozialwerk rund 127 000 Euro aus den Spendenmitteln ein, die der Landsmannschaft aus dem Gruppenversicherungsvertrag mit der Hamburg-Mannheimer zufließen. Dies zeigt, dass das Sozialwerk vielseitige Aufgaben auch für die Landsleute in Deutschland wahrnimmt.

Die Rechnungsprüfer Alfred Mrass und Harald Janesch stellten fest, dass das Sozialwerk in der letzten Amtszeit gut und ordnungsgemäß gewirtschaftet habe. Nach der Entlastung des alten Vorstandes wurde unter der Wahlleitung von Erhard Graeff ein neuer Vorstand gewählt. Peter Pastior wurde als Vorsitzender und Wolfram Schuster als Schatzmeister im Amt bestätig. Neu gewählt wurden Heidemarie Weber als stellvertretende Vorsitzende und Christa Wandschneider als Schriftführerin. Durch diese Verjüngung erhofft sich das Sozialwerk auch neue Impulse für die Herausforderungen der kommenden Zeit.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2007, Leitartikel)

Link:

Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen

Schlagwörter: Sozialwerk, Rumänienhilfe, Landsmannschaft

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