„Mit Liebe und viel Zeit“: Kochen und backen mit Rainer Klutsch und Irina Georgescu
Gleich zwei Kochbücher, die die siebenbürgische bzw. rumänische Küche zum Thema haben, sind in letzter Zeit im Cadolzburger Verlag ars vivendi erschienen: „Am Herd meiner Oma – Familienrezepte aus Siebenbürgen“ von Rainer Klutsch und „Carpatia. Eine kulinarische Reise durch Rumänien“ von Irina Georgescu. Klutsch entstammt einer siebenbürgisch-sächsischen Familie aus Weidenbach und lebt in der Nähe von Stuttgart, Georgescu wurde in Bukarest geboren, hat aber vor vielen Jahren ihren Lebensmittelpunkt nach Großbritannien verlegt. Beide eint die Liebe zu tradierten Familienrezepten aus ihrer ursprünglichen Heimat, die sie in ihren Büchern mit großer Leidenschaft präsentieren und mit vielen Genussmenschen teilen möchten. Die Gestaltung der Bücher trägt das Ihre dazu bei: Großformatige Fotos der Speisen und atmosphärische Landschaftsaufnahmen machen Lust darauf, die Rezepte auszuprobieren, der Verzicht auf Hochglanzpapier sorgt für eine angenehme Haptik und nimmt einem die Angst vor eventuellen Fettspritzern, weil die Bücher neben dem Herd liegen und wirklich benutzt werden, statt bloße Anschauungsobjekte zu sein.
Was für eine Fülle an Köstlichkeiten! Charmantes Detail: Zu jeder Speise erzählt Rainer Klutsch eine kleine Anekdote. Lebhaft kann man sich zum Beispiel vorstellen, wie er und seine zwei Brüder einen Berg Klettiten verputzten. „Wenn es ein Gericht gab, bei dem Gier, Hast und Konkurrenzdenken am familiären Esstisch vorherrschten, dann waren es die Klettiten. Es gab jedes Mal unter uns Brüdern ein Wettessen, wer am meisten schaffte – was natürlich weit über unseren Hunger hinausging.“ Ähnlich ging es zu, wenn Zwetschgenknödel serviert wurden: „Wer am meisten Zwetschgenkerne auf dem Teller liegen hatte, hatte zwar gewonnen, aber auch Bauchweh.“ Einziger Haken: das ganz und gar ungewöhnliche Ischler-Rezept. Zwei mit Johannisbeermarmelade gefüllte, mit Puderzucker bestäubte Plätzchen aus Mürbteig, davon eines mit Loch – diese Ischler-Variante ist in keinem der Rezensentin bekannten siebenbürgischen Kochbuch zu finden, aber man lernt ja nie aus. Schön zu erfahren ist, dass diese Ischler „die absoluten Lieblingsplätzchen“ von Rainer Klutschs Sohn Karl sind. Die nächste Koch- und Genussgeneration steht also schon in den Startlöchern.
Rumänische Klassiker wie Käspalukes (Mămăligă cu brânză și smântână), Salatsuppe (Ciorbă de salată), das „Nationalgericht“ Kohlrouladen (Sarmale), Mici, Knoblauchsoße (Mujdei) und Kirschlikör (Vișinată), die auch aus dem siebenbürgischen Kochkosmos nicht wegzudenken sind, laden zu Vergleichen ein, und der Baumstriezel (Kurtos kalacs), eigentlich ungarischen Ursprungs, wird auch bei Georgescu auf leeren Getränkedosen im Backofen gebacken. Die Dobos-Torte, ebenfalls aus Ungarn, fehlt in beiden hier vorgestellten Büchern ebenso wenig wie Cremeschnitten, die von Rainer Klutsch als „typisch rumänisch“ bezeichnet werden – aber sind sie das wirklich? Typisch rumänisch sind aber tatsächlich Panierter Käse (Cașcaval pané),Plăcintă (Blätterteigpastete) und Dulceață (Konfitüre) in verschiedenen Varianten sowie Cozonac, ein üppig mit Walnüssen gefüllter Hefezopf, der in Rumänien zu Ostern und Weihnachten gebacken wird.
Man kann schwelgen in diesen Kochbüchern, man kann und sollte aber auch einfach aus ihnen kochen, denn weder Irina Georgescu noch Rainer Klutsch geht es um Haute Cousine, sondern um die Verarbeitung von guten Produkten zu traditionellen, schmackhaften Speisen, die eine Verbindung zu ihren Wurzeln schaffen und über die Zubereitung und den Geschmack Erinnerungen wachrufen. Zugehörigkeit und Trost, Lebensfreude und Geselligkeit, Werte und Traditionen werden über Essen, über gemeinsame Mahlzeiten transportiert, und all das spürt man in den vorliegenden Büchern sehr deutlich.
Doris Roth
Rainer Klutsch: „Am Herd meiner Oma – Familienrezepte aus Siebenbürgen“. Verlag ars vivendi, Cadolzburg, 2021, 220 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-7472-0247-0.
Irina Georgescu: „Carpatia“. Eine kulinarische Reise durch Rumänien. Verlag ars vivendi, Cadolzburg, 2020, 224 Seiten, 26 Euro, ISBN 978-3-7472-0207-4.
Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist
nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.