4. April 2021

Unsere Welt im Licht von Ostern sehen

Der auf dem Titelblatt abgebildeten Skulptur des Künstlers Helmut Droll bin ich auf dem „Weg der Besinnung“ nahe dem Heiligenhof in Bad Kissingen begegnet. Die dortigen Kirchengemeinden haben ihn gemeinsam angelegt. Er soll helfen, die gewohnten Wege zu unterbrechen und den Blick über das Vordergründige, über das vor Augen Liegende hinaus zu weiten, Durch-Blick zu bekommen, und so zu einer neuen Sicht des Lebens zu gelangen.
Christusskulptur „Ausblick“ von Helmut Droll, Bad ...
Christusskulptur „Ausblick“ von Helmut Droll, Bad Kissingen. Foto: Brigitte Droll, Euerdorf
Diese Skulptur zieht sofort den Blick in ihren Bann. Sie hat mich fasziniert und nicht mehr losgelassen. Es ist ein Kreuz. Aber ein ungewöhnliches. Bei genauem Hinsehen erkennen wir darin die Umrisse des Gekreuzigten. Der Korpus der Figur ist ausgespart. So sieht man durch das Kreuz hindurch die Landschaft mit Weg und Wiese, Bäumen und Bergen, Häusern und Himmel … Verändert man seinen Standpunkt, kommen immer wieder neue Ausschnitte in den Blick. Aber sie bleiben vom Kreuz begrenzt.

Durch das Kreuz die Welt sehen. Indem wir das tun, wird unversehens die Landschaft und damit die Welt selbst zum Korpus, der am Kreuz hängt. Teil dieser Welt sind auch wir mit unserem Leben und Ergehen, mit den Einschränkungen, Bedrohungen und Zwängen, mit unserer Furcht vor Corona und Existenzverlusten, Tod und Trauer. Durch das Kreuz die Welt sehen heißt, sie in dieser Begrenztheit wahrnehmen, von Leiden, Ängsten, Krankheit und Vergänglichkeit gezeichnet.

Durch das Kreuz Jesu die Welt sehen. Das heißt auch sehen, dass die Arme des Gekreuzigten Himmel und Erde, die ganze Welt umfangen, so, als ob er sie liebevoll an seine Brust nehmen würde. Für diese ganze Welt ist er am Kreuz gestorben.

Jedoch, der ausgesparte Körper der Skulptur deutet auch darauf hin, dass das Kreuz leer ist. Er, der daran starb, hängt nicht mehr dran. Es sind nur die Umrisse, die noch daran erinnern. Jesus ist auferstanden zu neuem, unvergänglichem Leben. Auch das ist für uns geschehen. Die dunklen Grenzen des Kreuzes sind durchbrochen. Der Blick bleibt nicht mehr durch das Kreuz begrenzt; das leere Kreuz gibt ihn frei. Wir sehen die Landschaft neu. Durchflutet vom warmen, hellen Licht der Sonne, zeigt sie sich uns in hoffnungsvollem, lebendigem Grün. Je näher wir ans leere Kreuz herantreten, umso mehr weitet sich unser Blick.

Durch das leere Kreuz die Welt sehen. Das heißt, sie im Licht der Auferstehung Jesu sehen, im Licht des neuen Lebens, das am Ostermorgen in die Todesnacht der Welt eingebrochen ist. Das die Welt mit neuer Hoffnung erfüllt. Nicht mehr Leiden, Corona, Ängste und Tod haben das letzte Wort, sondern Befreiung und Freude, das neue, unvergängliche Leben in Gottes Reich.

In diesem Osterlicht steht unser vom Kreuz gezeichnetes Leben, nunmehr entgrenzt, auf die Zukunft Gottes hin offen. In diesem Osterlicht unsere Welt und unser Leben neu zu sehen, dazu möge uns dieses Osterfest verhelfen.

Berthold W. Köber

Schlagwörter: Ostern, Ostergruß, Geistliches Wort, Kirche und Heimat

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Neueste Kommentare

  • 04.04.2021, 09:16 Uhr von Äschilos: Ein wunderbares, aussagekräftiges Kunstwerk ! [weiter]

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