1. November 2023

Hanfverarbeitung in Stolzenburg: „Der Hunnef wit gebeiht“

Wie in vielen siebenbürgischen Dörfern wurde auch in Stolzenburg seit jeher Hanf angebaut und wie wir wissen, nicht für die Herstellung von Cannabis, sondern zur Fasergewinnung aus den Stängeln der männlichen Hanfpflanze, dem Fiëmel.
„Hanfzopf“ auf dem Spinnrocken mit Spinnrad ...
„Hanfzopf“ auf dem Spinnrocken mit Spinnrad
Das Rösten: Wenn im August der Hanf eineinhalb bis zwei Meter hoch war, wurde er mit der Sichel geschnitten und in Garben, „Hunnef-Raisten“, gebündelt auf dem Ochsenwagen nach Hause gefahren. Anschließend musste er ungefähr zehn Tage im Bach, äm Gräǝwen, eingeweicht, also „gebeiht“ oder „geroist“ werden. Danach wurde er im Hof zum Trocknen in der Sonne so aufgestellt, dass sich kleine Zelte, Kalipptcher (rumänisch colibă) bildeten, zwischen und unter denen die Kinder gerne Verstecken und Fanges spielten.

Die Fasergewinnung: In einem ersten Schritt wurden die Hanfstängel mit „der Hack“ bearbeitet, die die äußere Hülle lockerte und zerkleinerte, die innenliegenden Fasern aber nicht beschädigte. Anschließend schlug man ihn bündelweise mit viel Schwung über den „Wiesebǝm“ (Schlagbaum) oder die Taisselt (Deichsel am Pferde-/Ochsenwagen), so dass sich die äußeren Schalen (de Îǝlen) vollständig von den Fasern lösten. Die Îǝlen wurden nicht weggeworfen, sondern landeten als Brennmaterial beim nächsten Brotbacken im Backofen. Nun wurden die von den Schalen befreiten Fasern durch einen groben Kamm, die „Heichel“, gezogen. Was hierin hängen blieb, war de Kråtz. Diese fand Verwendung als Putz- und Spüllappen oder als Dämm- und Verpackungsmaterial für den Transport von zerbrechlichen Gütern und Gegenständen. Um alle spröden, harten Reste vollständig zu entfernen, kam schließlich ein feiner Kamm zum Einsatz. Was in diesem Kamm hängen blieb, war det Wëirg, das ebenfalls vielfältige Verwendung in der bäuerlichen Wirtschaft fand. Das Endergebnis dieser mühsamen Arbeit waren die reinen, langen Hanffasern, die man zum Spinnen und Weben benötigte.

Das Spinnen und Weben (det Wirken): Wenn der Winter kam, die Feld- und Gartenarbeit ruhten, holte die Hausfrau die Hanfballen ais der Trun, damit sie von den flinken Gruißmeid in der Rōkestuww an langen Winterabenden gesponnen und anschließend von Mutter oder Großmutter am hauseigenen Webstuhl, um Wirkstahl, verwebt wurden. Die Hanffasern wurden für gröbere Gewebe, z. B. für Kartoffel- oder Strohsäcke verwendet. Kombiniert mit Baumwolle (Bǝuwel) konnten daraus aber auch Bett-, Tisch- und Handtücher hergestellt werden.

Es geht jedenfalls nichts über ein handgewebtes Driëchdeauch! Eine rot-blaue Bordüre oder die Initialen der jeweiligen Weberin zieren meine in Stolzenburg erworbenen Handtücher und erinnern mich an die Frauen, die nicht nur am Webstuhl gesessen haben, sondern auch bei Ernte, Rösten und Kämmen des Hanfs dabei gewesen sind. Sie allein wussten, wie viel Arbeit in solch einer Handarbeit steckt, bevor man sie in Händen halten kann. Ich bin glücklich, all diese Menschen persönlich gekannt zu haben, und ehre sie, indem ich die Handtücher, die selbst nach tausend Wäschen noch immer wie neu aussehen, täglich im Gebrauch habe.

Astrid K. Thal

Schlagwörter: Stolzenburg, Handwerk, Tradition

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