26. November 2008

Schieflage im Rentenrecht kritisiert

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hat die seit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union belastende Rentenpraxis wiederholt kritisiert. Diese Problematik hat der Beirat für Spätaussiedlerfragen beim Bundesministerium des Inneren unter der Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner, MdB, am 18. November in Berlin erörtert. Der Bundesvorsitzende des Verbandes, Dr. Bernd Fabritius, der wegen dieses Schwerpunktthemas zur Sitzung eingeladen worden war, berichtete über die derzeitige Schieflage und forderte die anwesenden Mitglieder des Beirates sowie die Vertreter der Ministerien, Bundesbehörden und Länder auf, sich für eine Verbesserung der Behördenpraxis einzusetzen.
Erster Tagesordnungspunkt der Sitzung war der Bericht über die geplante Reform des Vertriebenenrechtes. In einer achten Novelle des Bundesvertriebengesetzes (BVFG) soll die für 2009 vorgesehene Befristung erteilter Aufnahmebescheide aufgegeben werden. Damit werden die von unserem Verband angemeldeten Bedenken aufgegriffen (siehe Leitartikel des Bundesrechtsreferenten Dr. Johann Schmidt in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 28. Februar 2007). Ziel der Gesetzesänderung ist es, den im Herkunftsgebiet lebenden Landesleuten, die im Besitz einer Zuzugsgenehmigung sind, zu ermöglichen, sich ohne Zeitdruck zu entscheiden, ob sie im Herkunftsgebiet bleiben wollen oder nicht. Weiter ist geplant, Schutzfristen des Staatsangehörigkeitsrechtes auf das Vertriebenenrecht auszudehnen. Eine Rücknahme von Anerkennungsentscheidungen soll, ähnlich wie beim Staatsangehörigkeitsrecht, nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren möglich sein. Auch obsolet gewordene Regelungen werden aufgegeben: Zukünftig sollen die Länder nicht mehr für Altfälle der Spätaussiedleranerkennung zuständig sein.

Unbefriedigende Situation im Rentenrecht

Hauptthema der Sitzung war die für unsere Landsleute unbefriedigende Situation im Rentenrecht. Wie in dieser Zeitung mehrfach berichtet, gilt ein Antrag auf Altersrente in Deutschland – gemäß Vorschriften der Europäischen Union – gleichzeitig auch als Antrag auf Rente aus dem Herkunftsgebiet, sofern dieses Mitglied der EU ist. Das Europäische Sozialrecht sieht aber auch die Möglichkeit vor, den Beginn der Altersrenten in allen anderen EU-Ländern, also auch in Rumänien oder den baltischen Staaten, durch eine schriftliche Erklärung gegenüber den Rentenbehörden aufzuschieben (Art. 44 VO – EWG – 1408/71). Die meisten Siebenbürger Sachsen haben von diesem Recht Gebrauch gemacht und eine Aufschuberklärung gegenüber der Deutschen Rentenbehörde abgegeben. Sie wollten damit einen Rentenbezug aus dem Herkunftsgebiet, der bisher nur dort und in Fremdwährung möglich ist und gleichzeitig zu einer Kürzung ihrer deutschen Rente führt, vermeiden.

Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius informierte die Mitglieder des Spätaussiedlerbeirats über die bestehende Schieflage und aktuelle Entwicklungen. Angesichts des aufeinander nicht abgestimmten europäischen und deutschen Sozialrechts hätten die deutschen Rentenbehörden eine falsche Weichenstellung vorgenommen und die Rentenantragsteller, die das erwähnte Dispositionsrecht genutzt haben, mit Sanktionen belegt.

Renten sind Lebensgrundlage und dürfen nicht so starken Unsicherheiten ausgesetzt werden

„Dieser Fiktivabzug entbehrt einer gesetzlichen Grundlage“, kritisierte Fabritius. Stattdessen sei es besser gewesen, jene Gründe anzugehen und zu beseitigen, die die Betroffenen zur Nutzung ihres Dispositionsrechts bewegten. Fabritius informierte die anwesenden Vertreter des zuständigen Bundesarbeitsministeriums darüber, dass rumänische Rentenanteile nur in seltenen Ausnahmefällen in Euro auf das Konto der Berechtigten in Deutschland überwiesen werden. Dies habe die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern als zuständige Verbindungsstelle Ende Oktober festgestellt. Deswegen habe sich diese Behörde bereit erklärt, selbst bei Erlass eines Rentenbescheides in Rumänien auf einen Fiktivabzug zu verzichten, solange die Betroffenen in Deutschland keine Zahlung in Euro erhalten haben. Diese Lösung sei auch anderen Rententrägern zu empfehlen, sagte Fabritius. In letzter Zeit sei eine „Verschärfung der verwaltungsmäßigen Hürden“ zu beobachten: Betroffenen, die das Verfahren in Rumänien durchführen lassen, werde keine Rentenzahlung angeboten, sondern sie erhielten mehrseitige fremdsprachige Anfragen und werden aufgefordert, diese bei einem Notar beglaubigen zu lassen. In Einzelfällen würden zweisprachige Formulare versendet, mit denen die Antragsteller aber auch überfordert seien. „Die Situation ist insgesamt nicht mehr tragbar“, betonte der Bundesvorsitzende und forderte die Rentenbehörden nachdrücklich auf, „die beschädigte Vertrauensbasis beim Personenkreis der Betroffenen wieder herzustellen. Renten sind die Grundlage zum Lebensunterhalt nach einem von Schicksalsschlägen geprägten Arbeitsleben, und Rentner dürfen nicht derartigen Unsicherheiten ausgesetzt werden.“

Rentenzahlungen auch ins Ausland

Der Europäische Gerichtshof habe im Dezember 2007 entschieden, dass auch Rentenanteile nach dem Fremdrentengesetz bei Wohnsitzverlegung in ein anderes EU-Land (z.B. zurück nach Rumänien) weiter gezahlt werden müssen. Diese Rentenanteile seien also keine Ermessensleistungen, die dem Belieben der Rententräger ausgesetzt sind, sondern sie hätten den Charakter einer gebundenen Sozialleistung.

Der Aussiedlerbeauftragte zeigte Verständnis für die Anliegen unseres Verbandes und der Betroffenen und bat die Vertreter des zuständigen Ministeriums, dem Spätaussiedlerbeirat einen Sachbericht zu übermitteln, in welchem die Situation umfassend dargestellt werde.

Dialog mit Rentenbehörden

„Der Verband der Siebenbürger Sachsen wird den engen Dialog mit allen beteiligten Rentenbehörden und Ministerien so lange fortführen, bis die Situation für alle Betroffenen befriedigend geregelt wird“, erklärte Dr. Bernd Fabritius gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung. Bis dahin wird Betroffenen weiterhin empfohlen, sich gegen die Kürzung der Rente durch Widersprüche, Klagen und bei finanzieller Not auch durch Anträge im einstweiligen Rechtsschutz zu wehren. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte bestätigt zwischenzeitlich bundesweit die Rechtsauffassung unseres Verbandes.

Verfahrensänderung im Rentenrecht

Das Formular R 851, das die deutschen Rentenbehörden bisher zwecks Einleitung der Rentenverfahren in Rumänien gefordert haben, wurde nun in die allgemeinen Fragebögen eingearbeitet. Es wird nur noch in seltenen Fällen angefordert. Die Zurückbehaltung des Formulars R 851 reicht allerdings nicht aus, um das europäische Dispositionsrecht zu nutzen. Die Rentenbehörden fragen die gleichen Daten nun anhand anderer Formulare ab und leiten das Verfahren in Rumänien trotzdem ein. Wenn Betroffene den Leistungsbeginn in Rumänien entsprechend des Dispositionsrechtes aus Art. 44 VO (EWG) 1408/71 aufschieben möchten, müssen sie dieses – wie bereits mehrfach berichtet – durch eine schriftliche Erklärung tun, die sie gleichzeitig mit ihrem Rentenantrag in Deutschland einreichen. Hilfestellung erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung im Fremdrentenrecht und im Europäischen Sozialrecht.

Schlagwörter: Rechtsfragen, Rente, Fabritius, Fremdrente

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Neueste Kommentare

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  • 13.10.2016, 12:18 Uhr von getkiss: Der Beitrag stammt aus 2008. Wurden die Probleme inzwischen geklärt? Ich bräuchte eine klare ... [weiter]

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