30. Oktober 2014

250 Jahre seit der ersten Erwähnung des Kronenfestes in Siebenbürgen

Vor 250 Jahren erwähnte der Heltauer Pfarrer und spätere Hermannstädter Stadtpfarrer Martin Felmer erstmals den siebenbürgisch-sächsischen Brauch des „Baumsteigens“ in Großscheuern. Über dieses bäuerliche Fest in Großscheuern haben unsere Mundart- und Heimatdichterin Maria Gierlich-Gräf, die Lehrer Johann Grau, Friedrich Hartmann sowie Michael Guist und auch Pfarrer Hermann Kraus und Zeitungsredakteur Ewald Zweyer in Berichten zum Archiv unserer Heimatgeschichte ausführlich geschrieben.
In Großscheuern wurde das „Kronenfest“ nach alter Tradition immer am Peter- und Paulstag (29. Juni) gefeiert. Erst nach 1945, als politisch bedingt eine Umdeutung des Festes stattfand, wurde es auf den darauffolgenden Sonntag verlegt. Bis zum 2. Weltkrieg wurde es von der Bruder- und Schwesternschaft veranstaltet. Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren konnte das Peter- und Paulsfest nicht gefeiert werden. Erst 1953 gelang es einigen mutigen Mitgliedern der Bruderschaft, den alten Brauch wieder aufleben zu lassen. Doch schon 1958 kam unter politischem Druck das Verbot der Bruder- und Schwesternschaft und führte zu einer erneuten Unterbrechung. Nach 1962 konnte dank des beherzten Einsatzes der Lehrerinnen und Lehrer, des neuen Kulturheimleiters Friedrich Hartmann sowie der dem Gemeinschaftsleben dienlichen Tätigkeit des Pfarrers Hermann Kraus die Feier des Kronenfestes/Peter- und Paulstages 1966 wieder aufgenommen werden. Der „Kronenbaum“ durfte wieder wie früher auf dem zwischen Kirche und Schule gelegenen gemeinsamen „Kirch-/Schulhof“ aufgestellt werden, wo nach den Feierlichkeiten auch die Tanzunterhaltung stattfand. Dazu spielte stets die Großscheuerner Blaskapelle auf. Traditionsgemäß durften nur die Jugendlichen tanzen und an diesem Tag war nach altem Brauch durchgehend Damenwahl. Das Fest war so wieder zu einem Höhepunkt im Jahresablauf geworden und erfreute sich zunehmender Beliebtheit. Da beschlossen die Lehrerinnen und Lehrer mit Genehmigung der Schul- und Kulturheimleitung, ab 1972 auch ein Kronenfest der Kinder zu feiern, das am darauffolgenden Sonntag stattfand.

Von 1977 bis 1984 wurde das Kronenfest überwiegend vom Lehrerpaar Waltraud und Michael Guist organisiert und mit Trachtenaufmärschen und Tänzen der Jugend und Kinder gestaltet. Sie waren auch die Leiter der in Siebenbürgen bekannten Großscheuerner Tanzgruppe, die mit der Deutschen Abteilung des Hermannstädter Staatstheaters zwei volkstümliche Abende mit über 50 Auftritten gestaltet hatten. Sie konnten zu der Zeit auf einen Stamm geübter Volkstänzerinnen und Volkstänzer (24 Jugend-, acht Schulkinder-, acht Vorschulkinderpaare) bauen und den traditionellen Aufmarsch mit neuen Elementen und einigen Volkstänzen anreichern. 1982 wurde das Kronenfest der Jugendlichen und der Kinder zusammengelegt. So konnten, obwohl die Auswanderung nach Deutschland schon beträchtlich zugenommen hatte, in Großscheuern bis zu 120 Trachtenpaare unter der Krone aufmarschieren.
Kronenfest in Großscheuern, 1982. Archiv Michael ...
Kronenfest in Großscheuern, 1982. Archiv Michael Guist
Berichte in der lokalen Presse und auch in ­Mitteilungsblättern von Volkstanzkreisen in Deutschland machten das Großscheuerner Kronenfest auch jenseits der Landesgrenzen bekannt und weckten das Interesse deutscher Volkstanzkreise, sich diesen Brauch vor Ort anzusehen. So kam 1984 überraschend unangemeldeter Besuch von Tänzerinnen und Tänzern der „DJO Deutsche Jugend in Europa, Land Baden-Württemberg e.V., Volkstanzgruppe Karlsruhe“. Während ihres dreitägigen Aufenthaltes in Siebenbürgen nahmen sie in Großscheuern sowohl an einer Probe der Tanzgruppe als auch am Fest teil. Sie durften in Anwesenheit des Bürgermeisters von Großscheuern eine Probe ihres Könnens abgeben und ihre Trachten aus vielen Gegenden des deutschsprachigen Raumes zeigen. Über diesen Besuch schrieb der Leiter des Volkstanzkreises nach der Rückkehr nach Deutschland im Mitteilungsblatt der DJO: „Höhepunkt unseres Aufenthaltes war das Kronenfest, sehr beeindruckend war, als über 100 Paare, nicht älter als 25 Jahre, in Tracht ihren Auftanz um den Kronenbaum tanzten. Der Altknecht kletterte dann auf den Kronenbaum und hielt seine Ansprache; auch unserer kleinen Gruppe war es vergönnt, einige Tänze zu zeigen. Die Leute waren alle sehr freundlich zu uns und luden uns in ihre Häuser ein. Mit der beklemmenden Frage, was wohl mit dieser Volkstanzgruppe werden wird, verließen wir Siebenbürgen.“

Zu vermerken ist, dass durch die Aussiedlung Mitglieder dieser Tanzgruppe nach Ingolstadt, Rüsselsheim, Göppingen, Mainleus, Herzogenaurach etc. kamen und zum Teil wieder aktiv wurden. In Ingolstadt wurde 1992 auf Initiative von Stefan Groß die HOG Großscheuern/Ingolstadt e.V. gegründet. Zu diesem Verein gehörten die Blaskapelle, die Tanzgruppe und die Trachtengruppe. Bald wurde ein Baum mit Krone in der Werkstatt von Michael Gräff angefertigt und das erste Kronenfest in Ingolstadt wurde gefeiert. Mit diesen Kulturgruppen konnte Stefan Groß immer wieder an verschiedenen Kulturveranstaltungen in Ingolstadt und ganz Bayern teilnehmen. Bis heute waren es über 250 Auftritte. 1994 konnten sie zusammen mit der Großscheuerner Blaskapelle am Vorabend des Münchener Oktoberfestes im Zirkus Krone in München erfolgreich auftreten und ernteten in der traditionellen Großscheuerner Festtracht großes Aufsehen und Applaus.

Am 6./7. September 2014 fand zum 2. Mal nach 2012 das vom Kulturamt der Stadt Ingolstadt ins Leben gerufene „kultURIG Festival“ im Ingolstädter Klenzepark statt, an dem sich durch die Initiative von Stefan Groß wiederum die Großscheuerner Tanzgruppe, die Blaskapelle sowie eine größere Gruppe in Tracht beteiligten und die Vielfältigkeit der Großscheuerner Festtracht zeigte.

Lukas Groß

Schlagwörter: Kronenfest, Großscheuern, Jubiläum, Brauchtum

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