21. Februar 2014

„Dinkelsbühl hat den Aussiedlern enorm viel zu verdanken“

„Menschen Heimat geben“ – diese Herausforderung an die Politik erörterten Mandatsträger verschiedener Ebenen am 15. Februar in Dinkelsbühl. Auf Einladung der mittelfränkischen Union der Vertriebenen und Aussiedler (UdV) beleuchteten Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer, der Bundestagsabgeordnete Dr. Bernd Fabritius, der zugleich Bundesvorsitzender des Verbandes ist, und der Europaabgeordnete Bernd Posselt dieses Thema jeweils aus ihrem Blickwinkel.
„Dinkelsbühl hat den Heimatvertriebenen und Aussiedlern enorm viel zu verdanken, sie waren und sind ein Glücksfall für unsere Stadt“, betonte Oberbürgermeister Dr. Hammer. Der Zustrom der Neubürger aus dem Osten habe die Stadt aus einem über Jahrhunderte andauernden Dornröschenschlaf geweckt und einen Aufbruch in eine neue wirtschaftliche Dynamik ermöglicht.

Schlechte Politik kann Heimat auch vernichten, stellte Dr. Bernd Fabritius fest. „Aus Rumänien mussten wir damals weg, weil uns dort durch Assimilationsdruck sonst unsere eigene Identität und damit unsere kulturelle Heimat genommen worden wäre“, schilderte Fabritius die Not seiner Landsleute. Die Wende in Rumänien habe damals niemand vorhersagen können. Heute, nach der Demokratisierung und dem EU-Beitritt Rumäniens, seien die Siebenbürger Sachsen dort wieder willkommen und könnten sich auch wieder heimisch fühlen. „Der europäische Einigungsprozess hat uns die alte Heimat wieder ein Stückchen näher gebracht. Darüber hinaus sind wir auch in Deutschland zu Hause. Heimat ist auch dort, wo man sich willkommen fühlt“, schloss Fabritius aus dieser Erfahrung.
Diskussion in Dinkelsbühl, von links: Christoph ...
Diskussion in Dinkelsbühl, von links: Christoph Hammer, Bernd Fabritius, Christoph Lippert und Bernd Posselt. Foto: Lukas Geddert
Den Gedanken, dass Menschen auch mehrere Heimaten empfinden können, griff auch Bernd Posselt auf. Der Europaabgeordnete, der auch Sprecher der Sudetendeutschen ist, beobachtet dieses Phänomen aktuell bei der Enkel-Generation der Heimatvertriebenen. Diese jungen Leute seien zweifellos in den Regionen beheimatet, in denen sie geboren und aufgewachsen seien. Dennoch empfänden viele von ihnen eine besondere Verbindung zu ihrer „Wurzelheimat“, also der Heimat, aus der ihre Großeltern vor über 65 Jahren vertrieben worden seien.

Ausführlich diskutiert wurde auch die Herausforderung, Menschen Heimat zu geben, die heute aus anderen Ländern zu uns kommen. Die Politiker waren sich einig über die Notwendigkeit, hier die verschiedenen Gruppen klar zu unterscheiden. Innerhalb der Europäischen Union seien alle Bürger als Inländer zu behandeln, betonte der Europa-Politiker Posselt. Bei den Menschen, die von außerhalb kämen, gelten für Zuwanderer, Asylbewerber und Flüchtlinge jeweils ganz unterschiedliche rechtliche Bedingungen. Fabritius unterstützte Posselts Ausführungen und ergänzte, dass der Wegfall der Binnengrenzen innerhalb der EU zwangsläufig eine gemeinsame Sicherung der Außengrenzen und eine gemeinsame Flüchtlings- und Asylpolitik erforderlich machte. „Deutschland tut ja viel, aber wir können die Armutsproblematik in der ganzen Welt nicht alleine lösen, und schon gar nicht durch unsere Sozialsysteme. Das muss vorrangig in den Ländern geschehen, wo ­Armut vorhanden ist“, kommentierte der Bundestagsabgeordnete eine Intervention aus dem Publikum bezüglich der Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen in Deutschland.

Unterschiedliche Gruppen müssten auch unterschiedlich behandelt werden. Menschen, die auf der Flucht vor Folter und Tod bei uns Zuflucht suchten, seien nicht gleich zu setzen mit solchen, die nur nach Deutschland kommen, um hier Sozialleistungen einzufordern und sie an ihre Familien im Herkunftsland weiterzuleiten. „Dinkelsbühl ist und bleibt eine offene und gastfreundliche Stadt. Wir sind gerne bereit, den Zuwanderern Heimat zu geben, die hier Heimat suchen, und denen unsere Hilfe rechtlich zusteht“, brachte Hammer die Herausforderung für seine Kommune auf den Punkt.

„Menschen Heimat geben“ als Herausforderung an die Politik bedeutet die Bereitschaft, Zuwanderer aufzunehmen und einzugliedern, aber gleichzeitig ihre kulturelle Identität zu respektieren. „Integration, nicht Assimilation – das muss das Ziel der Politik auf allen Ebenen sein“, fasste Christoph Lippert, Bezirksvorsitzender der Union der Vertriebenen, die Diskussion zusammen. Das Beispiel Dinkelsbühl als typisch fränkische Stadt und gleichzeitig als Heimstatt der Sudetendeutschen des Heimatkreises Mies-Pilsen und Partnerstadt der Siebenbürger Sachsen macht deutlich: Dieser Ansatz ist erfolgreich und richtig.

Schlagwörter: Dinkelsbühl, Podiumsdiskussion, Christoph Hammer, Bernd Fabritius

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Neueste Kommentare

  • 21.02.2014, 09:26 Uhr von SBS aus BW: Sehr geehrter Herr Fabritius (und Diskussionspartner), welcher Kategorie ordnen Sie jene ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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