5. April 2021

Samenmosaik von Anni Drotleff für die Dionysiuskirche in Fellbach-Schmiden

„Das Heilige Abendmahl und die Auferstehung“ betitelt Pfarrer Bernd Friedrich das Passionsbild, das Mesnerin Anni Drotleff für die Dionysiuskirche in Fellbach-Schmiden (Rems-Murr-Kreis) gestaltet hat. In einem Flyer hält er die Botschaft des Bildes fest, deren Text im Folgenden gekürzt wiedergeben wird.
Das Samenmosaik „Erntedank 2020“ von Anni ...
Das Samenmosaik „Erntedank 2020“ von Anni Drotleff in der Dionysiuskirche in Fellbach-Schmiden.
„Vorne, nahe der Kerzen, sehen wir ein Stück der Erde, eine Ackerkrume, aber eben nur ein Bruchstück. Damit möchte Anni Drotleff vor Augen führen, wie klein unsere menschliche Macht ist angesichts von Naturkatastrophen oder eben auch dieser aktuellen Pandemie. Nur ein kleines Stück der Schöpfung sind wir in der Lage, ‚zu bebauen und zu bewahren‘ (1. Mose 2,15). […] Der Weinstock, den Sie nun im Passionsbild sehen, ist geformt wie ein Kelch. Er steht für Jesu Blut, eines der beiden Elemente des Heiligen Abendmahls. Ein Weinstock muss oftmals unter rauen Bedingungen den Reben und Trauben Halt geben. Wind, Sonne, Frost und eisige Kälte setzen ihm zu. Auch er kämpft um das Überleben.

Ebenso sind die Weizenähren den Stürmen ausgesetzt. Dennoch trägt ein schmaler, zerbrechlicher Strohhalm die Weizenkörner, bis sie reif werden für die Ernte. Dann dürfen wir daraus unser Brot herstellen, unser aller täglich Brot. Gott schenkt es uns. Das Brot schenkt Leben, wie uns Jesus durch sein Mahl Anteil an ihm und neues Leben schenkt. […] Im Auferstehungslicht tritt Gott uns entgegen mit froher Botschaft: Es gibt Leben für euch, es wird auch wieder besser gehen. Habt Geduld und tut auch etwas dafür. Ihr habt Verantwortung gegenüber euch selber, gegenüber euren Mitmenschen und der Schöpfung. Geht mit Augenmaß vor. Aber habt vor allem Vertrauen, dass ihr nicht alleine seid. […] Erneut hat Frau Drotleff der Gemeinde ein wunderbares Bild geschenkt, das durch seine außergewöhnliche Farbgebung und Formvielfalt besticht.“

Anni Drotleff, Jahrgang 1965, kam als Aussiedlerin 1990 aus dem siebenbürgischen Holzmengen in die Bundesrepublik und ließ sich mit ihrer Familie im württembergischen Fellbach-Schmiden nieder. Bei der Arbeitssuche entschied sich die gelernte Einzelhandelskauffrau, nach einigen Stationen im erlernten Beruf 2002 das Mesneramt in der Dionysiuskirche in Schmiden zu übernehmen. Hier durfte sie zuschauen, wie zwei Schaufensterdekorateure alljährlich zu Erntedank im Chorraum der aus dem 15. Jahrhundert stammenden Kirche, auf dem Boden vor dem Altar, ein Samenmosaik erstellten. Als die Dekorateure ihr Schaffen 2009 nach 32 Jahren einstellten, hatte Anni Drotleff ihnen lange genug über die Schulter geschaut. Sie verspürte ihre Neigung zur naiven Kunst und fasste den Mut, diese Tradition zu Erntedank selber fortzuführen, und es gelingt ihr erstaunlich gut. So schafft sie nun seit 2010 jedes Jahr ein Unikat innerhalb der Woche vor Erntedank. Sie kann erst am Montag beginnen und muss am Samstag damit fertig sein. Das ist keine einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass die Bilder bis 2018 in einer Kreisform mit einem Durchmesser von drei Metern direkt auf dem Boden erstellt wurden. Erst 2019 wurde eine Unterlage gefertigt, die nur noch zwei Meter im Durchmesser hat, auf das Taufbecken gelegt werden kann und erst nach Fertigstellung des Bildes ihren Platz auf dem Boden einnimmt. Es muss dann nur noch der Rand vor Ort ergänzt werden.

Nun zur eigentlichen Kunst am Beispiel des außertourlichen Passionsbildes. Die Idee entstand unter dem Einfluss der aktuellen Pandemie. Bevor Anni Drotleff an die Arbeit geht, bringt sie ihre Gedanken zum Vorhaben zu Papier, skizziert ihre Vorstellung des Mandalas und stellt es Pfarrer Friedrich vor. Er verfasst dann den Text für den Flyer und sie macht sich ans Kunstwerk. Dabei beginnt sie in der Mitte des Bildes und arbeitet sich nach außen vor. Beim Erstellen ihrer wunderbaren, strahlenden Bilder kommt sie ganz ohne (Mal-)Farben aus. Es werden ausschließlich natürliche Materialien verwendet. Reis und Salz für Weiß, Leinsamen für das Braun an Kreuz und Weinstock, der Rand und die Weizenähren werden mit Weizenkörnern gestaltet, für das Grün wird Petersilienlaub genommen und für das Blau des Himmels und der Trauben wird Mohn verwendet. Für die Aurora eignet sich Maismehl und Salz. Der Rand ist zusätzlich mit Teelichtern und Kiefernzapfen verziert.

Das letzte Erntedankbild 2020 entstand auch in Pandemiezeiten. Zu den „Zehn Gebote“ hier gekürzt der erläuternde Text: „Das Erste, was am neuen Erntedankmotiv von Mesnerin Drotleff auffällt, sind die strahlenden, packenden Farben! Sie nehmen unseren Blick gefangen, lenken die volle Konzentration auf diese zentrale Person in der Mitte, die sich rasch durch die beiden Gebotstafeln erklärt. Es ist Mose. Von der Geschichte seines Volkes und ihm als dessen Führer erfahren wir im 2. Buch Mose. Hoch oben im Gebirge Sinai empfängt er von Gott die Gebote als Geschenk und Leitlinie an sein Volk. Das geöffnete Auge links oberhalb von Mose, umgeben von einer Wolke, beschreibt hierbei die Gegenwart Gottes und spielt auf das aus der Kunstgeschichte bekannte Symbol der Dreieinigkeit an. Das heißt: Gott ist dabei im Spiel! Und Gott selbst ist es, der seinen Diener Mose ins Spiel bringt, als Hauptakteur des Geschehens mit seinem Volk Israel. […] Gott schenkt dem Volk Orientierung in Form der Gebotstafeln, mit Mose als seinem Boten und Überbringer. Gott will seinen Menschen damit Wegweisung geben, Halt und Richtung, in unübersichtlichen Lebensphasen. Mit seinen Geboten zeigt er, worauf es ankommt. So erinnern sie auch an ein Gottesverhältnis, das lebendig ist und sich nicht einsperren lässt in ein kleines, goldenes Götzenbild. […] Erntedank ist das Fest der Dankbarkeit für Gottes lebenswichtige Gaben. Dankbar dürfen wir heute sein für Menschen, die im geistlichen Sinne leiten und führen, gerade in so unüberschaubaren Zeiten wie den heutigen.“

Ich wünsche Anni Drotleff an ihren weiteren Kreationen viel Schaffensfreude und gutes Gelingen.

Erika und Walther Wagner

Schlagwörter: Kirche, Erntedank, Passionszeit, Mosaik, Baden-Württemberg

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