5. Mai 2009

ARTE dokumentiert den Untergang des Ostblocks

Vor zwanzig Jahren haben demokratische Revolutionen überall in Mittelost-Europa den real existierenden Sozialismus hinweg gefegt. Aus diesem Anlass hat der deutsch-französische Kulturkanal ARTE den Programmschwerpunkt „Wir sind das Volk“ gesetzt. An drei Terminen im Mai zeigt der Sender fünf gemeinsam mit dem MDR und RBB produzierte Dokumentationen. In deren Mittelpunkt stehen Menschen, die für kurze Zeit in ihren jeweiligen Ländern viel bewirkten und dann zurücktraten in die breite Masse ihres Volkes. Sie waren mit dafür verantwortlich, dass der Machtkoloss des Ostblocks – der zuvor mehrere Generationen geprägt hatte – in sich zerfiel.
Für Polen steht die Straßenbahnfahrerin Henryka Krzywonos. Sie hat das Entstehen der Gewerkschaft Solidarnocz miterlebt und den ersten großen Streik 1980 in Danzig. Dieser Streik wurde – was damals natürlich niemand wusste- zum Anfang vom Ende des kommunistischen Regimes in Polen. Henryka Krzywonos-Strycharska hat ein bewegtes Leben hinter sich. Sie ist heute Ehrenbürgerin von Gdansk / Danzig. Den Film verantwortete die in Berlin lebende Publizistin und Film-Journalistin Malgorzata Bucka (57).

Die dramatische Öffnung des Grenzzauns in Ungarn dokumentiert ein Film von Jürgen Ast am Beispiel des Grenzoffiziers Arpad Bella. Der war zum Zeitpunkt des „Grenzpicknicks“ nahe Sopron für den dortigen Grenzabschnitt verantwortlich, Er nahm es auf sich, die Grenze zu öffnen.

Sylvia Nagel schindet in ihrer Dokumentation anhand noch nicht gezeigtem Archivmaterials die Jahre der Schreckensherrschaft Ceaușescus in Rumänien und dokumentiert den Schauprozess gegen das Ehepaar. „Held“ ihres Berichts ist der Militärstaatsanwalt Dan Voinea. Für die Autorin ist klar: Der Umsturz ist von einer Gruppe Kommunisten von langer Hand vorbereitet worden. Sie bemüht Zeitzeugen – unter ihnen den reformierten Pastor Lasló Tökés aus Temeswar – und verschweigt nicht, dass für sie allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz Ion Iliescu der Hauptverantwortliche für die Vorgänge im Dezember 1989 ist. Der litauischen Nationalheldin Loreta Asanviciute (damals 23) hat Isabel Blöchl eine Dokumentation gewidmet. Die junge Frau kam in der Menschenkette zusammen mit vierzehn Landsleuten ums Leben, als sie den von Gorbatschow angeordneten Sturm auf den Fernsehturm in Vilnius verhindern wollten. Die Filmautorin hat dazu nicht nur die Mutter, Freundinnen und Nachbarn der Nationalheldin, sondern auch den damaligen Präsidenten des Landes, Vytautas Landsbergis, befragt. Es geht um nichts weniger als den auch heute noch von Russland gern unterdrückten Nachweis, dass die baltischen Staaten 1941 keineswegs freiwillig der Sowjetunion beigetreten sind.

Der Auftaktfilm dieser Doku-Reihe von Stephan Kühnrich will das im Westen sehr zu Unrecht verklärte Bild des letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, zurecht rücken. Anhand zweier Zeitzeugen wird die Geschichte der Sowjetunion vom Rücktritt Breschnew bis zur Auflösung der UdSSR am 31. Dezember 1991 nachgezeichnet. Dazu wird das Leben des persönlichen Fotografen des Präsidenten Alexander Tschnischow dargestellt. Deutlich wird: Gorbatschow war als Reformer gescheitert. Und ein in der Wolle gefärbter Demokrat war er gewiss auch nicht. Sein Rücktritt hat Russland erst einmal auf ein Jahrzehnt ins Chaos gestürzt.

Die Sendetermine auf ARTE:

UdSSR – Der Fotograf der Perestroika, Mittwoch, 6. Mai 2009, 21 Uhr

Polen – Henrykas Solidarität, Mittwoch, 6. Mai 2009, 21.55 Uhr

Ungarn – Der Grenzer am Eisernen Vorhang, Mittwoch, 13. Mai 2009, 21 Uhr

Rumänien – Der Ankläger Ceaușescus, Mittwoch, 13. Mai 2009, 21.55 Uhr

Litauen – Das Märchen und die Panzer, Mittwoch, 20 Mai 2009, 21 Uhr.

Horst Schinzel

Schlagwörter: TV-Tipp

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Neueste Kommentare

  • 19.05.2009, 22:01 Uhr von Carl Gibson: Zustimmung auf breiter Front, Fritz1966! Links sein ist immer noch schick, nicht zuletzt ... [weiter]
  • 19.05.2009, 20:41 Uhr von fritz1966: Hallo, Carl Gibson, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Nun kann ich einiges besser ... [weiter]
  • 19.05.2009, 12:59 Uhr von Carl Gibson: Nur ganz kurz zur freien Gewrkschaft SLOMR, Fritz 1966! Seit ich 1979 hier im Westen ankam, setzte ... [weiter]

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