7. September 2017

Schloss Horneck auf gutem Weg zum Siebenbürgischen Kultur- und Begegnungszentrum

Blitze zucken, Donner grollt, grüne Felder verschwimmen mit dem grauen Horizont. Noch ein paar Serpentinen, dann drosselt Axel den Motor. „Gleich sieht man es“, zeigt Heidi auf die Talsenke. Sekunden später rollen wir durch Gundelsheim. Der Regen hält inne. Vor uns erhebt sich eine gewaltige Mauer: gelbe Wände, Fenster mit adretten schwarzweißen Läden; Statuen zieren den Eingang. Dahinter windet sich der Neckar wie ein sanfter Lindwurm durch tiefgrüne Weinberge. „Ist es nicht ein bisschen wie Siebenbürgen?“, schwärmt Heidi und erklärt, dass sie die weichen Linien dieser Landschaft unbedingt im Corporate Design des Medienkonzepts für Schloss Horneck wiederfinden wollte. „Auch, um etwas von der Härte der letzten Ereignisse herauszunehmen ...“
Schloss Horneck ist ein Ort geballter Erinnerungen. Ein Nukleus der Wissenschaft. Ein Zentrum der Identifikation für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland: Hier hat nicht nur das Siebenbürgen-Institut der Universität Heidelberg seinen Sitz, zentrale Forschungs- und Dokumentationsstelle für Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen, mit Archiv und Bibliothek mit über 80000 Titeln, sondern auch das Siebenbürgische Museum, das 2018 sein fünfzigjähriges Bestehen feiern wird. Vor zwei Jahren war dies alles in Gefahr …

Das Wunder ist geschehen!

„Was Schloss Horneck für die Sachsen bedeutet, hat mir erst Heidi klargemacht“, erklärt Unternehmensberater Dr. Axel Froese, der den Wagen steuert. Spontan hatten sich die beiden bereit erklärt, uns das Schloss zu zeigen, für dessen Zukunft sie sich mit Leib und Seele einsetzen. „Es ist ein Identifikationsort – das hab ich dann auch emotional begriffen.“ Seit 15 Jahren restrukturiert er in Schieflage geratene Immobilienprojekte mit einem Volumen ab zehn Millionen Euro. „Oft veralten Konzepte, wenn man nicht rechtzeitig umsteuert“, erläutert er, was bei dem auf Schloss Horneck beheimateten Alten- und Pflegeheim des Hilfsvereins Johannes Honterus schiefgegangen war. Weil die Kosten für einen Auszug der oben genannten Kultureinrichtungen zu hoch gewesen wären, wurde schnell klar: Die einzige Chance war, das Schloss zu kaufen. Doch woher so viel Geld? Der Verband der Siebenbürger Sachsen setzte sich ein. Verbandspräsident Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzende Herta Daniel und Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff wandten sich an potenzielle Spender, an die Heimatsortsgemeinschaften (HOG) und an die Carl Wolff Gesellschaft (CWG). Was dann kam, grenzt an ein Wunder: „Schon am ersten Tag haben sie 450.000 Euro hereinbekommen, von Privatpersonen!“, staunt Froese. „Was mich am meisten berührt hat – eine alte Dame, die selbst nicht mehr zur Bank gehen konnte, wurde hin gefahren und hat 10.000 Euro gespendet.“ Auch die CWG – ein Unternehmerverband mit siebenbürgisch-sächsischem Hintergrund – startete eine Initiative; zudem konnten Großspender gewonnen werden. „Innerhalb von drei Monaten hatte der Verband 1,4 Millionen – eine irre Summe!“ Dann kam letzten November die Nachricht, dass der Deutsche Bundestag 1,9 Millionen Euro im Bundeshaushalt für das Schloss Horneck reserviert hat, erzählt Heidrun Negura weiter – eine traumhafte Nachricht. Doch bis zur Realisierung des Traums ist harte Arbeit angesagt: Baupläne, Kostenkalkulation, Betriebskonzept über 25 Jahre. Das Marketingkonzept hat sie selbst entwickelt. Es geht von einem Leitbild aus, das nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes zur Bewahrung von Kultur und Geschichte von Spätaussiedlern und Vertriebenen förderfähig sein muss. Beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl stellten die beiden zusammen mit Dr. Konrad Gündisch, seit Januar 2016 Vorsitzender des Siebenbürgischen Kulturzentrums „Schloss Horneck“ e.V., dies alles vor: das Schloss soll ein Kultur- und Begegnungszentrum für Siebenbürger Sachsen werden, mit Traditionsfesten, Märkten, Kulturtagen, wissenschaftlichen Workshops und mehr zum Thema Siebenbürgen – doch nicht nur. Um die Wirtschaftlichkeit dauerhaft zu garantieren, ist eine Öffnung für Tourismus, Unternehmen, Tagungen und Events nötig. 15 bis 18 Monate Bauzeit müsse man nun ansetzen. Optimistisch betrachtet könnte das Schloss im März 2019 fertig sein.
Schloss Horneck – die Außenmauern wurden in ...
Schloss Horneck – die Außenmauern wurden in mühevoller Kleinarbeit von Hausmeister Georg Mick vom Wildwuchs befreit. Foto: Konrad Gündisch
Mittlerweile arbeitet ein „kleines, aber sehr feines Team reibungslos, zielorientiert und effizient zusammen“, lobt Konrad Gündisch. Die Architekten Hans-Georg Göbbel und Udo Klamer, die Ingenieure Werner Zacharides und Hartmut Gündisch bilden das Bauteam; um Management, Betriebskonzept, Finanzierung, Steuern und Förderanträge kümmern sich Dr. Konrad Gündisch, Dr. Axel Froese und Gwendoline Roth; für Marketing und Werbung sind Heidrun Negura, Lucian Binder-Catana und Dr. Evelyn Rusdea zuständig; die Schlossverwaltung obliegt Martina Handel und Georg Mick. „Heidi war ein wichtiger Motor bei der Zusammenstellung des Teams“, fügt er an.

Wie es dazu kam, erzählt diese auf der Fahrt: „Ich hatte letztes Jahr das Gefühl, Konrad Gündisch wegen Schloss Horneck kennenlernen zu müssen.“ Sie überzeugte Axel, der selbst kein Siebenbürger Sachse ist, deshalb zum Heimattag nach Dinkelsbühl zu fahren. Zwei Tage lang wollte es mit einem Treffen partout nicht klappen. Dann, kurz vor der Abfahrt, saß Gündisch beim Holzfleischessen zufällig neben ihnen! Man freundete sich an, traf sich wieder. Eines Tages, nachdem Gündisch zwei Stunden lang über Schloss Horneck erzählt hatte, zeichnete Axel Froese ein Mindmap, das auf einem einzigen Stück Papier die Komplexität der Probleme veranschaulichte. Irgendwann sagte er: „Okay, Konrad, ich helf’ dir bei der Ausarbeitung des neuen Betriebskonzepts.“ Nun begann ein Wettlauf mit der Zeit, um alle Anforderungen rechtzeitig zu erfüllen, die für die Auszahlung der Fördermittel durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Landesamt für Denkmalschutz benötigt werden.

Die Reaktionen beim diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl waren durchgehend positiv, resümiert Konrad Gündisch. „Wir sind erstmals mit einem modernen, ausgereiften und ansprechenden Medienkonzept vor die Öffentlichkeit getreten und haben überzeugt.“ Was er nicht verstehen kann, sind einige Stimmen in Social Media, dass jeder Euro, der nicht in Rumänien für die Erhaltung siebenbürgisch-sächsischen Kulturguts ausgegeben werde, Verschwendung sei. „Wie kurzsichtig kann man nur denken? Sind die Objekte und Publikationen, die auf Schloss Horneck gesichert und präsentiert werden, nicht auch siebenbürgisch-sächsische Kulturgüter? Darf man siebenbürgisch-sächsische Kultur und Geschichte nur in Rumänien bewahren und weiterentwickeln? Oder hat auch die Mehrheit der Gruppe, die nun mal seit Jahrzehnten in Deutschland und in der weiten Welt lebt, kein Recht, ihre Kultur zu pflegen? Diese selbstbezogene Engstirnigkeit kann und will ich nicht nachvollziehen!“ Schloss Horneck ist ein zentraler Erinnerungsort der Siebenbürger Sachsen aus aller Welt. „Das bleibt er auch im nächsten Vierteljahrhundert – und darüber hinaus“, meint Gündisch überzeugt.

Nina May

Schlagwörter: Schloss Horneck, Erfahrungsbericht

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  • 07.09.2017, 19:06 Uhr von Doris Hutter: Was für eine gute Idee, Herrn Dr. Froese nach Dinkelsbühl zum Heimattag mitzunehmen, geehrte Frau ... [weiter]

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