15. Mai 2008

Baden-Württemberg will kulturelle Aufgaben gemeinsam mit Siebenbürger Sachsen wahrnehmen

Baden-Württemberg will in Partnerschaft mit den Siebenbürger Sachsen gemeinsame Aufgaben für die kulturelle Vielfalt in Deutschland und in Siebenbürgen wahrnehmen. Diese feste Zusage der Landesregierung hat Helmut Rau MdL, Minister für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl übermittelt. In seiner Festrede am Pfingstsonntag, dem 11. Mai 2008, würdigte der CDU-Politiker den Einsatz der Siebenbürger Sachsen, die politisch und kulturell an der Zukunft Siebenbürgens mitwirken. Der Kultusminister ermunterte die junge Generation in DEutschland, Sprachen zu lernen und Osteuropa neu zu entdecken. Raus Rede wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Sehr geehrter Herr Bundesvorsitzender Dr. Fabritius, lieber Herr Landtagspräsident Norbert Kartmann, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Hammer, sehr geehrter Herr Bürgermeister Johannis, sehr geehrter Herr Prof. Porr, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich bin heute sehr gerne hierher gekommen nach Dinkelsbühl, um beim Treffen der Siebenbürger Sachsen dabei zu sein. Ich bin ein Schwabe, und das bin ich ein Leben lang geblieben. Im vergangenen Jahr durfte ich in Siebenbürgen zu Gast sein. Wir haben eine offizielle Reise gemacht, und ich freue mich sehr, Klaus Johannis hier wieder zu treffen. Wir haben in Hermannstadt mehrfach miteinander sprechen können. Es war faszinierend, was aus Hermannstadt gemacht worden ist, in diesem Jahr als Europäische Kulturhauptstadt.

Kultusminister Helmut Rau während seiner ...
Kultusminister Helmut Rau während seiner Ansprache beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen am 11. Mai 2008 in Dinkelsbühl. Foto: Petra Reiner
Ich glaube, es hätte nichts Besseres passieren können, um ganz Europa auf Siebenbürgen blicken zu lassen, und es kann auch für die Zukunft nichts Besseres passieren, als wenn man mit solchen Leistungen nachweisen kann, was in diesem Land, in dieser Stadt, in ganz Siebenbürgen möglich ist. Ich habe Schäßburg besucht, Birthälm und Mediasch, und habe gesehen, mit wie viel Einsatz die Siebenbürger Sachsen, die noch im Land sind, in diesem Land am Aufbau arbeiten und wie gerne ihnen Verantwortung übertragen wird. Wenn Sie allein die Kräfteverhältnisse in Hermannstadt sehen, den Anteil der Deutschen und den Anteil in verantwortlicher Funktion im gewählten Stadtparlament, das ist schon ein Zeugnis für sich. Es zeigt uns aber auch, dass es hier eine Möglichkeit gibt, mit dieser Kultur gestaltend mitzuwirken an der Zukunft Siebenbürgens. Diese Chance in einem offenen, freien Europa wahrnehmen zu können, ist nun wirklich einmalig.

„Brücken über Grenzen“, Ihr Motto: Was Grenzen sein können, das haben Menschen erlebt, die hinter verschlossenen Grenzen leben mussten. Ich lebe seit vielen Jahren an der französischen Grenze. Das war für uns schon lange nicht mehr spannend. Wenn wir nicht über den Rhein gefahren wären, hätte keiner gewusst, dass hier eine Grenze ist. Aber die Grenzen, die den Ostblock hinter dem Eisernen Vorhang zusammengeschweißt haben, aber vom freien Europa fern gehalten haben, die sind gefallen. Demokratie und Freiheit haben gesiegt. Die Chancen, die nun da sind, müssen alle gemeinsam wahrnehmen. Wir haben in Europa mit den nächsten Generationen so viele Möglichkeiten, aber wenn wir wissen wollen, wo es hingehen soll, dann müssen wir auch wissen, wo wir herkommen. Sie haben, Herr Dr. Fabritius, in Ihrer Rede gesagt: Sollen wir Siebenbürger Sachsen bleiben oder sollen wir Europäer werden? Beides natürlich! Sie können nur Europäer sein, weil Sie Siebenbürger Sachsen sind.



Europa hat in seiner Geschichte bewundernswerte Beispiele dafür gehabt, dass die Offenheit, die Wanderung des Geistes in Europa Blüten trägt für alle Länder, für alle Kulturen und Nationalitäten. Denken Sie an die Renaissance, was in dieser Zeit möglich war und entstanden ist, denken Sie an Philipp Melanchthon, den „Praeceptor Germaniae“, der in ganz Europa gewirkt hat und seine geistigen Früchte über viele Schüler nach Europa verteilen konnte. Wir dürfen nicht nur darüber reden, dass das möglich ist, wir müssen es auch wahrnehmen. Wir in den alten freien Ländern Europas, die schon lange gewohnt sind, mit offenen Grenzen zu leben, haben es auch nicht so stark wahrgenommen. Vor 700 Jahren, also kurz nachdem sich die Siebenbürger Sachsen, als sie noch nicht Sachsen hießen, von der Obermosel aufgemacht haben nach Siebenbürgen, kurz danach begann die Wanderung der Handwerksgesellen in Europa. Es waren anderthalb Prozent der damals jungen Leute, die Handwerksgesellen wurden. Heute sind es anderthalb Prozent der Auszubildenden, die in Europa in verschiedenen Ländern ihre Ausbildung machen. Das ist noch gar nichts, da ist noch viel drin. Lassen Sie uns die Chancen gemeinsam nutzen, ermuntern wir die Jungen, in ihrem Bildungsprozess Sprachen zu lernen, in andere Länder zu gehen, und ermuntern wir die Jungen, gerade hier in Deutschland, die Länder Osteuropas neu zu entdecken, weil es heute möglich ist, in einen gerechteren, faireren Austausch zu treten.

Ich überbringe Ihnen heute die Grüße unseres Ministerpräsidenten, der kurzfristig nach Frankreich musste. Unser Ministerpräsident Günther Oettinger wird im Juni Hermannstadt besuchen und auch er wird deutlich machen, welches große Interesse wir an der Zusammenarbeit haben. Und da geht es nicht nur um Investitionen. Da geht es um Dinge, die für Siebenbürgen, für uns wichtig sind, weiter zu entwickeln. Ich habe mit großem Problembewusstsein gesehen, wie es um die deutschen Schulen in Rumänien steht. Sie brauchen Lehrkräfte, die auf Deutsch unterrichten können, sonst sind sie am Ende keine deutschen Schulen mehr. Wir wollen Ihnen dabei helfen in der Lehrer-Ausbildung und durch Lehrer, die wir entsenden. Ich verrate kein Geheimnis, dass es heute leichter ist, einen Lehrer zu finden, der bereit ist, an einer deutschen Schule in Australien zu unterrichten, als nach Rumänien oder in ein anderes Land Osteuropas zu gehen. Aber dort haben wir Aufgaben. Das Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt, die Bergschule in Schäßburg haben mir deutlich gemacht, dass dort große Chancen für die Jugendlichen geschaffen werden, mit diesem Kulturgut der deutschen Schulen nach Europa aufzubrechen. Wir werden auch unsere Bundesregierung bitten, obwohl wir in Deutschland ein kompliziertes Geflecht der Zuständigkeit für Bildungspolitik haben, daran mitzuwirken.

Wir haben in Baden-Württemberg aus Überzeugung von dieser Aufgabe die Donauschwäbische Kulturstiftung gegründet. Mit dieser Stiftung werden wir auch in Zukunft in den Ländern, die an der Donau liegen, unsere Partnerschaft unter Beweis stellen. Bitte nehmen Sie das als eine feste Zusage der Landesregierung aus Baden-Württemberg, dass wir in guter Partnerschaft gemeinsame Aufgaben für Sie sehen, für die kulturelle Vielfalt hier im Land und in Siebenbürgen zu sorgen. Wir sind froh, dass diese gute Form der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und uns besteht und wir wollen Sie gerne in eine gute Zukunft führen. Herzlichen Dank. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Pfingstfest.

Schlagwörter: Heimattag 2008, Baden-Württemberg, deutsch-rumänische Beziehungen

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