12. April 2023

Östlich köstlich: Einblick in die kasachische Küche

Das vorliegende Buch „Anushka. Die junge osteuropäische Küche: vegetarisch & kreativ“ hat auf den ersten Blick mit Siebenbürgen oder Rumänien nichts zu tun. Die Autorin Ana Romas wuchs in der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan auf, im kleinen Ort Katchiry am Ufer des Flusses Irtysh im äußersten Nordosten des Landes, und kam zwölfjährig nach Deutschland. Gerichte, Rezepte und Techniken in „Anushka“ weisen allerdings durchaus Parallelen zur siebenbürgischen Küche auf, auf die es sich einen Blick zu werfen lohnt.
Im ersten Kapitel „Essenzielles und Einfaches“ stellt Ana Romas vor, was in der kasachischen Küche unverzichtbar ist: Kräuter (vor allem Dill), Essig, Teig und Meerrettich, in der Landessprache Chren genannt, etymologisch ein Zwilling des in Siebenbürgen gebräuchlichen Wortes Kren, der auch dort eine beliebte Wurzel war, die mutmaßlich in jedem Garten wuchs und häufig verwendet wurde, vor allem als Soße oder Suppe. Man findet ihn aber auch eingelegt als Essigkren, der wieder nach Kasachstan zurückführt, wo Essig zum Einlegen aller Arten von Gemüse (und Obst!) alltäglich ist. Saure Gurken zum Beispiel sind – wie in Siebenbürgen – ein Klassiker, aber Ana Romas hat auch Rezepte für sauer eingelegte Äpfel oder Wassermelonen in ihr Buch aufgenommen. Ebenso häufig wird Essig zum Würzen von Suppen verwendet (man denke an Soljanka oder Borschtsch) – eine weitere Parallele zur siebenbürgisch-rumänischen Küche, die verschiedene saure Suppen (Ciorbă) kennt. Kleine Häppchen zur Vorspeise heißen in Kasachstan Zakusky, was zumindest phonetisch an Zacusca erinnert, die ja auch gern auf Weißbrotscheiben als Appetithäppchen gereicht wird. Eine Variante der beliebten Vinete existiert ebenfalls in der kasachischen Küche: Bei Ana Romas heißt sie Auberginenkaviar – alternativ lässt sich auch Zucchinikaviar zubereiten.

Nicht unerwähnt bleiben darf eine „sowjetische Salatikone“, wie ihn die in Moskau geborene, jetzt in New York lebende Lifestyle- und Food-Journalistin Anya von Bremzen in ihrem autobiographischen Buch „Höhepunkte sowjetischer Kochkunst“ nennt: Olivje-Salat, auch bekannt als Oliver-Salat oder Salat Olivier, ist DER russische Salat für Festlichkeiten aller Art und fehlt auch bei Ana Romas nicht. Seine große Ähnlichkeit mit Salade de bœuf bleibt niemandem verborgen, der das Rezept liest, das übrigens in unzähligen Varianten (vegetarisch, mit Hühner-, Rind- oder Krabbenfleisch, mit Apfel oder Salatgurke) existiert. Pfannkuchen (Bliny), verwandt mit siebenbürgischen Kletiten, stehen ebenso auf dem kasachischen Speiseplan wie Kohlrouladen (Golubzy), die auf Rumänisch Sarmale und bei den Siebenbürger Sachsen Krautwickel heißen und sich großer Beliebtheit erfreuen.

Die Küche, mit der die 1989 geborene Ana Romas aufgewachsen ist, war geprägt von kasachischen, russischen, ukrainischen, polnischen, georgischen und sogar koreanischen Einflüssen, was darauf zurückzuführen ist, dass in Kasachstan eine recht große koreanische Minderheit, die so genannten Korjo-Saram, lebt. Davon zeugen unter anderem ein Rezept für Kartoffelsalat, der auch als „Salat koreanischer Art“ bekannt ist, und die „koreanischen Karotten“, die heute „fester Bestandteil der slawischen und zentralasiatischen Küche“ sind, wie Romas schreibt. Teigtaschen aller Art (Piroggen, Wareniki, Pelmeni) mit verschiedenen Füllungen, Küchlein wie Watruschki und Syrniki, herzhafte oder süße Grütze (Kasha) aus Getreide oder Hülsenfrüchten sowie der Brottrunk Kwas, der mit Malzbier vergleichbar und ein beliebtes Erfrischungsgetränk ist, deuten auf die slawischen Ursprünge der kasachischen Küche. Die kalte Bete-Suppe Cholodnik kennt man unter dem Namen Chłodnik auch in Polen, Georgien ist durch Chartscho, ebenfalls eine Suppe, vertreten, die Ukraine durch Buchweizenknödel (Kluski) und Hefekringel (Bubliki), Russland unter anderem durch das Moskauer Henkelbrot Kalatsch, das dunkle Borodinskij-Brot, die Newskij-Torte, die vermutlich aus einer St. Petersburger Konditorei stammt, und den Dessertklassiker Medowik, eine geschichtete Honigtorte.

„Anushka“ bietet einen breit gefächerten Einblick in die vielfältige kasachische Küche. Die Autorin Ana Romas hat aber nicht bloß überlieferte Rezepte zusammengetragen, sondern diese neu interpretiert und so das auf dem Buchrücken erwähnte Klischee, osteuropäisches Essen sei schwer, fantasielos und sehr fleischlastig, erfolgreich entkräftet. Wer mehr erfahren und weitere Rezepte – nicht nur aus Kasachstan, sondern aus der ganzen Welt – kennenlernen möchte, dem seien ihr Blog „Russisch Raclette“ und der gleichnamige Instagram-Kanal empfohlen, den über 27.000 Follower „östlich köstlich“ finden.

Doris Roth


Ana Romas: „Anushka. Die junge osteuropäische Küche: vegetarisch & kreativ“. Christian Verlag, München, 2023, 184 Seiten, 29,99 Euro, ISBN 978-3-95961-721-5

Schlagwörter: Kochbuch, Osteuropa, Buchbesprechung

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